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       # taz.de -- Sport für alte Menschen?: Eine Runde Seniorenturnier
       
       > Ein extrem langsamer Spieler, ein Ex-Polizist, viel Lob und manch ein
       > Gedächtnisproblem. Ein Tag auf einem Golfturnier für Menschen ab 50.
       
   IMG Bild: Senior im Golf ist man schon mit blühenden 50, was soll dann im Leben noch kommen!?
       
       Zu den regelmäßig aufploppenden Klischees über den Golfsport zählt die
       falsche Mutmaßung, das sei nur was für Alte. Zum Beweis dient der Blick auf
       einen beliebigen Golfplatz: Guck mal, nur Grauhaarige. Gebückter Gang. Wie
       die schleichen! Klarer Fall: Seniorensport.
       
       Einzuwenden ist, dass sich insbesondere wochentags Jüngere liebend gern auf
       den Grüns tummeln würden. Gemeinerweise steht dem das Arbeitsleben
       entgegen. Nur Rentnerinnen und Pensionäre haben tagsüber Zeit, und da
       spielen sie lieber Golf, als sich um die Enkelbrut oder die Vorpflege ihrer
       künftigen Gräber zu kümmern.
       
       Und Golf hilft mit seinen 10-Kilometer-Walks und mäßig stark belastetem
       Kreislaufsystem nachgewiesenermaßen der Gesundheit. Heißt: Viele der heute
       grauhaarigen Alten werden weißhaarig noch als sehr Alte spielen.
       
       Senior im Golf ist man mit blühenden 50, also schon kurz nach der Geburt.
       Das zehrt am eigenen Seelenheil: Wenn ich jetzt schon offiziell zum
       Vorgreisentum zähle, was soll dann im Leben noch kommen!?
       
       ## Das Turnier
       
       Zum Beispiel Seniorenturniere. Ich hatte es vorige Woche in einer
       Dreiergruppe mit dem drahtigen Peter (75) und Ex-Leistungsschwimmerin Rica
       (60) zu tun.
       
       Peter ist wahrscheinlich der langsamste Spieler auf des Golfgottes grünen
       Erden. Hinter den Ball stellen. Ausrichten. Schläger zum Richtungspeilen in
       die Luft halten. Neben den Ball stellen. Dann immer zwei Probeschwünge.
       Dann näher an den Ball stellen. Konzentration erneut sammeln. Stand minimal
       ändern. Dann tatsächlich ausholen – und den Ball, na ja, auch mal mäßig
       erfolgreich treffen. Rica sagt dann: „Ach schade, aber das kommt schon
       wieder.“
       
       Rica liebt das Lob. „Wir ärgern uns doch viel zu oft viel zu sehr. Hey, die
       Sonne scheint, wir haben einen schönen Nachmittag zusammen. Was will man
       mehr?“ Als sie den Ball einmal perfekt weit schlägt und der
       ärgerlicherweise in den Sandbunker kullert, hätte ich gesagt: „Scheiße,
       heute werden gute Schläge bestraft.“ Rica freut sich: „Aber der Schlag war
       richtig schön.“
       
       Wir redeten auch über unsere Gedächtnisse. „Hattest du eine 4 oder eine 5
       am letzten Loch?“, fragt Peter. „Immer noch 4, Peter.“ Auch Mitsenior J.
       ist kurz Thema. Der hatte im Vorübergehen fröhlich überrascht gesagt „Ach,
       hallo!“ Keine fünf Minuten später, wieder das gleiche überraschte „Ach,
       hallo!“ Hatte er den Moment kurz zuvor schon wieder vergessen? Oder M.:
       Jedes Mal sagt er, „Herr Müllender!? Lange nicht gesehen!“ Ob es drei
       Wochen oder sechs Monate her ist. Vielleicht nur eine Marotte von ihm. Oder
       mein Gedächtnis hakt.
       
       ## Noch einiges zu lernen
       
       Spieler Josef, später bei der Siegerehrung mit einem Preis versehen, ist
       Peters Tempogegenteil. Der Ex-Polizist geht hin zum Ball und schießt ihn
       augenblicklich weg. „Ich spiele so lange Golf; wenn ich jetzt noch
       Probeschwünge bräuchte, hätte ich was falsch gemacht“, hat er mal gesagt.
       Im Berufsleben hat er vermutlich auch keine Probeschüsse abgegeben.
       
       Peter hat auch nach fünf Jahren Golfspiel noch nicht alle Verhaltensregeln
       („Etikette“) verinnerlicht. Mal tritt er, ein No-go, auf die Puttlinie
       eines anderen. Oder rennt einem vor die Nase, wenn man sich gerade auf
       seinen Putt konzentriert. Aber das wird er in den nächsten 75 Jahren
       Seniorengolf noch umstellen. Von Rica hat er längst gut gelernt. Als ich
       den Ball einmal ins Gebüsch jage, kommentiert er charmant tröstend: „Aber
       der Probeschwung war exzellent.“
       
       Rica ist übrigens Rica Reinisch, dreifache Schwimm-Olympiasiegerin für die
       DDR in Moskau 1980. Später war sie vor dem Berliner Landgericht Kronzeugin
       gegen die Verantwortlichen der verdeckten Dopingpraxis mit anabolen
       Steroiden („die kleinen blauen Pillen“) und später liebesbedingt im
       Rheinland gelandet. Heute arbeitet Reinisch als Mentalcoach. Mit ihr werde
       ich demnächst eine eigene Runde für diese Kolumne drehen. Vermutlich
       maximal relaxt.
       
       20 May 2025
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Müllender
       
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