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       # taz.de -- Streit um Justizreform in Polen: EU will Vertragsverletzung ahnden
       
       > Knapp 40 Prozent der Richter am Obersten Gerichtshof sollen etlassen
       > werden. Die EU sieht die Unabhängigkeit der Justiz in Gefahr. Polen
       > drohen hohe Bußgelder.
       
   IMG Bild: PolInnen demonstrieren am 1. Juli mit EU-Flagge und Kerzen gegen die Justizreform
       
       Brüssel ap | Die Europäische Union hat offiziell ein
       Vertragsverletzungsverfahren gegen ihr Mitgliedsland Polen aufgenommen.
       Grund ist das polnische Justizgesetz zum Umbau des Obersten Gerichtshofs.
       Der Streit mit Warschau über die Justizreformen könnte letztlich dazu
       führen, dass Polen sein Stimmrecht in der EU verliert. Die EU-Kommission
       teilte am Montag mit, die Maßnahmen in dem Gesetz „untergraben das Prinzip
       der gerichtlichen Unabhängigkeit“.
       
       Die Reform des Justizsystems in Polen wird in Brüssel als unvereinbar mit
       westlichen, demokratischen Standards betrachtet. Die EU-Kommission teilte
       mit, sie stehe „bereit, den Dialog der Rechtsstaatlichkeit fortzusetzen“,
       obwohl sie das Verfahren gestartet habe.
       
       EU-Sprecher Margaritis Schinas sagte, Polen habe bislang keine Schritte
       unternommen. Daher sei die Entscheidung gefallen, das
       Vertragsverletzungsverfahren zu starten, um die Unabhängigkeit der
       polnischen Justiz zu verteidigen. Polen hat nun einen Monat Zeit, seinen
       politischen Kurs zu korrigieren. Geschieht dies nicht, könnte die
       EU-Kommission Polen verklagen und hohe Bußgelder verhängen. Polen besteht
       darauf, dass die Gestaltung des Justizsystems eine interne Angelegenheit
       sei.
       
       Ein neues Gesetz zum Obersten Gerichtshof von Polen würde bedeuten, dass
       knapp 40 Prozent seiner Richter in den vorzeitigen Ruhestand gehen müssten.
       Das Gesetz soll am Dienstag in Kraft treten.
       
       Die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) rechtfertigt das Gesetz
       damit, dass das polnische Justizsystem korrupt und ineffizient sei und in
       der Hand einer Gruppe unverantwortlicher Richter liege. Ministerpräsident
       Mateusz Morawiecki erfülle sein Versprechen an die Wähler, das kaputte
       Justizsystem zu reparieren, sagte Regierungssprecherin Joanna Kopcinska am
       Montag. Dies sei eine Aufgabe, die frühere Regierungen hätten übernehmen
       sollen. „Vielleicht hätten wir jetzt nicht diese Diskussion, wenn sie
       vorher geschehen wäre“, sagte Kopcinska über die Reform.
       
       Gegner des Gesetzes sehen darin hingegen den Höhepunkt eines vor beinahe
       drei Jahren von der PiS-Partei begonnenen Plans, das gesamte Justizsystem
       zu kontrollieren und die Gerichte mit Unterstützern der Regierungspartei zu
       besetzen. Eine Aufgabe des Obersten Gerichtshofs ist es, Wahlergebnisse zu
       bestätigen. Kritikern zufolge stellt das Gesetz eine Kehrtwende für die
       Demokratie in Polen dar.
       
       Die Richter hätten am Vorabend der Änderungen angekündigt, wie gewöhnlich
       zur Arbeit zu erscheinen, sagte der Sprecher des Obersten Gerichts, Michal
       Laskowski.
       
       3 Jul 2018
       
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