# taz.de -- Correctiv-Recherche im Schauspiel Köln: Zerfleischung der Rechten
> Im Schauspiel Köln folgt ein Nachspiel des „Geheimplan gegen
> Deutschland“. Ein prominenter AfD-Aussteiger wird zum Zeugen der
> Vertreibungspläne.
IMG Bild: Der Schauspieler Andreas Beck am Mittwoch im Schauspiel Köln in „Geheimplan gegen Deutschland – Ein Nachspiel“
Auf solche Resonanz muss man erst mal kommen: 1,5 Millionen Zuschauer haben
das letzte Stück gesehen, an 70 Bühnen wurde es live gestreamt, in der
ARD-Mediathek war es zum Nachschauen. Und doch scheint es ewig her, als im
Januar 2024 das Redaktionsnetzwerk Correctiv seine Recherchen zum
rechtsextremen Geheimtreffen in Potsdam veröffentlichte. Es sah die
massenhafte Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund aus
Deutschland vor.
[1][Das löste landesweit große Antifa-Demos aus.] Ein Grund dafür war der
Theaterstream am [2][Berliner Ensemble, wo Regisseur Kay Voges den
Recherchetext inszenierte]. Nun hat Voges als neuer Intendant am Schauspiel
Köln kurz vor Spielzeiteröffnung spontan eine Enthüllungsinszenierung auf
den Spielplan gesetzt: „Geheimplan gegen Deutschland – ein Nachspiel“.
Polizeischutz ist diskret in Zivil, doch der Abend wird für manchen noch
stärkere Vorsichtsmaßnahmen erfordern.
Auf der Bühne sehen wir einen gedeckten Tisch: Servietten, Weingläser,
Kerzen. Doch zum Dinner kommt niemand. Der Schauspieler Andreas Beck geht
herum, im feinen Anzug, Fliege, weißes Hemd, murmelt etwas vor sich hin und
holt weit aus.
Schnell gab es damals Gegenwind zu den Correctiv-Enthüllungen und schlechte
Kritiken zum Stück: „Verramschung einer Recherche“, meckerte Deniz Yücel,
[3][Übermedien monierte Recherchemängel, die Zeit säte in einem Longread
Zweifel.] Dann kam die Klageflut. Ausgehend übrigens von einer
Abmahn-Kanzlei aus Köln namens Höcker („Auf dem r bestehe ich“, sagt der
smart-jugendliche Rechtsanwalt im eingeblendeten Youtube-Schnipsel).
Beauftragt wurden sie vom AfD-Anwalt Ulrich Vosgerau, damals selbst in
Potsdam anwesend. Er setzte dafür ein Crowdfunding auf, das 200.000 Euro
einbrachte. Diverse Formulierungen wie „Zwangsdeportation“ und „Ausweisung
von Staatsbürgern“ wurden nachfolgend gerichtlich untersagt, unter anderem
dem NDR und ZDF diverse Unterlassungserklärungen vorgeschrieben. Die
rechtsextreme Desinformationsstrategie „The merchants of doubts“ schien
perfekt aufzugehen. Gegenklagen von Correctiv waren zwar teilweise
erfolgreich, verhallten aber oft, das Narrativ „unkorrekte Recherche“ hing
Correctiv nun an.
Beck erzählt das alles lässig und leutselig nach, berichtet von Stolz über
den Erfolg am BE, seine nachfolgende Verstörung, dass selbst Leitmedien die
Correctiv-Recherche verunglimpfen, ergänzt es mit Knieproblemen,
Umzugsdetails von Wien nach Köln. Vor allem nimmt er uns tief mit in seine
persönlichen Recherchen. Und findet heraus: Der Kern der
Correctiv-Recherche, das völkisch-rassistisch begründete Ausweisungsprojekt
sogenannter „Fremden“, deren Fremdheitsgrad einzig und allein von
Rechtsextremen definiert wird, wurde an keiner Stelle widerlegt.
## AfD-Social-Media-Architekt als Zeuge
Einziges Problem: Es gab keinen direkten Zeugen des Potsdamer Treffens.
Correctiv hatte zwar damals den Journalisten und Performer Jean Peters
eingeschleust, der mit falschem Bart im Nebentrakt der Villa Adlon logierte
und per Handykamera die Einladungslisten fotografierte. Doch den
Wortverlauf des Treffens konnte er nicht aufzeichnen.
Dieser wird auf der Bühne nun enthüllt: Kein geringerer als Erik Ahrens,
führender AfD-Social-Media-Architekt, der die Tiktok-Guerillastrategie
direkt in die Gehirne der Jugendlichen abfeuerte und maßgeblich für ihren
Erfolg verantwortlich ist, ist aus der AfD ausgestiegen – und kann seines
Lebens nun nicht mehr sicher sein, vermutet Beck. Ahrens hat dies soeben
auf eigenem Youtube-Kanal veröffentlicht, im Wald, dazu wüste
Onlinestreitereien mit Götz Kubitschek, die auf der Bühne eingeblendet
werden. [4][Die Zerfleischung der AfD illustriert Beck mit Handpüppchen aus
Papier]. Doch das eigentlich Spektakuläre ist Ahrens’ eidesstattliche
Erklärung, die Beck nun verliest – „na, Herr Vosgerau und Herr Höcker,
sehen Sie zu?“.
Erstmals bezeugt sie, dass auf dem Potsdamer Treffen sinngemäß von
ethnischer Säuberung und von der Vertreibung von Staatsbürgern die Rede
gewesen sei und dass die AfD in Sachsen-Anhalt dies durchführen werde.
Plötzlich wird Theater zum Enthüllungsorgan und Beweismultiplikator.
Detailliert geht die Erklärung über bisherige Erkenntnisse zum Treffen
hinaus, liefert wasserdichte Argumente für ein AfD-Verbot.
Auch wenn das Wort „Remigration“ so deutungsoffen sein mag, dass es sogar
die AfD Sachsen auf Wahlplakate schreiben darf – die belegte Planung einer
„Vertreibung von Staatsbürgern“ ist klar verfassungswidrig. Dass eine Bühne
dies reichweitenstark in die Welt ruft – ist eine neue Dimension von
politischem Theater.
[Korrektur: In einer früheren Fassung des Artikels haben wir geschrieben,
die Worte „ethnische Säuberung“ und „Vertreibung von Staatsbürgern“ seien
laut der notariell abgegebenen „eidesstattlichen Versicherung“ so auf der
Veranstaltung gefallen. Das hat Herr Ahrens nicht versichert. Er hat
beschrieben, dass verschiedene Anwesende, darunter Sellner, Pläne
ausgebreitet haben, wie die Remigration von seiner Beschreibung nach nicht
ausreichend Assimilierten umgesetzt werden könnte und der von ihm
behauptete „Bevölkerungsaustausch“ administrativ rückabgewickelt werden
könnte, bevor es – so Sellner – dafür zu spät sei, weil die
„Nichtassimilierten“ „migrationsfreundliche“ Parteien wählen und die Stimme
der Anwesenden entwerten würden.]
11 Sep 2025
## LINKS
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DIR [4] https://www.youtube.com/live/sVte0IU9UYk
## AUTOREN
DIR Dorothea Marcus
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