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       # taz.de -- Sport im Ukrainekrieg: Kick mit Krücke
       
       > Immer mehr beinamputierte Veteranen spielen in der Ukraine Fußball. Der
       > Verband initiiert nun einen regelmäßigen Spielbetrieb für die Versehrten.
       
   IMG Bild: Freundschaftsspiel in Riwne: Das ukrainische Auswahlteam der Frauen kickt gegen eine Veteranenmannschaft
       
       Luzk taz | Es ist ein warmer Sommerabend in Luzk. In der Nähe eines
       Fußballplatzes ziehen sich ein Dutzend Männer ihre Sportklamotten an. Sie
       machen einen entspannten Eindruck und versuchen zwischen ernsten Gesprächen
       über die Arbeit, [1][die jüngsten Bombabardements der Russen] oder
       Geschichten über Freunde an der Front zu scherzen. Neben Bällen, Trikots
       und Schuhen gehören auch Krücken zu ihrer Fußballausrüstung. Ihre Prothesen
       bleiben auf der Bank. Ein Arzt stellt sicher, dass die Veteranen ihre
       Stümpfe richtig verbinden.
       
       Dann beginnt die Trainingseinheit der „Kreuzritter“, einer Mannschaft von
       beinamputierten Fußballern. „Im Spiel ist alles klar, so wie im Krieg: Es
       gibt Kameraden, die man nicht im Stich lassen kann, man darf nicht
       zurückweichen und es gibt ein Ziel – den Sieg. Ja, ich habe kein Bein, aber
       das ist kein Grund zu denken, ich hätte kein Leben“, sagt einer der Spieler
       auf dem Weg zum Trainingsplatz. In der Mitte des Platzes warten die anderen
       bereits. Sie haben einen Kreis gebildet: Veteranen auf Krücken umarmen sich
       und machen sich Mut.
       
       Die Regeln des Amputiertenfußballs orientieren sich an den üblichen
       Regularien. Den Ball mit der Krücke zu spielen, ist nicht erlaubt, selbst
       leichte Ballberührungen sind nicht gestattet. Und im Tor steht ein Spieler
       mit einem amputierten Arm. Der Klub in Luzk, für den die Männer spielen,
       besteht aus Armeeangehörigen, die noch im Dienst sind und solchen, die
       bereits demobilisiert worden sind. „Bei uns spielen Militärangehörige, die
       sich gerade in Reha befinden und einfach kicken wollen.
       
       Die Jungs kommen oft aus benachbarten Städten zum Training, um die
       Kameradschaft in der Armee beim Fußballteam wiederaufleben zu lassen“, sagt
       Vitali Mantschenko, Leiter der Luzker „Kreuzritter“. Der Name des Klubs
       spielt auf das Logo des ehemaligen ukrainischen Erstligisten Wolyn Luzk an,
       auf dessen Trikots Kreuze angebracht waren, die an das mittelalterliche
       Wappen der Region erinnern sollten.
       
       ## Fußball gegen Verzweiflung
       
       „Ich gehe nicht zum Training, um Pokale zu gewinnen oder Tore bei
       Wettbewerbsspielen zu schießen. Es geht darum, einen Umgang mit den
       Verwundungen zu finden. Viele Jungs aus unserer Mannschaft rettet das
       Fußballspielen vor der Verzweiflung“, sagt Jewgeni Luschtschakewitsch, der
       sich im Frühjahr 2022 freiwillig zum Krieg gemeldet und vor Charkiw sein
       Bein verloren hat.
       
       Sein Team gibt es seit etwa einem halben Jahr. In Lwiw wird schon seit 2023
       Amputiertenfußball betrieben. Damals machten Meldungen die Runde, wonach
       20.000 bis 50.000 Soldaten Gliedmaßen amputiert werden mussten. „Die
       Ukraine hatte es mit einem Mal mit einer großen Zahl von Amputierten zu
       tun. Und dabei ging es nicht nur um medizinische Versorgung sondern auch um
       die Wiedereingliederung in den Alltag“, sagt Bohdan Melnyk, [2][Trainer des
       FC Pokrowa].
       
       Die Veteranen und Melnyk wurden damals von einer Missionseinrichtung der
       Griechisch-Katholischen Kirche bei der Gründung des ersten Fußballklubs für
       Beinamputierte im Land unterstützt. Schnell wuchs die Zahl der Spieler und
       bald konnte Pokrowa in der höchsten polnischen Amputiertenliga spielen.
       Zweimal im Monat reist der Klub zu Spielen ins Nachbarland und hat sich im
       Mittelfeld der Tabelle etabliert.
       
       ## Liga der Beinamputierten
       
       Das Beispiel des Klubs hat Schule gemacht. Längst gibt es an anderen Orten
       Klubs für versehrte Veteranen. Auch Profiklubs aus der ersten Liga wie
       Schachtar Donezk oder Weres Riwne betreiben mittlerweile Reha-Teams für
       Veteranen. Zehn Teams für Amputierte haben sich gegründet und
       Freundschaftsspiele auch zwischen Frauen- und Männerteams finden regelmäßig
       statt.
       
       Andrij Schewtschenko, der Präsident des ukrainischen Fußballverbands, hat
       die Einrichtung eines Sonderfonds angeregt und [3][eine Liga für
       beinamputierte Veteranen] eingeführt. Zweimal hat nun bereits ein Turnier
       in Kyjiw stattgefunden. Schewtschenko war es gelungen, mehr als 1 Million
       Euro für das Projekt aufzutreiben. Anlässlich zweier Freundschaftsspiele
       der Nationalmannschaft in Toronto Anfang Juni sammelte der Verband Spenden
       bei der ukrainischen Diaspora in Kanada ein.
       
       Doch die eigentlichen Erfolgsgeschichten liegen [4][in den Biografien der
       amputierten Sportler]. Da ist zum Beispiel Petro Kornaga. Er hatte sich
       freiwillig an die Front gemeldet und wurde bald schwer verwundet. „Der
       Anfang war schon sehr schwierig“, erinnert er sich. „Ich wusste nicht, wie
       man auf Krücken läuft und schon gar nicht, wie man den Ball spielen soll.
       
       Auch Stürze musste er üben, lernen, wie man auf das gesunde Bein oder
       seinen Stumpf fällt.“ Sein Teamkamerad ist Walentyn Osowsky. Im zivilen
       Leben ist er ITler. 2022 hat er sich freiwillig zur Armee gemeldet, wurde
       verwundet und verlor ein Bein. Heute ist er Kapitän des FC Pokrowa und eine
       Berühmtheit im Land. Im Mai führte er vor dem Pokalfinale zwischen
       Schachtar Donezk und Dynamo Kyjiw den symbolischen Anstoß aus.
       
       19 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Juri Konkewitsch
       
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