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       # taz.de -- Sportstadt Detroit im Aufwind: Prozac in die Drinks!
       
       > Detroit, die gebeutelte Stadt, schöpft neue Zuversicht. Verantwortlich
       > hierfür sind die die Football-Erfolge der Detroit Lions.
       
   IMG Bild: Flinker Sprinter: Runningback Jahmyr Gibbs (oben) im Schwebezustand
       
       In den letzten Jahrzehnten gab es droben am Eriesee nur ein Motto: Wer es
       sich leisten kann, verlässt die Stadt. Detroit galt als verloren und
       heruntergekommen. Die Kriminalitätsrate ging durch die Decke. Hatte
       „Motorcity“, wie Detroit in der Blütezeit getauft wurde, in den
       1950er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts noch 1,8 Millionen Einwohner, so
       siedeln am Detroit River jetzt gerade mal noch 640.000 Menschen.
       
       Der Glanz der großen Autofabriken von GM, Chrysler und Ford sowie des
       Musiklabels Motown ist verblasst, und das 1998 stillgelegte, imposante
       Gebäude der Michigan Central Station, erbaut im Jahr 1913, schien zum
       Symbol des Abwärtstrends zu werden. Die Süddeutsche Zeitung bezeichnete
       Detroit kurz und treffend als „die autodestruktive Stadt“.
       
       Während Spötter behaupteten, [1][die TV-Serie „Hung“ wäre noch das Beste],
       was in den letzten 15 Jahren aus Detroit gekommen wäre, so müssen sie sich
       nun eines Besseren belehren lassen, denn Detroit erwacht so langsam als
       Sportstadt wieder, auch wenn das die Anhänger des Basketballteams der
       Pistons nicht glauben mögen.
       
       Der vorsichtige Aufschwung ist nicht nur eine gute Nachricht für die
       Sportfans, sondern auch für die Entwicklungschancen der Stadt insgesamt:
       Geht es mit der Wirtschaft wieder aufwärts, mieten sich die Kreativen in
       die erschwinglichen Ateliers ein und beleben die Brachen, so kann auch
       Detroit auf Kairós hoffen, den günstigen Augenblick, in dem das Sorgenkind
       am Schlafittchen aus dem Sumpf gezogen wird.
       
       ## Halbfinale in San Francisco
       
       [2][Das Football-Team der Lions], eine halbe Ewigkeit die Lachnummer der
       Liga, schickt sich nun an, diesem Depri-Detroit ein paar Prozac-Pillen in
       die Drinks zu mischen. Die Mannschaft von Cheftrainer Dan Campbell steht in
       den Playoff-Halbfinals. Noch ein Sieg gegen die San Francisco 49ers und sie
       stünden, o Wunder, im Superbowl, der heuer in Las Vegas ausgetragen wird.
       
       [3][Das Fachmagazin Sports Illustrated] schreibt: „Es war eine Saison, gut
       genug, um einen Disney-Film zu drehen, den man einfach gesehen haben muss.“
       Der Überschwang ist durchaus verständlich, denn diese Momente, da die Lions
       wieder brüllen und mit stolzer Mähne sogar zu den Green Bay Packers,
       größter Konkurrent im Norden, fahren, hat es sehr lange nicht gegeben.
       
       Die große Zeit der Lions korrespondiert nicht eben zufällig mit dem
       Motown-Boom: Champion der National Football League wurden sie in den Jahren
       1935, 1952, 1953 und 1957. Zwei Quarterbacks aus dieser so erfolgreichen
       Phase schafften es in die Hall of Fame: Earl Clarke und Bobby Layne.
       Seitdem glückte das keinem Ballverteiler der Lions mehr, was bezeichnend
       ist.
       
       Die Lions hatten in den Zehnerjahren zwar in Matthew Stafford einen guten
       Quarterback, doch das Team blieb insgesamt blass, fast schon ein
       hoffnungsloser Fall. Keine Geschichte, in der nicht jene 0:16-Loser-Saison
       der Lions aus dem Jahr 2008 erwähnt worden wäre – oder das
       saisonübergreifende 0:19.
       
       Nun verteilt Quarterback Jared Goff die Bälle, unter anderem auf den
       deutschen Wide Receiver Amon-Ra St. Brown. Goff kam 2021 von den Los
       Angeles Rams zu den Lions und hat nun Großes vor am kommenden Wochenende in
       Kalifornien. Das Publikum im heimischen Ford Field mag den Anführer
       mittlerweile, was Goff anzutreiben scheint: „Es ist fantastisch. Es ist
       wirklich cool für mich, was hier passiert.“
       
       Detroit braucht diese Zuversicht, denn auf der anderen Seite stehen
       niederschmetternde Statistiken: Nur 53 Prozent der Hausbesitzer konnten
       2011 die Immobiliensteuer bezahlen, und der Bestand an heruntergekommenen,
       leerstehenden Gebäuden wurde auf 80.000 geschätzt. Zwei Jahre später musste
       die Stadt sogar Insolvenz anmelden, ein einmaliger Vorgang für eine
       US-Stadt dieser Größenordnung. Kein Wunder, dass nun fast jeder Detroiter
       auf das große Finale am 11. Februar hofft.
       
       23 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.moviepilot.de/serie/hung
   DIR [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Detroit_Lions
   DIR [3] https://www.si.com/nfl/lions/news/ragnow-barnes-epitomize-lions-dream-season
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Markus Völker
       
       ## TAGS
       
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