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       # taz.de -- Streit um Antisemitismusbeauftragten: Blamage für Hamburger Wissenschaftssenatorin
       
       > Eine Beamtin sollte abserviert werden, doch wehrte sich erfolgreich vor
       > Gericht. Hintergrund ist wohl ein Streit um den
       > Antisemitismusbeauftragten.
       
   IMG Bild: Robust im Handeln: Maryam Blumenthal legt ihren Amtseid als Wissenschaftssenatorin ab
       
       Hamburg taz | Eine hohe Verwaltungsbeamtin hat sich in Hamburg erfolgreich
       dagegen gewehrt, auf einen unbedeutenden Dienstposten abgeschoben zu
       werden. Der Beamtin zufolge geht es dabei um Differenzen bei der
       Neubesetzung des Hamburger Antisemitismusbeauftragten. Das
       Verwaltungsgericht hielt mit Beschluss vom vergangenen Donnerstag der
       Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke (BWFG)
       unter der neuen Senatorin Maryam Blumenthal (Grüne) vor, die Frau ohne
       stichhaltige Begründung versetzt zu haben. Das sei rechtswidrig.
       
       Der Amtsleiterin mit dem Rang einer Leitenden Regierungsdirektorin hatte
       bei Gericht eine einstweilige Anordnung gegen ihre Versetzung oder ihre
       Abordnung in eine andere Behörde beantragt. Darin schilderte sie en détail,
       wie und warum sie aus ihrer Sicht kaltgestellt werden sollte.
       
       Sie vermutet – und macht das mit einer Vielzahl von Hinweisen deutlich –,
       dass ihre überraschende Ablösung mit dem Verfahren zur Neubesetzung des
       Antisemitismusbeauftragten zu tun habe. Die Behörde weist das zurück.
       
       Der Antisemtismusbeauftragte des Senats ist ein Ehrenamt, das in der ersten
       Amtsperiode von Stefan Hensel bekleidet wurde, einem Mitglied der
       konservativ ausgerichteten Jüdischen Gemeinde Hamburg (JGH). Auf Vorschlag
       dieser Gemeinde vergab der rot-grüne Senat das Amt vergangenen November
       erneut an Hensel. Eike Steinig, der Bewerber des Israelitischen
       Tempelverbandes – der weitaus kleineren, liberalen Gemeinde – wurde nicht
       berücksichtigt.
       
       ## Streit zwischen jüdischen Gemeinden
       
       Steinig klagte und bekam zweimal vom Verwaltungsgericht recht: Er hätte
       beim Bewerbungsverfahren [1][berücksichtigt werden müssen, urteilte das
       Gericht im März]. Der Senat dürfe kein neues Verfahren mit neuen
       Bewerbungskriterien starten, sondern müsse das alte fortsetzen und Steinig
       dabei berücksichtigen, urteilte das Gericht im Juli.
       
       Dass sich die liberale Gemeinde so wehrt, liegt daran, dass sie sich von
       Hensel, der mit dem Amt des Antisemitismusbeauftragten zugleich
       Beauftragter für jüdisches Leben in Hamburg ist, nicht repräsentiert sieht.
       [2][Hensel sei der liberalen Gemeinde gegenüber feindselig eingestellt],
       lautet der Vorwurf.
       
       Der Tempelverband wehrt sich auch gegen den Anspruch der JGH, das Hamburger
       Judentum als Einheitsgemeinde zu vertreten und gegen deren Privilegierung
       durch den Senat. Einen Staatsvertrag, wie er mit vielen religiösen
       Gemeinschaften vereinbart wurde, schloss der Senat nur mit der JGH, nicht
       mit der liberalen Gemeinde.
       
       Auch in der Behörde wurde der Konflikt registriert. In der Vorbereitung für
       die Neubesetzung des Antisemitismusbeauftragten seien im zuständigen Amt
       für Gleichstellung Bedenken gegenüber Hensel geäußert worden, erinnert sich
       die Amtsleiterin laut dem Schriftsatz ihres Anwalts Patrick Heinemann.
       
       ## Überraschende Versetzung
       
       In einem dort zitierten Vermerk heißt es etwa: „Aus fachlicher Sicht kann
       eine Neubestellung nicht empfohlen werden.“ Hensel habe seine
       Neutralitätsverpflichtung umgangen und polarisierend gearbeitet. [3][Die
       Amtsleiterin vermutet, dass sie gehen sollte, weil sie die für Hensel wenig
       schmeichelhaften Vermerke] „entgegen den Vorstellungen der Behördenleitung“
       nicht unter den Tisch habe fallen lassen wollen.
       
       Die Versetzung kam für die Amtsleiterin nach eigener Aussage jedenfalls
       ziemlich überraschend. Noch am 5. Mai teilte die Staatsrätin Eva Gümbel
       (Grüne) der Beamtin mit, dass sie auch nach einer Neuorganisation Leiterin
       des Amtes G bleiben werde. Am 7. Mai trat die neue Senatorin Maryam
       Blumenthal ihr Amt an.
       
       Im Juni beklagte sich [4][Hensel] bei Gümbel, die Amtsleiterin, die am
       neuen Auswahlverfahren teilnahmen sollte, sei befangen. Am 7. Juli teilte
       die Senatorin der Beamtin mit, sie solle ihren Leitungsposten räumen, da es
       für eine weitere Zusammenarbeit am nötigen Vertrauen fehle.
       
       Die Beamtin sollte zunächst auf eine noch gar nicht existente Stelle
       „Aufgaben der zivilen Alarmplanung“ innerhalb der Behörde versetzt, dann
       zur Justizbehörde auf einen bereits besetzten Posten mit Leitungsfunktion,
       aber ohne Personalverantwortung abgeordnet werden. Beides widerspreche
       ihrem Recht als Beamtin auf angemessene Beschäftigung, argumentierte die
       Amtsleiterin, und widersprach der verfügten Umsetzung.
       
       ## Anwalt fürchtet Angriff auf Pressefreiheit
       
       Das Verwaltungsgericht gab ihr Recht, weil es zwar durchaus dienstliche
       Gründe für eine vorübergehende Abordnung der Beamtin hätte geben können,
       die Behörde aber keine genannt habe. So sei im Gespräch mit der
       Behördenleitung als Grund nur „das fehlende Vertrauensverhältnis mitgeteilt
       worden, ohne dass dies näher konkretisiert worden ist, so dass die
       Antragstellerin nicht die Möglichkeit hatte, hierzu dezidiert Stellung zu
       nehmen“, heißt es in dem Gerichtsbeschluss.
       
       Weder aus dem Vortrag der Behörde noch aus der Akte ergäben sich Hinweise
       darauf, dass die Behördenleitung mit der Arbeitsweise der Beamtin
       unzufrieden gewesen sei. Die Vorwürfe der Behördenleitung, die Beamtin habe
       sich unhöflich, unprofessionell und diffamierend gegenüber Kollegen
       geäußert, seien vage und pauschal. Der angebliche Vertrauensverlust sei
       „durch keinerlei Fakten belegt, dokumentiert oder nachgewiesen“. Weil die
       Behördenleitung auch bestreite, dass die Abordnung etwas mit Verfahren zu
       Bestellung des Antisemitismusbeauftragten zu tun habe, falle auch das als
       Begründung aus.
       
       Dienstliche Spannungen könnten allenfalls neuerdings entstanden sein, weil
       sie ihrem Anwalt interne Informationen habe zukommen lassen, mit denen
       dieser an die Presse gegangen sei. Die taz hatte auf dieser Grundlage einen
       Zusammenhang mit der Bestellung des [5][Antisemitismusbeauftragten]
       hergestellt. Dass dieses Verhalten das Vertrauensverhältnis zwischen der
       Beamtin und der Behördenleitung schwer belasten könne, liege auf der Hand,
       so das Gericht – zumal sich die Behörde ja im Fall des
       Antisemitismusbeauftragten in einem Rechtsstreit befinde.
       
       Anwalt Heinemann findet diesen Hinweis bedenklich. Das Verwaltungsgericht
       habe bestätigt, dass seine Mandantin rechtswidrig aufs Abstellgleis
       geschoben werden sollte. Darüber habe er als Verfahrensbevollmächtigter mit
       der Presse gesprochen. „Wenn dieser Umstand es nachträglich ermöglichen
       sollte, unsere Mandantin trotzdem kaltzustellen, wäre das ein schwerer
       Schlag für die Presse- und Meinungsfreiheit“, findet Heinemann.
       
       Die Wissenschaftsbehörde betont: „Mit Blick auf die Entscheidung ist
       festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht keine inhaltliche Aussage zu der
       behaupteten Verbindung zwischen der streitgegenständlichen Abordnung der
       Amtsleitung und der Neubesetzung des Antisemitismusbeauftragten-Amtes
       getroffen hat.“ Weitere Fragen seien Gegenstand aktuell andauernder
       interner Prüfungen.
       
       15 Aug 2025
       
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   DIR Gernot Knödler
       
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