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       # taz.de -- Streit um Kopfsteinpflaster im Viertel: Steine des Anstoßes
       
       > Die Stadt will Kopfsteinpflasterstraßen asphaltieren. Doch dagegen wehren
       > sich Viertel-BewohnerInnen. Nun wollen die Kontrahenten gemeinsam
       > Kompromisse erarbeiten.
       
   IMG Bild: Kopfsteinpflaster im Viertel: Gift für die Barrierefreiheit oder Gold für das historische Stadtbild?
       
       BREMEN taz | AnwohnerInnen aus dem Viertel sehen ihr historisches Stadtbild
       in Gefahr: Überall dort, wo Straßen wegen Kanal- und anderer Bauarbeiten
       aufgerissen werden, soll das Kopfsteinpflaster einem Asphaltbelag weichen.
       So hieß es zumindest in der Senatsantwort auf eine Anfrage der
       Linksfraktion Ende Juni vergangenen Jahres. Doch jetzt könnte noch einmal
       Bewegung in die Sache kommen – und das Bauressort den Anwohnerinitiativen
       wieder näherkommen. Am Dienstag trafen sich Gegner und Befürworter des
       strittigen Straßenbelags erstmals, um an einer gemeinsamen Lösung zu
       arbeiten.
       
       Mit am Tisch saßen Fraktionsmitglieder der Beiräte Mitte und Östliche
       Vorstadt, die Ortsamtsleiterin Hellena Harttung, Bau- und
       Verkehrsstaatsrat Jens Deutschendorf, der Präsident der Bremer
       Architektenkammer, Albrecht Genzel vom ADFC, der
       Landesbehindertenbeauftragte Joachim Steinbrück und drei Vertreter der
       Bürgerinitiative „Stadtbild Bremen“, darunter auch Anwohner Klaus
       Schlösser.
       
       „Im März letzten Jahres ging das los mit der Bürgerini“, sagt er. Als
       damals AnwohnerInnen mit der Ortsamtsleiterin zusammenkamen, habe eine
       Mitarbeiterin des Amts für Straßen und Verkehr verkündet, „sie hätte die
       Weisung, uns mitzuteilen, dass künftig asphaltiert wird“, erinnert sich
       Schlösser: „Das war kein Dialog.“
       
       Seine Initiative bemängelt die Transparenz: „Es wird immer damit
       argumentiert, dass Asphalt billiger ist, aber es gibt den nachvollziehbaren
       Verdacht, dass das Straßen- und Verkehrsamt noch nie transparent mit den
       tatsächlichen Kosten umgegangen ist“, sagt er. So habe eine andere
       Initiative ermittelt, dass das Amt doppelt so hohe Kosten veranschlagt habe
       als nötig. Schlösser fordert für die Ausschreibung in der Hollerstraße,
       dass beide Varianten geprüft werden.
       
       Doch selbst wenn die Kalkulationen nicht stimmen, bleibt Kopfsteinpflaster
       – zumindest in puncto Verlegung – teurer als Asphalt. Außerdem gibt es auch
       Argumente gegen Kopfsteinpflaster: Es ist laut und ungeeignet für
       Fahrräder, Rollstühle, Rollatoren und Kinderwagen.
       
       Das bemängelt auch der Landesbehindertenbeauftragte Steinbrück. Er sieht in
       dem runden Tisch „eine Chance, zu einer Lösung zu kommen, die alle
       Ansprüche unter einen Hut bekommt“. Dafür müssten aber alle Teilnehmenden
       bereit sein, „andere Perspektiven zu akzeptieren, denn de facto sind
       Großsteinpflaster und Barrierefreiheit nicht miteinander vereinbar“. Um das
       Problem plastisch zu machen, will Steinbrück bei einem der kommenden
       Treffen einen Spaziergang mit Rollstuhl und Rollator durch das Viertel
       machen.
       
       Zum nächsten Treffen ist Bremens Chef-Denkmalpfleger Georg Skalecki
       eingeladen: „Ich verspreche mir von seiner Anwesenheit viele Anregungen,
       denn hier ist eine professionelle Betrachtungsweise wichtig“, sagt
       Steinbrück. Schließlich seien historische Gebäude ja ebenfalls in
       zeitgemäßem Gebrauch, „durch Geländer oder elektrisches Licht – und
       Barrierefreiheit zählt ebenfalls dazu, das ist ja kein Luxusproblem“.
       
       Ein Luxusproblem sieht Schlösser umgekehrt auch nicht in dem Wunsch, das
       „alte“ Viertel zu erhalten: „Höchstens vielleicht ein bisschen Nostalgie –
       aber es ist doch schön, wenn sich die Menschen mit ihrem Viertel
       identifizieren“, findet er. „Das ist doch ein Stück lebendige
       Stadtgeschichte.“
       
       ## Moratorium bis Juni
       
       Bis Juni wollen sich die Beteiligten noch fünf Mal treffen. „Bis dahin
       werden keine Nägel mit Köpfen gemacht“, sagt Jens Tittmann, Sprecher von
       Bausenator Joachim Lohse (Die Grünen). Der Staatsrat habe ein Moratorium
       erstellt, Hansewasser sei informiert, erst einmal keine Bauarbeiten zu
       beginnen, „und wenn es einen Notfall geben sollte, kommt eine dünne
       Asphaltdecke drauf, die wieder entfernt werden kann“.
       
       Staatsrat Deutschendorf sei sehr an einer konstruktiven Lösung
       interessiert, so Tittmann. „Stadtgestaltung ist ein sehr wichtiger Aspekt,
       bei dem man nicht nur nach dem Geldbeutel schauen darf.“ Am 13. Februar
       wollen sich die TeilnehmerInnen des runde Tisches auf einer gemeinsamen
       Sitzung der beiden Beiräte öffentlich vorstellen.
       
       5 Feb 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schnase
       
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