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       # taz.de -- Streit um Brexit: Bloß nicht Nein sagen
       
       > Die EU reagiert ausgesprochen vorsichtig und diplomatisch auf die neuen
       > Pläne aus London. Dahinter steckt ein taktisches Kalkül.
       
   IMG Bild: Britischer Union Jack mit EU-Sternen im Europaparlament
       
       Brüssel taz | Nicht ja, nicht nein, sondern ein höfliches „Wait and see:
       Die EU hat vorsichtig und diplomatisch auf [1][die britischen Vorschläge
       zur Lösung des Brexit-Streits] reagiert. Zwischen den Zeilen lässt sich
       aber ein gehöriges Mißtrauen herauslesen, dass der Streit noch rechtzeitig
       zum EU-Gipfel in zwei Wochen gelöst werden kann.
       
       EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker reagierte als Erster. Es sei zu
       begrüßen, dass sich London um eine Lösung bemühe, sagte er in einem
       Telefonat mit Premier Boris Johnson. Der Plan enthalte positive Elemente,
       werfe aber auch viele Fragen auf. „Wir sind immer noch dabei, den Text zu
       analysieren“, sagte eine Juncker-Sprecherin am Donnerstag.
       
       Skeptischer äußerte sich Chefunterhändler Michel Barnier. Der Franzose
       sprach nicht nur von „viel Arbeit“, die noch zu erledigen sei. Er
       wiederholte auch die drei Ziele des [2][Backstops für Irland], den Johnson
       mit seinem Plan eigentlich vergessen machen will: „Keine Grenzanlagen, ein
       gemeinsamer Wirtschaftsraum auf der irischen Insel und Schutz des
       Binnenmarkts.“
       
       Damit legt Barnier die Latte sehr hoch – womöglich zu hoch. Denn Johnsons
       Plan sieht zwar keine Grenzanlagen, dafür aber gleich zwei Grenzen vor –
       eine zwischen dem EU-Mitglied Irland und Nordirland, und eine weitere
       zwischen Nordirland und der britischen Insel. Zudem will er den Nordiren
       das Recht geben, den Binnenmarkt nach einigen Jahren zu verlassen.
       
       ## Die EU will cool bleiben
       
       Am härtesten positionierte sich das Europaparlament. Die Vorschläge aus
       London stellten keine geeignete Basis für eine Einigung dar, hieß es am
       Donnerstag in der Brexit-Steuerungsgruppe, die der Belgier Guy Verhofstadt
       führt. Frostig fiel auch der Empfang bei einer Sitzung der 27
       EU-Botschafter am Donnerstag aus. Der Vorschlag müsse „grundlegend
       überarbeitet“ werden, sagte ein EU-Diplomat. Dafür bliebe jedoch nur wenig
       Zeit.
       
       Die EU hofft nun auf ein Treffen mit britischen Experten am Freitag. Dann
       will man den Briten weiter auf den Zahn fühlen – und mögliche Kompromisse
       ausloten.
       
       Eine Klärung erhoffen sich die Berufseuropäer am Freitag, wenn die
       EU-Kommission, die die Brexit-Verhandlungen mit London führt, britische
       Vertreter befragen will. Bereits jetzt ist jedoch schon die Taktik der EU
       zu erkennen: Immer cool bleiben und bloß nicht voreilig die Tür zuschlagen.
       
       Niemand, schon gar nicht Johnson, soll sagen können, die EU habe nicht
       alles versucht, eine Verhandlungslösung zu finden und den für den 31.
       Oktober terminierten Brexit in geordnete Bahnen zu lenken. Vor allem
       Juncker will sich nicht den Schwarzen Peter zuschieben lassen. Der
       Luxemburger hat es bis heute nicht verwunden, dass ihm 2016 einige –
       vorwiegend deutsche – Politiker die Schuld für das verlorene
       Brexit-Referendum in die Schuhe schieben wollen.
       
       Auch Ratspräsident Donald Tusk hat vorgebaut. Wenn alle Stricke reißen und
       es zum „No Deal“ kommt, dann sei London schuld, erklärte der Pole. Hinter
       den Kulissen machen sich die EU-Chefs aber noch andere Sorgen. Was, so
       fragen sie sich, passiert eigentlich, wenn man sich mit Johnson bis zum
       EU-Gipfel nicht einigt – der Premier aber auch keinen Antrag auf
       Verlängerung der Brexit-Frist vorlegt?
       
       Ohne diesen Antrag würde es doch noch zum „No Deal“ kommen, denn von sich
       aus kann die EU keinen Aufschub gewähren. Es bleibt also spannend.
       
       3 Oct 2019
       
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