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       # taz.de -- Streit um Agrar-Subventionen: Undurchdachte Entscheidungen
       
       > Das Entgegenkommen der Ampel gegenüber den Bauern ist für sich genommen
       > nicht falsch. Doch offenbaren sich altbekannte Probleme der
       > Bundesregierung.
       
   IMG Bild: Gejagt von den eigenen vorschnellen Entscheidungen. Zuletzt sorgte die Bundesregierung für Unmut bei Landwirten
       
       Die Bauern protestieren trotz allem weiter. Zumindest ihre Galgen und
       Mistgabeln könnten sie jetzt aber gerne wieder einpacken: [1][Von der
       KfZ-Steuer bleiben die Landwirte doch befreit und auf Diesel müssen sie
       erst in zwei Jahren so viel Steuern zahlen wie alle anderen auch]. Die
       Ampel-Koalition rückte mit diesem Zugeständnis am Donnerstag massiv von
       ihren ursprünglichen Sparbeschlüssen aus dem Dezember ab – und das für sich
       genommen zurecht.
       
       Denn auch wenn der Beitrag der Landwirtschaft zum Klimaschutz noch lange
       nicht ausreicht, auch wenn die Proteste der letzten Wochen
       antidemokratische Züge hatten und [2][mit dem Angriff auf Robert Habeck am
       Donnerstagabend] einen Tiefpunkt erreicht haben: Einer Branche mit 14 Tagen
       Vorlauf Mehrkosten in Höhe einer knappen Milliarde Euro aufzudrücken, war
       der falsche Weg. Der Schwenk hin zu einem sanften Übergang war geboten.
       
       Zwei Defizite der Ampel offenbart er trotzdem. Erstens hätte es keiner
       genialen Analysen bedurft, um das Problem rechtzeitig zu erkennen. Erst in
       einer Drucksituation eine undurchdachte Entscheidung zu treffen und sie
       kurz darauf unter dem Eindruck massiver Proteste zurückzunehmen, kann zwar
       jeder Regierung mal passieren. Im Einzelfall lässt sich das sogar als
       Ausdruck von Kritik- und Lernfähigkeit verkaufen. Bei der Ampel lässt sich
       dieses Muster mittlerweile aber zu regelmäßig erkennen; [3][zum Beispiel
       bei der Corona-Impfpflicht] (kam nicht) [4][und bei der Gasumlage] (wurde
       in ihr Gegenteil verwandelt, nämlich in die Gaspreisbremse). Auf Dauer
       kostet so was Vertrauen.
       
       Zweitens und für die langfristigen Perspektiven des Planeten gravierender:
       Bei der Vorstellung ihres Sparpakets im Dezember lobte sich die
       Ampel-Spitze noch dafür, endlich eine Vereinbarung aus dem
       Koalitionsvertrag umzusetzen – klimaschädliche Subventionen abzubauen. Von
       vier damals angekündigten Maßnahmen ist jetzt aber eine komplett gestrichen
       (die KfZ-Steuer für Landwirte), eine abgedämpft (der Agrardiesel) und eine
       auf 2025 verschoben: Die Plastikabgabe an die EU, auch das gab die Ampel am
       Donnerstag bekannt, wird noch ein weiteres Jahr vom Staat statt von den
       Verursacher-Firmen bezahlt. Kosten: 1,5 Milliarden Euro.
       
       ## Jetzt müssen der Fischer und der Hering leiden
       
       Auch das wäre für sich genommen tragbar, wenn die Ampel zur
       Gegenfinanzierung andere Subventionen antasten würde, die dem Klima
       schaden. Es gibt noch reichlich davon. Allein der allgemeine Steuerrabatt
       auf Diesel kostet pro Jahr über 8 Milliarden Euro. Wenige Cent mehr pro
       Liter an der Tankstelle hätten gereicht, um die Zugeständnisse an die
       Bauern zu finanzieren.
       
       Stattdessen aber will die Bundesregierung zum Ausgleich beispielsweise an
       das Geld gehen, das ihr Energiekonzerne für Windkraftflächen in Nord- und
       Ostsee zahlen. Bisher war der entsprechende Topf unter anderem für den
       Meeresschutz und die Förderung umweltschonender Fischerei reserviert. Blöd
       für den Hering, dass er weder Trillerpfeife noch Traktor hat.
       
       Und schlecht fürs Klima, dass die Chance auf einen großen Wurf bei den
       Subventionen für diese Legislaturperiode vertan ist. Für die FDP ist die
       Passage aus dem Koalitionsvertrag nun abgehakt. Der SPD ist das Thema
       bestenfalls egal. Und die Grünen konnten sich in den Debatten der
       vergangenen Wochen leider nicht entscheiden, ob ihnen der Klimaschutz
       [5][oder die Herzen der Bauern wichtiger sind.] Bekommen haben sie jetzt
       weder das eine noch das andere.
       
       5 Jan 2024
       
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