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       # taz.de -- Steuerfahndung nach Airbnb-Vermietern: Jetzt kommt der SteuAirbnbscheid
       
       > Steuerfahnder werten die Daten von 10.000 Berliner Anbietern von
       > Airbnb-Ferienwohnungen aus. Die Gesetzeslage wird angepasst.
       
   IMG Bild: Die Protestgruppe „Anonyme Anwohnende“ protestieren gegen das Geschäftsmodell von Airbnb
       
       Berlin taz | Zwei Sachen galten für Vermieter*innen von Ferienwohnungen
       über die Plattform Airbnb als sicher: Die Nachfrage von Tourist*innen aus
       aller Welt ist ungebrochen – und die eigenen Daten sind auf den [1][Servern
       des Konzerns in Irland] vor deutschen Behörden sicher. Die erste Gewissheit
       hat sich mit der anhaltenden Coronakrise in Luft aufgelöst – und die zweite
       mit einem [2][Urteil eines irischen Gerichts zugunsten der Hamburger
       Steuerfahndung] Anfang September.
       
       Gemeinsam mit anderen Bundes- und Landesbehörden hatte diese in einem
       mehrjährigen Verfahren die Herausgabe der Vermieterdaten der Jahre 2012 bis
       2014 erstritten. Darunter befinden sich laut Finanzsenator Matthias Kollatz
       (SPD) etwa 10.000 Berliner Ferienwohnungsanbieter*innen mit Namen,
       Anschriften und Vermietungsumsätzen, allesamt mit Einnahmen im vier- bis
       fünfstelligen Bereich.
       
       Die Finanzamtsabteilung für Strafsachen und Steuerfahndung hat die
       Ermittlungen aufgenommen und will etwaige Steuersünder durch den Abgleich
       mit den abgegebenen Steuererklärungen überführen. Einnahmen aus der
       Wohnungsvermietung über einem Freibetrag von 520 Euro im Jahr müssen
       grundsätzlich versteuert werden, sofern das Gesamteinkommen über dem
       Grundfreibetrag – für Singles sind das 9.408 Euro – liegt. Bei Verstößen
       drohen neben der Nachzahlung der hinterzogenen Steuern plus Zinsen Geld-
       oder Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren. Ohne Strafe kann nur
       davonkommen, wer sich selber anzeigt.
       
       Sebastian Schlüsselburg, Sprecher der Linksfraktion für Rechtspolitik und
       Datenschutz, wollte nun in einer Kleinen Anfrage – deren Antwort der taz
       exklusiv vorliegt – wissen, wie viele Selbstanzeigen bereits eingegangen
       sind. Das überraschende Ergebnis: keine. „Ich wundere mich über die
       Gelassenheit der Airbnb-Vermieter. Die Überprüfungen durch die
       Steuerfahndung laufen auf Hochtouren“, so Schlüsselburg. Ohne Selbstanzeige
       drohen Steuersündern „empfindliche Strafen“. Bei gravierenden Fällen
       könnten sofort strafrechtliche Ermittlungsverfahren eröffnet werden.
       
       ## Airbnb-Steuersünder
       
       Bei vergleichbaren Fällen, in denen öffentlich bekannt wurde, dass Behörden
       an bislang geheime Daten gelangt sind, etwa beim Ankauf von Steuer-CDs aus
       der Schweiz oder bei Recherchen zu den [3][Panama Papers,] hatte es stets
       eine Vielzahl von Selbstanzeigen gegeben. In den Jahren 2017 und 2018 etwa
       hatten sich 130 Berliner*innen im Zusammenhang mit Geldanlagen in der
       Schweiz, Luxemburg und Liechtenstein selbst angezeigt.
       
       Schlüsselburg ist sich sicher, dass auch viele Airbnb-Vermieter*innen ihre
       Einnahmen nicht ordnungsgemäß versteuert haben, etwa weil sie „sich darauf
       verlassen haben, dass die Daten in Irland sicher sind“.
       Finanzstaatssekretär Fréderic Verrycken hatte Anfang September im
       Abgeordnetenhaus ebenfalls gesagt, er gehe davon aus, „den einen oder
       anderen Steuersünder dadurch identifizieren zu können“.
       
       Auch wer in den Jahren nach 2014 seine Wohnung über Airbnb vermietete und
       dabei den Staat um Steuern betrog, ist nicht auf der sicheren Seite.
       Inzwischen versucht Hamburg auch für die zurückliegenden Jahre die Daten
       von dem Konzern zu erlangen.
       
       ## Steuergeheimnis statt Verfolgung von Zweckentfremdung
       
       Die Bezirke, die mittels des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes die
       Vermietung von Ferienwohnungen regulieren, dürfen indes nicht auf die
       Steuerdaten zugreifen, etwa um illegal vermietete Wohnungen ausfindig zu
       machen. Die Senatsverwaltung für Finanzen schreibt in der Antwort auf
       Schlüsselburg, dass diese Daten dem Steuergeheimnis unterliegen; eine
       Wiedergabe sei nur zulässig, wenn dies „ausdrücklich gesetzlich zugelassen
       ist“.
       
       Schlüsselburg kündigte gegenüber der taz an, eine entsprechende
       Bundesratsinitiative zur notwendigen Änderung der Abgabenordnung
       anzustoßen: „Wir müssen endlich die unsichtbaren illegalen Vermietungen
       sanktionieren.“ Dies sei mit den erlangten Steuerdaten „einfacher als
       bisher möglich“.
       
       In Berlin brauchen Vermieter*innen von [4][Ferienwohnungen eine
       Registriernummer], sofern sie kein Gewerbe vermieten. Das führt dazu, dass
       sich bei Airbnb Anzeigen mit und ohne Registriernummern finden, ohne dass
       daraus hervorgeht, ob Anzeigen ohne Nummer keine benötigen oder gegen das
       Gesetz verstoßen. Von den etwa 20.000 Ferienwohnungen in der Stadt, die es
       zumindest vor Corona gab, hatte aber nur ein Bruchteil die offizielle
       Registrierung durchlaufen.
       
       Der neue Stadtentwicklungssenator [5][Sebastian Scheel (Linke) hatte
       angekündigt], das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode zu überarbeiten
       und künftig eine Registriernummerpflicht für alle Anbieter einzuführen. Auf
       Anfrage der taz bestätigt nun die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung,
       dass die Novellierung bezüglich einer „generellen Registrierpflicht“
       bereits fertiggestellt sei. Demnächst werde sich der Senat damit
       beschäftigen – noch vor Jahresende soll das Gesetz ins Abgeordnetenhaus
       eingebracht werden.
       
       14 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Auskunftsrechte-bei-Ferienwohnungen/!5488936
   DIR [2] /Vermieterinnen-drohen-Nachzahlungen/!5708171
   DIR [3] /Enthuellung-durch-Panama-Papers/!5291751
   DIR [4] /Ferienwohnungen-in-Berlin/!5520391
   DIR [5] /Stadtentwicklungssenator-Scheel/!5702689
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erik Peter
       
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