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       # taz.de -- Studie zum volkswirtschaftlichen Nutzen: Die Elbvertiefung ist rausgeschmissenes Geld
       
       > Geld für die Elbvertiefung auszugeben bringt wenig, sagt eine Studie im
       > Auftrag von Umweltverbänden. Sie verhindere aber Investitionen in die
       > Zukunft.
       
   IMG Bild: Nur wenige nutzen den möglichen Tiefgang: Containerschiff auf der Elbe
       
       Die jüngste Elbvertiefung war volkswirtschaftlich unsinnig – so sieht es
       eine Studie des Centrums für Europäische Politik (CEP) im Auftrag der
       Umweltverbände Nabu, BUND und WWF. Die Fahrrinnenanpassung hat demnach viel
       Geld gekostet, generiert hohe Folgekosten – und ist dabei gar nicht
       entscheidend für die Zukunft des Hamburger Hafens. Im Gegenteil: Der
       Versuch, auf Teufel komm raus den Containerumschlag zu steigern, verstelle
       den Blick auf andere, lohnendere Entwicklungsmöglichkeiten. Das bisherige
       Geschäftsmodell sei überholt.
       
       Die Studienautoren Henning Vöpel und André Wolf stellen fest, dass der
       Containerverkehr seit Jahren stagniert und auch durch die jüngste
       Elbvertiefung nicht zugenommen hat. Ihrer Ansicht nach ist die Tiefe der
       Fahrrinne aber auch nicht ausschlaggebend dafür, wie intensiv der Hafen
       angelaufen wird. Wichtiger dafür seien strukturelle Veränderungen, auf die
       Hamburg keinen Einfluss habe.
       
       Wenn dem Mengenwachstum bei dem wirtschaftlich besonders wichtigen
       Containerverkehr aber Grenzen gesetzt seien, so ihre Folgerung, müsse sich
       der [1][Hamburger Hafen in Kooperation mit den anderen deutschen
       Nordseehäfen neu erfinden]. Das frei werdende Geld könne in die Sanierung
       der Kajen, die Digitalisierung und in die Infrastruktur für die ökologische
       Transformation gesteckt werden.
       
       ## Nur wenige brauchen den Tiefgang
       
       Wenn das so wirkt, wie sich die Studienautoren vorstellen, könnte das dazu
       beitragen, dass Hamburg seinen Rückstand bei Innovationen und Wertschöpfung
       gegenüber anderen Metropolregionen aufholt.
       
       Dass die Tiefe der Fahrrinne nicht so eine große Rolle spielt, wie von
       Politik und Hafenwirtschaft angenommen, erklären Vöpel und Wolf mit der
       geografischen Lage. Die deutschen Häfen sind die letzten einer langen Kette
       nordeuropäischer Häfen, beginnend bei Le Havre, die von Schiffen aus Asien
       abgeklappert werden. Selten werden sie direkt und damit vollbeladen
       bedient.
       
       Das erklärt, dass nur 72 ein- oder ausfahrende Schiffe im vergangenen Jahr
       den höchstmöglichen Tiefgang ausgenutzt haben – bei insgesamt gut 1.500
       Passagen sehr großer Containerschiffe mit mindestens 8.000
       Standardcontainern.
       
       ## Digitalisierung und Automatisierung
       
       Dass die Zahl der Anläufe insgesamt stagniert, hängt damit zusammen, dass
       auch der Welthandel stagniert und die Wachstumsaussichten eher mau
       aussehen. Der Aufstieg von Ländern wie Indien und China und die sich daraus
       ergebenden Rivalitäten mit den etablierten Wirtschaftsmächten führten auch
       in der Wirtschaft zunehmend zu einem Denken in Machtblöcken, was den Handel
       bremst. Die USA als Führungsmacht scheinen sich vom Freihandel abzuwenden.
       
       Das Transportvolumen könnte sich der Studie zufolge auch durch den
       3-D-Druck verringern, der eine dezentrale Produktion ermöglicht. Überdies
       verschieben sich durch den Ausbau der Mittelmeerhäfen die Schiffsrouten.
       Statt bis nach Nordeuropa zu fahren, löschen die Schiffe aus Ostasien
       gleich in Piräus.
       
       Aus Sicht von Vöpel und Wolf wird bei der Konkurrenz der Häfen zunehmend
       der Grad der Digitalisierung und Automatisierung eine Rolle spielen. Dazu
       kämen die Investitionen in den Klimaschutz,die für die Reeder immer
       wichtiger würden. Doch für die dafür notwendigen Investitionen fehle in
       Hamburg das Geld, das durch die Baggerei gebunden wird, warnen
       Studienautoren.
       
       ## Flussmündungen in schlechtem Zustand
       
       „Diese Investition kommt aus der alten Welt“, sagt Vöpel. 330 Millionen
       Euro im Jahr koste es, die Fahrrinne von der Elbmündung bis nach Hamburg
       frei zu halten. Allein 90 Millionen davon seien seit der jüngsten
       Vertiefung hinzugekommen. Umgerechnet auf die 72 Schiffe, die den maximalen
       Tiefgang ausgenutzt haben, ergibt sich so eine Subvention von 1,25
       Millionen Euro pro Schiffspassage.
       
       Zu den monetären kommen die ökologischen Kosten. „Infolge der
       Flussvertiefungs- und Strombaumaßnahmen in der Vergangenheit sowie der
       damit verbundenen ständigen Unterhaltungsbaggerungen“ befänden sich die
       Flussmündungen der Elbe, aber ebenso der Weser in einem schlechten Zustand,
       kritisieren die Umweltverbände. Wichtige Flachwasserbereiche verlanden, bei
       anhaltend warmem Wetter sinkt der [2][Sauerstoffgehalt durch die Trübung
       bisweilen unter ein für Fische erträgliches Niveau].
       
       Im Übrigen hätte eine Steigerung des Umschlags in Hamburg auch keinen
       positiven Netto-Effekt für das Klima, argumentieren Vöpel und Wolf. Auch
       die Reedereien müssten ab 2027 Zertifikate für Treibgasemissionen kaufen
       und hätten somit einen Anreiz, ihre eigenen Emissionen zu verringern. In
       den Elbeausbau zu investieren, um damit LKW-Fahrten zu ersetzen, wäre
       weitaus teurer als andere Klimaschutzmaßnahmen.
       
       ## Koordinierte Hafenpolitik
       
       Um aus der Klemme zu kommen, plädieren die Wissenschaftler für eine
       koordinierte deutsche Hafenpolitik: Wilhelmshaven, Bremerhaven und Hamburg
       könnten bei der Verwaltung, Informationstechnik, beim Einkauf, der
       Forschung und Entwicklung zusammenarbeiten und damit Geld sparen. Sie
       könnten gemeinsam Terminals, Speicher und Pipelines [3][planen für die
       zukünftige Wasserstoffinfrastruktur], die für die [4][Energiewende]
       benötigt wird.
       
       Und sie könnten sich im Umschlag spezialisieren, indem die großen Schiffe
       zunächst Wilhelmshaven anlaufen, wo der Tiefgang kein Problem ist, und
       damit Häfen wie Rotterdam oder Antwerpen Paroli bieten. „Hamburg selbst
       könnte [5][von einem stärker auf Technologie und Wissenschaft
       ausgerichteten Entwicklungspfad profitieren]“, schreiben Vöpel und Wolf –
       wenn die Stadt das frei werdende Geld in profitablere Bereiche umlenken
       würde.
       
       31 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
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   DIR [3] /Wasserstoff-statt-Kohlekraft-in-Hamburg/!6028312
   DIR [4] /Umweltbewegung-feiert-Entscheidung/!6055416
   DIR [5] https://www.hamburg.de/politik-und-verwaltung/behoerden/bwi/projekte-und-initiativen/innovationsallianz-201794
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gernot Knödler
       
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