URI: 
       # taz.de -- Terroranschlag in Wien: Polizei nimmt 14 Verdächtige fest
       
       > Nach Hausdurchsuchungen hat die österreichische Polizei 14 Verdächtige
       > festgenommen. Aktuell gebe es noch keine Hinweise auf einen zweiten
       > Täter.
       
   IMG Bild: Polizeieinsatz am Dienstag nach dem Terroranschlag in der Innenstadt von Wien
       
       Wien taz/apa/afp/rtr/dpa | Das Innenministerium in Österreich hat noch
       keinen Hinweis auf einen zweiten Täter beim Terroranschlag in Wien. Das
       gehe aus den bisherigen Ermittlungen und der Auswertungen von vielen der
       rund 20.000 Videos hervor, die die Bürger der Polizei zur Verfügung
       gestellt hätten, sagte Innenminister Karl Nehammer am Dienstag in Wien.
       
       Nach Hausdurchsuchungen im Umfeld des erschossenen 20 Jahre alten
       Attentäters seien 14 Verdächtige vorläufig festgenommen worden. Dem bereits
       wegen versuchter Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung
       inhaftierten Mann sei es gelungen, die Behörden bei seiner vorzeitigen
       Entlassung über den Misserfolg seiner Deradikalisierung zu täuschen, so
       Nehammer. Es habe keine Warnhinweise über die Gefahr durch den 20-Jährigen
       gegeben.
       
       Inzwischen hat sich die Zahl der Verletzten nach der Terrorattacke in Wien
       erhöht. Es seien insgesamt 22 Menschen teils schwer verletzt worden, teilte
       Nehammer weiter mit. Bei dem nach Behördenangaben islamistisch motivierten
       [1][Terrorangriff in der Wiener Innenstadt] hatte der Schütze am
       Montagabend mindestens vier Menschen getötet, bevor er selbst erschossen
       wurde.
       
       ## Erste Schüsse gegen 20 Uhr
       
       Wenige Stunden vor Beginn eines vierwöchigen Coronalockdowns um Mitternacht
       hatten Tausende am Montag in Wien den lauen Herbstabend genutzt, um noch
       einen letzten Drink mit Freunden zu genießen. Die ersten Schüsse fielen am
       Montagabend gegen 20 Uhr nahe der Hauptsynagoge in einem Ausgehviertel. Die
       Menschen flüchteten von den Gaststättengärten in die Lokale.
       
       Schon neun Minuten nach dem ersten Notruf erschoss die Polizei einen
       Attentäter. Nach vermeintlichen Komplizen wird zur Stunde noch gefahndet.
       Der reißerische Privatsender oe24.tv wiederholte über Stunden ein offenbar
       aus einer Überwachungskamera stammendes Video, auf dem man sieht, wie ein
       maskierter Mann mit automatischem Gewehr einen Passanten niederschießt und
       kurz darauf mit Pistolenschüssen tödlich verletzt.
       
       Wiens Bürgermeister Michael Ludwig sprach davon, dass der erschossene Mann
       mit Schnellfeuergewehr, Pistole und Machete bewaffnet gewesen sei. Das
       lässt darauf schließen, dass Enthauptungen geplant waren. Ein
       Sprengstoffgürtel erwies sich als Attrappe, wie Innenminister Karl Nehammer
       (ÖVP) in den frühen Morgenstunden bekannt gab.
       
       Seine Wohnung wurde noch in der Nacht mit Sprengstoff geöffnet und
       durchsucht, wie Franz Ruf, der Generaldirektor für die öffentliche
       Sicherheit, bestätigte. Was man dort gefunden habe, wollte Nehammer „aus
       ermittlungstaktischen Gründen“ noch nicht enthüllen.
       
       Die Polizei riegelte in der Nacht den ersten Bezirk ab und hielt jedes
       Fahrzeug, jeden Passanten an. Ein Zeuge, der sich als Florian L. beim ORF
       meldete, erzählte von einer Begegnung mit einem Attentäter, der seine Waffe
       auf ihn richtete. Er habe rechtzeitig in Deckung gehen und gebückt fliehen
       können.
       
       Besucher von Kulturveranstaltungen wurden nach der Vorstellung angehalten,
       in den Gebäuden zu bleiben, um unter Polizeischutz später aus den
       Örtlichkeiten begleitet zu werden. Radioreporter Bernt Koschuh meldete sich
       aus einem Konzerthaus, über das er keine näheren Angaben machen wollte. Die
       flüchtigen Attentäter sollten nicht auf die Idee gebracht werden, ähnlich
       wie im Pariser Club Bataclan ein Blutbad unter Konzertbesuchern
       anzurichten.
       
       ## Ein Anschlag „aus Hass auf unsere Grundwerte“
       
       „Es war ein Anschlag aus Hass, aus Hass auf unsere Grundwerte, aus Hass auf
       unser Lebensmodell, aus Hass auf unsere Demokratie“, sagte Kurz am
       Dienstagvormittag in einer TV-Rede an die Bevölkerung.
       
       Bei den Opfern handele es sich um einen älteren Mann, eine ältere Frau,
       einen jungen Passanten und eine Kellnerin. Ein Polizist, der sich dem Täter
       in den Weg gestellt habe, sei angeschossen und verwundet worden, sagte
       Kurz.
       
       Die Behörden würden die Täter, deren mögliche Hintermänner und
       Gleichgesinnte ermitteln, „jagen und sie der gerechten Strafe zuführen“.
       Alle, „die etwas mit dieser Schandtat zu tun hatten“, würden mit allen zur
       Verfügung stehenden Mitteln verfolgt.
       
       Es gehe nicht um eine Auseinandersetzung zwischen Christen und Muslimen
       oder zwischen Österreichern und Migranten. Es gehe um einen Kampf zwischen
       Zivilisation und Barbarei. „Und diesen Kampf werden wir mit aller
       Entschiedenheit führen.“ Für 12 Uhr kündigt Kurz eine landesweite
       Gedenkminute für die Opfer des Anschlags an.
       
       ## Mögliche antisemitische Motive?
       
       Das vom österreichischen Nazijäger Simon Wiesenthal gegründete Wiesenthal
       Center in Paris weist in einer Stellungnahme auf mögliche antisemitische
       Motive hin. Neben dem Wiener Stadttempel sei auch ein koscheres Restaurant
       Ziel des beziehungsweise der Attentäter gewesen. Die Synagoge war schon im
       August 1981 von der palästinensischen Terrorgruppe Abu Nidal attackiert
       worden und bekommt seither rund um die Uhr Polizeischutz.
       
       Die Regierung hat eine dreitägige Staatstrauer beschlossen. Innenminister
       Nehammer forderte die Wiener Bevölkerung auf, wenn möglich zu Hause zu
       bleiben und vor allem die Innenstadt zu meiden. Bürgermeister Ludwig gab
       den Schulkindern unterrichtsfrei. Aus aller Welt trafen
       Solidaritätsadressen ein. Die Bundesregierung hält einen Sonderministerrat
       und trifft sich dann mit den Spitzen der Opposition.
       
       3 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Terroranschlag-in-Wien/!5725979/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Leonhard
       
       ## TAGS
       
   DIR Österreich
   DIR Schwerpunkt Islamistischer Terror
   DIR Attentat
   DIR IG
   DIR Wien
   DIR Medienethik
   DIR Österreich
   DIR Schwerpunkt Islamistischer Terror
   DIR Tunesien
   DIR Schwerpunkt Frankreich
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Terroranschlag in Wien: Ins Herz der Stadt
       
       Das Attentat traf eine belebte Gegend im Ersten Bezirk. Sie ist
       Ausgehviertel, schicke Einkaufsmeile und Ort der jüdischen Gemeinde in
       einem.
       
   DIR Medien in der Wien-Nacht: Live um jeden Preis
       
       Bei bedrohlichen Ereignissen wollen Medien rasch informieren und missachten
       dabei oft ethische Grenzen. Auch wieder in der Wien-Nacht.
       
   DIR Nach Attentat in Wien: „Gemeinsam gegen diesen Hass“
       
       Politiker*innen aus Europa und der arabischen Welt verurteilen den
       Terroranschlag. Kontrollen an der Grenze zu Deutschland werden verstärkt.
       
   DIR Islamistischer Terror: Laut werden gegen Hass
       
       Wir müssen die Meinungsfreiheit für alle entschiedener verteidigen. Auch
       von Muslimen darf man das erwarten.
       
   DIR Tunesien und die Bluttat in Nizza: „Wieder einer von uns!“
       
       Im Heimatland des Attentäters reagieren viele Menschen geschockt. Die
       Radikalisierung vor allem junger Männer hat viele Ursachen.
       
   DIR Terror in Frankreich: Eine Art von Guantánamo
       
       Nach dem jüngsten Anschlag in Nizza entbrennt eine Debatte über Migration
       und Bürgerrechte. Die Militärpräsenz wird verstärkt.