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       # taz.de -- Startchancen-Programm gegen Ungleichheit: „Gut, dass es langfristig ist“
       
       > Bald beginnt das Startchancen-Programm, bei zunächst 2.125 Schulen
       > bundesweit. Ein Besuch der Grundschule Saturnring bei Hannover.
       
   IMG Bild: „Alle Kinder haben die gleichen Rechte“, meint diese Gruppe aus der Grundschule Saturnring
       
       taz | Hannover So eine richtig konkrete Vorstellung davon, was da [1][mit
       dem Startchancen-Programm auf sie zu kommt], haben sie noch nicht, sagt
       Schulleiter Maiko Kahler von der Grundschule Saturnring in Garbsen bei
       Hannover. Natürlich hat es ihn gefreut, dass seine Schule ausgewählt wurde.
       
       Die niedersächsische Landesregierung hat einen eigenen Sozialindex für die
       erforderlichen drei Kriterien erarbeitet. Anders als die Stadtstaaten kann
       man in so einem Flächenland ja nicht einfach auf die kommunalen Sozialdaten
       zugreifen, [2][hat Ministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) erklärt].
       Gleichzeitig wollte man den bürokratischen Aufwand möglichst gering halten
       und mit vorhandenen Daten arbeiten. Zentral sind dabei die Anteile von
       Schüler*innen, die einen sogenannten Migrationshintergrund haben und/oder
       Anspruch auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket (BuT). In
       beiden Kategorien liegt die Grundschule Saturnring im hohen Prozentbereich.
       
       Eines der Kriterien trifft allerdings nicht so richtig zu. Niedersachsen
       hat auch die Daten aus der Lehrbuch-Ausleihe berücksichtigt – hier können
       sich Familien, die Sozialleistungen beziehen, von den Leihgebühren befreien
       lassen. „Das haut bei uns nicht so ganz hin“, erklärt Kahlers
       Stellvertreterin, Annika Gold. In der Grundschule Saturnring hat man sich
       nämlich längst angewöhnt, sich die Lesetexte passend zusammenzustellen.
       „Die meisten Lesebücher setzen viel zu viel voraus.“
       
       ## Der Bergriff „Brennpunktschule“ klingt nach Polizei
       
       Das, sagt sie mit einem kleinen Seitenblick auf ihren Schulleiter, ist hier
       eben schon anders als an manch einer anderen Schule. Kahler hatte gerade
       noch erklärt, wieso er den Begriff „Brennpunktschule“ nicht mag. „Das
       klingt, als würde hier jeden Tag die Polizei auf dem Schulhof stehen – das
       stimmt doch so gar nicht.“ Überhaupt ist ihm alles suspekt, was ständig um
       Problembeschreibungen kreist. Man muss an Lösungen arbeiten. „Natürlich
       gibt es Unterschiede. Unsere Schülerinnen und Schüler kommen zwar aus über
       36 Nationen, sie kommen aber eben auch alle aus dem Stadtteil Auf der
       Horst“, sagt Kahler.
       
       Etwas, was schon ganz lange auf dem Wunschzettel der Kollegen steht, ist so
       ein Zirkusprojekt, bei dem Artisten mit den Kindern Auftritte einstudieren.
       Das klingt vielleicht banal, aber die, die es einmal mitgemacht haben,
       schwärmen von den Auswirkungen, die man monatelang spürt. Die Kinder
       gewinnen die Erfahrung von Selbstwirksamkeit, die so wichtig ist für den
       weiteren Schulerfolg. Für die Eltern ergibt sich ein fröhlicher,
       unbefangener Kontakt zur Schule. Das ist Gold wert.
       
       Aber natürlich lässt sich das an Orten wie diesem nicht mal eben durch eine
       Umlage unter den Eltern, großzügige Sponsoren oder über einen Förderverein
       mit gut gefüllter Kasse finanzieren. Vielleicht klappt es ja jetzt über das
       Startchancen-Programm. Denn auch für solche pädagogischen Projekte sind
       darin Mittel vorgesehen.
       
       ## Eine Schulassistentin oder Lern- und Bewegungsräume
       
       Noch wichtiger sind aber natürlich die beiden Säulen zur Finanzierung von
       baulichen und personellen Maßnahmen. Auch hier, sagt Kahler, könnte er sich
       eine Menge vorstellen. Eine weitere Sozialarbeiterstelle wäre zum Beispiel
       schön. Bisher haben sie eine Vollzeit- und eine Teilzeitstelle für ihre ca.
       400 Schüler*innen. Eine Schulassistentin oder Schulkrankenschwester wären
       natürlich auch toll. Extra Lern- oder Bewegungsräume, ein Aufmöbeln der
       kleinen Unkraut-bewachsenen Innenhöfe oder andere Baumaßnahmen stünden auch
       auf dem Wunschzettel.
       
       Allerdings wird an der Schule ohnehin gerade so einiges umgebaut: Das
       Obergeschoss ist aus Sicherheitsgründen komplett gesperrt und muss
       angepasst werden. In einen Flügel soll ein Kindergarten mit 25 Plätzen
       einziehen – für die Kinder, die keinen Kitaplatz abbekommen haben, bei
       denen ein Jahr vor der Einschulung aber dringender Sprachförderbedarf
       festgestellt wird.
       
       Auch für den Ganztagsausbau gibt es noch einiges zu tun. Die Schule betreut
       zwar schon nachmittags, aber die Stundenzahl muss noch einmal um eine
       Stunde aufgestockt werden, um den Anforderungen des Bundesgesetzes zu
       genügen. „Wir haben noch keine Ahnung, wie sich das am Ende alles
       ineinanderfügt“, sagt Kahler. Gemeinsam mit dem Kollegium soll das weitere
       Vorgehen nach den Ferien durchdacht und mit dem gesamten Team geplant
       werden. Es sei schon ganz gut, dass das Startchancen-Programm so
       langfristig angelegt ist, meint Kahler.
       
       28 Aug 2024
       
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