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       # taz.de -- Spitzentreffen im Roten Rathaus: Schlussspurt für Reform
       
       > Bezirk oder Senat? Die Zuständigkeiten sind oft unklar. Die seit
       > Jahrzehnten angestrebte Verwaltungsreform geht jetzt in die entscheidende
       > Phase.
       
   IMG Bild: Einen Zebrastreifen anzulegen, kann in Berlin rund drei Jahre dauern. Auch das soll nach einer Verwaltungsreform anders sein
       
       Berlin taz | Wird es wirklich etwas mit der Verwaltungsreform in Berlin?
       Jener seit über zwei Jahrzehnten von Politik und Wirtschaft geforderten,
       viel diskutierten, aber bisher nie umgesetzten Straffung und Verschlankung
       von Abläufen, die vieles beeinflussen, vom Wohnungsbau bis zu
       Unternehmensansiedlungen? Dazu tagt an diesem Freitag im Roten Rathaus
       erneut eine überparteiliche Runde von Spitzenpolitikern unter Führung von
       Regierungschef Kai Wegner (CDU). Nach viel bisheriger Übereinstimmung von
       Linken bis CDU geht es nun um konkrete Zuweisung von Aufgaben und Macht
       zwischen Landes- und Bezirksebene. Zeigen muss sich dabei, wie sehr das
       bisherige Einvernehmen durch die jüngsten Spannungen um die Bundestagswahl
       herum gelitten hat.
       
       Die Reform soll das beenden, was Wegner und andere vielfach als
       „Verwaltungs-Pingpong“ beschrieben haben. Dahinter steht die Kritik an
       ungeklärten Zuständigkeiten sowie suboptimalen Abläufen zwischen
       Senatsverwaltungen und Bezirken. Als einschlägiges Beispiel gilt ein auf
       den ersten Blick simpel anmutender Zebrastreifen: Den anzulegen, so stellte
       es mal die Bezirkspolitik in Tempelhof-Schöneberg fest, [1][erfordere 18
       Verfahrensschritte und rund drei Jahre.]
       
       Relevant ist die Klärung der Zuständigkeiten gerade bei hoch politischen
       Themen wie dem geplanten Zaun um den Görlitzer Park. Dort ordnete der Senat
       an, dass der grün-geführte Bezirk ihn bauen lassen soll, was der ablehnte.
       Infolge zog der Senat das Verfahren an sich. Weiter
       [2][verwaltungsgerichtlich zu klären] ist, ob ein Bezirk klageberechtigt
       ist oder nicht.
       
       Auch [3][im Streit um das Neubauprojekt „Urbane Mitte“ am Gleisdreieckpark]
       ist die Machtfrage strittig. Als Bausenator Christian Gaebler (SPD) dort
       die Planung an sich zog, hieß es aus dem Bezirk, hier werde „ein
       politisches Exempel statuiert. Eine Reform, so die Hoffnung des Senats,
       würde derartige Diskussionen erübrigen, weil die Zuständigkeiten dann von
       vornherein klar sind. Falls es doch zum Streit kommt, soll eine paritätisch
       besetzte Einigungsstelle mit einer neutralen Leitung weiterhelfen.
       
       ## Kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem
       
       Mehrere Kommissionen haben sich bereits an Reformvorschlägen versucht, ohne
       dass sich etwas änderte, zuletzt 2018 vom damaligen Regierungschef Michael
       Müller (SPD) eingesetzt. Selbst im Jahr 2000 – sein Nachfolger Wegner war
       gerade ins Abgeordnetenhaushaus gekommen – gab es schon eine solche
       Kommission.
       
       Kurz vor Weihnachten hatte der Senat einen ersten Entwurf für umfangreiche
       Änderungen diskutiert, für gut geheißen und zur weiteren Debatte an den Rat
       der zwölf Bezirksbürgermeister weitergeleitet. Die Reform hatte Wegner im
       Mai 2023 schon kurz nach seiner Wahl angekündigt und als
       parteiübergreifendes Projekt vorgestellt. Er und Werner Graf, Fraktionschef
       der gerade in die Opposition gerückten Grünen, hätten schon oft darüber
       geredet – „Ich möchte diese Verwaltungsreform mit euch gestalten“, suchte
       Wegner damals im Plural-„Du“ Unterstützung.
       
       Hintergrund ist nicht allein der Wunsch nach breiter Akzeptanz: Wegner ist
       auf die Oppositionsfraktionen angewiesen. Denn ein Teil der Reformen ist
       nur mit Änderungen in der Berliner Verfassung möglich. Dazu aber ist eine
       Zweidrittelmehrheit im Parlament nötig, nämlich 106 Stimmen – CDU und SPD
       haben zusammen nur 87 und brauchen dafür Unterstützung.
       
       Zum Teil geht es bei den Änderungen nur um einzelne Begriffe. [4][In
       Artikel 67 der Landesverfassung] heißt es etwa, dass die Senatsverwaltungen
       ins Wirken der Bezirke reingrätschen können, wenn ansonsten „dringende
       Gesamtinteressen Berlins beeinträchtigt werden“. Aus „dringend“ soll nun
       „erheblich“ werden, was den Eingriff nicht länger zeitlich definiert.
       
       ## Auch Stärkung der Bezirke ist ein Ziel
       
       Zur parallel dazu angestrebten Stärkung der Bezirke soll es beitragen, in
       der Verfassung eine Beteiligung der Bezirksbürgermeister mit dem Begriff
       „frühzeitig“ zu definieren. Darüber hinaus geht es darum, festzuschreiben,
       dass die Bezirke für ihre künftig genauer beschriebenen Aufgaben das nötige
       Geld zustehen soll – „Konnexität“ lautet der Fachbegriff dafür.
       
       Regierungschef Wegner hat über den ganzen Diskussionsprozess hinweg die
       Zusammenarbeit mit Grünen und Linken gelobt und diese auch als
       „einzigartig“ beschrieben. Dabei fiel auf, dass er sich dabei weniger
       überschwänglich über seinen Koalitionspartner SPD äußerte. Tatsächlich gibt
       es auch bei den Grünen Stimmen, die bei der SPD den letzten Wollen zur
       Reform vermissen und vermuten, man gönne dort dem CDU-Mann Wegner nicht den
       Erfolg der Reform – gerade mit Blick auf die Abgeordnetenhauswahl 2026.
       
       Die Frau, die die Reform koordiniert und in der Senatskanzlei vorantreibt,
       ist Staatssekretärin Martina Klement, das einzige CSU-Mitglied in der
       Landesregierung. Sie hat mit ihren Mitarbeitern schon bis Jahresende über
       4.000 Aufgaben der Verwaltung zusammengestellt. Bei 800 davon war unklar,
       wer zuständig war – was zu dem beschriebenen „Pingpong“ zwischen Bezirken
       und Landesebene führt. Fast die Hälfte davon habe man nun genau zuweisen
       können.
       
       ## Hoffnung auf grünes Licht
       
       Alle – bislang auf mehrere Übersichten und Gesetze verteilt – sollen
       letztlich in einem Katalog aller Aufgaben stehen, den der Senat per
       Verordnung veröffentlicht. Dazu soll das bisherige Allgemeine
       Zuständigkeitsgesetz einem Landesorganisationsgesetz weichen. In einem
       Gespräch mit Journalisten am Mittwoch ging Klement davon aus, dass die
       Spitzenrunde am Freitag grünes Licht für ihren Entwurf geben wird.
       
       Der weitere Ablauf sieht nach ihren Vorstellungen so aus: endgültiger
       Senatsbeschluss Anfang April, noch vor Ostern ins Abgeordnetenhaus und
       möglichst Beschluss der vorgelegten Gesetze und Änderungen vor der
       Sommerpause. Letztmals davor tagt das Landesparlament am 10. Juli.
       
       27 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.tagesspiegel.de/berlin/wie-kompliziert-es-ist-in-berlin-einen-zebrastreifen-anzulegen-2823823.html
   DIR [2] /Streit-um-Goerlitzer-Park/!6039054
   DIR [3] /Urbane-Mitte-in-Kreuzberg/!6011848
   DIR [4] https://www.berlin.de/rbmskzl/politik/senat/verfassung/artikel.41514.php
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
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   DIR Behördenversagen
       
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