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       # taz.de -- Terrorermittlungen der Generalbundesanwältin: Harms wütet ohne Folgen
       
       > Generalbundesanwältin Monika Harms verstößt bei ihren Terrorermittlungen
       > regelmäßig gegen geltende Gesetze. Juristische Folgen hatten ihre
       > Schlappen bislang nicht.
       
   IMG Bild: Kassiert vom Bundesgerichtshof Rüffel um Rüffel: Monika Harms.
       
       Was für eine beschämende Serie! Binnen einem Jahr wurde
       Generalbundesanwältin Monika Harms gleich sechsmal vom Bundesgerichtshof
       (BGH) für ihre Antiterrorermittlungen gerügt. So oft in so kurzer Zeit ist
       dies wohl noch keinem ihrer Vorgänger widerfahren.
       
       Immer wieder haben Harms und ihre Ermittler Gesetze missachtet oder sie zu
       weit ausgelegt, ihre Befugnisse überschritten oder unhaltbare
       Verdächtigungen in die Welt gesetzt. Anstatt sich in Zeiten von al-Qaida
       auf den echten Terrorismus zu konzentrieren, peppte die Bundesanwaltschaft
       militante linke Gruppen und Dschihad-Sympathisanten zu "Terroristen" auf.
       
       Erst Ende der vorigen Woche befand der Bundesgerichtshof die Razzien bei
       Globalisierungskritikern, die Harms im Mai 2007 angeordnet hatte, für
       rechtswidrig. Und in den Zündeleien im Vorfeld des G-8-Gipfels konnte der
       BGH keinen Terrorismus erkennen. Daher seien statt der Bundesanwaltschaft
       die örtlichen Staatsanwaltschaften zuständig gewesen. Die Richter hatten
       sogar ernste Zweifel daran, ob es überhaupt, wie von Harms behauptet, eine
       "Vereinigung" gab, die die Serie von Anschlägen koordiniert hatte.
       
       Dieser Rüffel war der schwerste, aber keineswegs der einzige, den Harms in
       ihrer erst anderthalb Jahre währenden Amtszeit hinnehmen musste. Schon im
       Februar verbot der BGH ihrer Behörde, heimlich Computer auszuspähen, weil
       es dafür keine gesetzliche Grundlage gebe. Harms hatte versucht, einen
       Trojanerangriff als Online-"Hausdurchsuchung" zu verkaufen.
       
       Im Mai entschied der BGH im Verfahren gegen den Iraker Ibrahim R., dass die
       Verbreitung allgemeiner Aufrufe zum Dschihad nicht als Terrorismus zu
       werten sei. Die Bundesanwaltschaft hatte versucht, eine Gesetzesänderung
       aus dem Jahr 2002 zu umgehen, indem sie jede Sympathiewerbung als
       Unterstützung von al-Qaida wertete.
       
       Weil kein dringender Tatverdacht bestehe, hob der BGH im Oktober den
       Haftbefehl gegen den Soziologen Andrej Holm auf, dem Harms vorgeworfen
       hatte, der "militanten gruppe" anzugehören und deren Erklärungen verfasst
       zu haben. Im November äußerte sich das Gericht direkt zur "militanten
       gruppe" und befand, dass diese, anders als von Harms angenommen, keine
       terroristische, sondern nur eine kriminelle Vereinigung sei. Durch
       Brandanschläge auf Autos und Gebäude werde der Staat nicht erheblich
       gefährdet. Eine entsprechende Einschränkung des Antiterrorparagrafen 129 a
       aus dem Jahr 2003 hatte Harms nicht ernst genommen.
       
       Ende November erklärte der BGH-Ermittlungsrichter in einem Hamburger
       Verfahren, dass die von der Bundesanwaltschaft praktizierte Form der
       Postkontrolle nicht dem Gesetz entspreche. Harms hatte Polizisten zur Post
       geschickt, um verdächtige Briefe auszusortieren - eine Aufgabe, die
       Mitarbeitern der Post vorbehalten ist.
       
       Als Niederlagen der Bundesanwaltschaft will Harms diese Beschlüsse des BGH
       jedoch nicht verstanden wissen. Sie verweist darauf, dass in der Regel die
       Rechtslage unklar gewesen sei. In manchen Fällen, wie bei der
       Postkontrolle, war der Wortlaut des Gesetzes tatsächlich uneindeutig. Bei
       den Abmilderungen des Paragrafen 129 a drängt sich hingegen der Eindruck
       auf, dass Harms diese vorsätzlich missachtet hat, weil sie ihr schlicht
       nicht passten.
       
       Noch bedenklicher ist es, wenn die Bundesanwaltschaft eine terroristische
       Vereinigung erfindet. Schließlich hatte selbst der Verfassungsschutz
       bezweifelt, dass die diversen Brandanschläge im Vorfeld des G-8-Gipfels
       einheitlich gewesen seien. Dass aber Sicherheitsbehörden gefährliche
       Verschwörungen aus dem Hut zaubern, sollte in einem Rechtsstaat eigentlich
       undenkbar sein.
       
       Manche Beobachter glauben, dass Monika Harms die Terrorbekämpfung nicht so
       wichtig sei und sie sich mehr für Steuerrecht und die Justizpersonalpolitik
       der CDU interessiere. Selbst wenn dies zutreffend wäre, hieße das, dass
       Harms ihren Laden nicht im Griff hat - auch das ein Armutszeugnis.
       Wahrscheinlicher ist aber, dass Harms die wichtigen Entscheidungen selbst
       getroffen hat. Wenn im Vorfeld eines Ereignisses wie des G-8-Gipfels groß
       angelegte Hausdurchsuchungen bei den radikalen Gegnern angeordnet werden,
       ist dies politisch und grundrechtlich so heikel, dass dies kein Referats-
       oder Abteilungsleiter allein entscheidet.
       
       Kritiker aus der Bewegung, aber auch von Grünen und Linken glauben, dass es
       Harms um die Einschüchterung der Globalisierungskritiker ging. Doch da ihre
       Maßnahmen absehbar das Gegenteil bewirkten - die Mobilisierung gegen den
       G-8-Gipfel wurde nach den Razzien erst richtig beflügelt -, ist diese
       Annahme unwahrscheinlich. Viel eher dürfte Harms die inflationären
       Terrorvorwürfe dazu benutzt haben, militante Bewegungen auszuforschen und
       die Zuständigkeit nicht an die Staatsanwaltschaften der Länder abgeben zu
       müssen. Dass dabei Personen und Bewegungen unnötig als "Terroristen"
       stigmatisiert wurden, nahm sie mehr oder weniger billigend in Kauf.
       
       Juristische Folgen hatten diese Schlappen für Harms nicht. Hierfür hätte
       ihr der BGH schon Rechtsbeugung, also eine absichtlich falsche Anwendung
       des Rechts, oder eine gezielte Manipulation von Ermittlungen vorwerfen
       müssen. Davon war das Gericht weit entfernt. Stattdessen machte Klaus
       Tolksdorf, der Vorsitzende des BGH-Staatsschutzsenats, oft Zugeständnisse
       an Harms. Im mg-Verfahren durfte die Bundesanwaltschaft wegen der
       "besonderen Bedeutung des Falles" weiter ermitteln. Beim
       Internet-Dschihadisten Ibrahim R. entdeckte der BGH einige Fälle von
       "Werbung um Unterstützung" von al-Qaida, sodass er doch nach Paragraf 129 a
       angeklagt werden konnte. Erst im G-8-Beschluss verzichtete der BGH auf
       solche Konzessionen. Vielleicht um zu zeigen, dass es jetzt wirklich genug
       ist.
       
       Noch etwas anderes spricht dagegen, in Monika Harms eine Art Justizrambo zu
       sehen: Fast alle Maßnahmen, die der Dritte Strafsenat des BGH beanstandete,
       waren zuvor vom Ermittlungsrichter des BGH gebilligt worden. Und auch Harms
       Vorgesetzte, Justizministerin Brigitte Zypries (SPD), scheint die harte
       Linie gegen militante Protestbewegungen bereitwillig mitgetragen zu haben.
       
       CHRISTIAN RATH
       
       8 Jan 2008
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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