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       # taz.de -- TV-Duell in USA: Trump-Fans beim Harris-Bingo
       
       > Viele feiern Kamala Harris’ Auftritt gegen Trump. Aber wie kam das Duell
       > bei eingefleischten Trump-Unterstützern an? Ein Besuch in North Carolina.
       
   IMG Bild: Harris gegen Trump, Trump gegen Harris – wer gewinnt?
       
       Raleigh taz | 33 Männer, 16 Frauen und ein Kind, ein Mädchen mit dicken
       schwarzen Zöpfen, sitzen im Saal und spielen „Presidential Debate Bingo“.
       „Harris’ manisches Lachen“ ist in ein Kästchen auf ein DIN-A4-Blatt
       gedruckt, dann noch „Mittelschicht“, „Augenrollen“, „Ich mein’s ernst“,
       „Fake News“ und allerlei Schlagworte. Man will sich keine Gelegenheit
       entgehen lassen, Kamala Harris zu verarschen.
       
       Der Dienstagabend war ein Höhepunkt im monatelangen Wahlkampftheater:
       Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner saßen vor dem Bildschirm, um
       [1][die mit Spannung erwartete TV-Debatte zwischen Harris und Ex-Präsident
       Donald Trump in Philadelphia] zu verfolgen. Für Harris und Trump war es das
       erste Mal, das sie persönlich aufeinandertrafen. Sie ging zu ihm herüber
       und streckte zur Begrüßung die Hand heraus, der erste Handschlag einer
       Präsidentendebatte seit 2016. „Kamala Harris“, sagte sie. „Have fun“,
       schoss er zurück.
       
       Wie sieht sie also aus, die Trump-Wählerschaft? Hier in der
       republikanischen Parteizentrale des Wake County in Raleigh, North Carolina,
       haben sich hartgesottene Trump-Fans auf Klappstühlen zur Watch-Party
       eingefunden. Viel graues Haar, viele MAGA-Käppis, viele USA-Fahnen mit
       Versprechungen von Freiheit. Es gibt Pizza von Papa Johns für alle, zum
       Trinken allerdings nur stilles Wasser. „55 Tage bis zum Sieg. USA! USA!“,
       steht auf dem Schwarzen Brett in Druckbuchstaben geschrieben.
       
       North Carolina ist einer von sieben Swing States, den Bundesstaaten, die
       einen offenen Ausgang haben und bei der Präsidentschaftswahl entsprechend
       ihrer Bevölkerungsgröße ins Gewicht fallen. 2020 stimmten in North Carolina
       die Mehrheit der Einwohner für Trump: im wohlhabenden Wake County wählte
       man aber vorwiegend demokratisch.
       
       ## In Ohio essen sie Hunde?
       
       Trump: „Ich wollte ihr einen MAGA-Hut senden.“ Gelächter.
       
       Trump: „Sie ist so furchtbar und lächerlich.“ Gejohle.
       
       Harris: „Ich bin als Kind als Teil der Mittelschicht aufgewachsen!“
       Buuuuuh.
       
       Als Trump dann behauptet, Zuwanderer aus Haiti in Ohio würden die Hunde und
       Katzen von Einheimischen schlachten und verspeisen, findet das niemand
       seltsam, zumindest bleiben die Ahs und Ohs dieses Mal aus. Auch an Trumps
       Lügen zur gestohlenen Wahl stößt sich niemand, man stöhnt nur genervt auf.
       
       Aber in der Gesamtsumme erinnert der Abend doch ein bisschen an ein Spiel
       der Regionalliga, bei dem sich trotz bester Absichten aller Anwesenden
       einfach kein Stimmungshoch einstellen will.
       
       Harris: „Es ist eine Tragödie, dass er Hautfarbe dazu benutzt, um die
       Amerikaner gegeneinander aufzubringen.“ Ein Raunen der Empörung geht durch
       die Menge, einzelne Aufschreie unterbrechen das harmonische Beisammensein.
       
       Trump: „Nicht mal Joe Biden kann sie ausstehen!“ Begeisterter abfälliger
       Applaus. Echte Freude bricht erst aus, als Harris etwas sagen will und
       Trump sie mit den Worten „I’m speaking“ verstummen lässt: ein winziger und
       köstlicher Racheakt, ein Verweis auf die Debatte zwischen den beiden
       [2][Vizepräsidentschaftskandidaten von 2020, als Harris Trumps Vize Mike
       Pence mit den Worten „I’m speaking“ zum Schweigen brachte.]
       
       „Let’s goooooo!“ Die gesamte erste Reihe springt von ihren Stühlen und
       brüllt. Da ist er endlich, der Gegenschlag ihres Helden.
       
       ## Enttäuschung als Zeichen von Schwäche
       
       In der Pause kichert einer der Anwesenden in der Kloschlange. Er scheint
       zufrieden, aber auch ein bisschen enttäuscht. „Er ist nicht fies genug, bei
       Hillary war er noch viel gemeiner.“ Tatsächlich ist dieser Dienstagabend
       ein sehr anderes Ereignis als 2016, als Trump sich mit seinem Charisma
       Hillary Clintons Argumenten der Vernunft entzog.
       
       Aber sich Enttäuschung anmerken zu lassen, wäre ein Zeichen von Schwäche,
       von Einknicken. Trumps Unterstützer halten mit Leidenschaft an ihm fest. Er
       muss ihnen nichts mehr beweisen. Ihre Huldigung ist ihm gewiss, seine
       beleidigenden Vokabeln nutzen sich nie ab.
       
       Sehr gut würde er das machen, lobt ihn ein Mann mittleren Alters, der auf
       seinem Stuhl hin und her rutscht. Für sein Fan-Shirt, himmelblaue
       Buchstaben auf grauem Stoff, hätte er sich eigens auf den Weg nach
       Charlotte gemacht, in die Hauptstadt North Carolinas – eine Autofahrt von
       zwei Stunden.
       
       Trump würde das Land eben wie ein Business führen: und so sollte es auch
       geführt werden. Bei Harris gehe es in der Debatte nicht um Inhalte, sie
       klinge wie eine Werbekampagne. Trump vielleicht auch ein bisschen, gibt er
       zu, aber nicht so sehr. Er hätte in den letzten zwei Wahlen Trump seine
       Stimme gegeben, jetzt wolle er es wieder tun.
       
       Von einer anerkennenden Stimmung wie bei den US-Medien, die Harris sofort
       nach Abschluss der Debatte für ihre Souveränität und ihr professionelles
       Auftreten loben werden, ist im Wake County nichts zu spüren. In dieser
       verblüffenden Parallelrealität steht eine Tatsache unumstößlich fest: Die
       Debatte hat einen klaren Gewinner.
       
       Zum Ende hin schließlich noch ein letzter Höhepunkt. „Sie verspricht all
       diese wundervollen Dinge“, sagt Trump. „Aber warum hat sie die dann in
       dreieinhalb Jahre im Amt noch nicht getan?“ Die kleine Parteizentrale im
       Wake County jubelt und tobt.
       
       „Danke, dass ihr da wart!“, sagt eine ältere Frau mit langen goldblonden
       Haaren zum Abschluss. Um kurz nach elf am Abend ist der Zauber vorbei.
       Einer nach dem anderen verlassen die Trump-Fans das Gebäude und treten in
       die angenehm kühle Spätsommerluft. Niemand verweilt.
       
       11 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Marina Klimchuk
       
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