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       # taz.de -- Tischtennis-Spieler Roßkopf: Die Pfeife tritt ab
       
       > Jörg Roßkopf spielt seit 1986 extrem erfolgreich in der
       > Tischtennis-Bundesliga obwohl er als "Pfeife" angefangen hat. Am
       > Wochenende geht er letztmals an die Platte. Eine Huldigung.
       
   IMG Bild: Jörg Roßkopf hoch konzentriert bei einer Angabe.
       
       Der Satz hat sich in die Hirnwindungen von Jörg Roßkopf eingefräst. Man
       schrieb das Jahr 1986, er war 16 Jahre alt, er spielte zum ersten Mal in
       der Bundesliga und verlor gegen einen gewissen Manfred Nieswand aus Altena.
       "Das Spiel ging 9:1 für Borussia Düsseldorf aus - aber ich verlor als
       Einziger", erinnert sich der deutsche Tischtennis-Rekordnationalspieler
       immer noch. Vor allem an den anschließenden Kommentar des damaligen
       Borussia-Managers Wilfried Micke: "Was haben wir denn da für eine Pfeife
       gekauft?"
       
       Die Pfeife blieb trotzdem 14 Jahre in Düsseldorf und gewann dort 24 Titel.
       An diesem, seinem unwiederbringlich letzten Wochenende als Spieler kann der
       nun 40-Jährige seinen 479. Einzelsieg sammeln und damit alleiniger
       Rekordhalter werden. Doch wie immer interessieren das Aushängeschild der TG
       Hanau die persönlichen Meriten weit weniger als der Teamerfolg. "Wir
       brauchen gegen Fulda-Maberzell noch zwei Einzelsiege, um vorzeitig den
       Klassenerhalt zu schaffen", betont der ehemalige Europameister. Wenn das am
       Freitag nicht gelungen ist, dann wird Deutschlands "Mr. Tischtennis" morgen
       beim letzten Saisonspiel in Saarbrücken ein tatsächlich allerletztes Mal
       wettkampfmäßig seine gefürchtete Rückhand einsetzen müssen.
       
       Schöner wäre jedoch der Abschied in heimischer Hanauer Halle vor einer
       vierstelligen Kulisse. "Ich freue mich, dass es vorbei ist. Ich habe das
       Karriereende schon lange herausgezögert, obwohl der Körper nach mehr als
       zwei Jahrzehnten Probleme bereitete", bekennt Roßkopf, der aber immerhin
       noch eine Bilanz von 8:10 Siegen aufzuweisen hat. Kein Wunder: Roßkopf galt
       stets als trainingsfleißig und ehrgeizig. Und bodenständig. Selbst in
       jungen Jahren verschwendete der dreifache Vater aus Groß-Umstadt keinen
       Gedanken an einen Porsche als fahrbaren Untersatz. "Das ging schon allein
       deshalb nicht, weil Opel unser Hauptsponsor war", grinst er.
       
       Auch ohne schickes Auto führte er Tischtennis 1989 in eine neue Dimension.
       Mit dem WM-Triumph im Doppel 1989 in Dortmund an der Seite von Steffen
       Fetzner "weckten wir die Sportart und lösten eine Euphorie aus". Die
       Mitgliederzahlen in den Vereinen stiegen und mit ihnen die Spielergehälter.
       Roßkopf wurde 1992 noch Einzel-Europameister in Stuttgart, eigentlich sein
       größter Erfolg, aber den WM-Titel im Doppel wertet der fünffache
       Olympia-Teilnehmer als "Meilenstein und die große Auferstehung für
       Tischtennis in Deutschland".
       
       Diese Auferstehung begleitete er mit einer schier endlosen Reihe an
       Erfolgen. Zusammen mit Fetzner holte er 1992 in Barcelona Olympia-Silber.
       Im Alleingang sicherte sich Roßkopf in Atlanta 1996 Bronze. Acht Mal wurde
       er deutscher Einzelmeister, 2007 mit der Mannschaft Europameister, 1998
       noch einmal Doppel-Europameister mit dem ebenfalls für Düsseldorf
       spielenden Weißrussen Wladimir Samsonow und im gleichen Jahr auch als
       erster Deutscher überhaupt Weltcup-Sieger.
       
       Timo Boll sollte das als zweiter schaffen, aber ohne Roßkopf wäre das
       vielleicht nie passiert: "Jörg war mein großes Vorbild", sagt der aktuelle
       Weltranglistenfünfte, "und meine Antriebsfeder, mich für den
       Tischtennissport zu entscheiden." Aber nicht nur deshalb wäre, so der
       29-jährige Boll, "ohne Jörg Roßkopf der deutsche Tischtennissport ein
       großes Stück ärmer. Er ist ein Vorzeigeathlet weit über unsere Sportart
       hinaus."
       
       Und der bleibt dem Tischtennis auch erhalten. Als künftiger
       Männer-Bundestrainer will Jörg Roßkopf vor allem Boll helfen, endlich die
       übermächtigen Chinesen bei einer Weltmeisterschaft zu schlagen.
       
       10 Apr 2010
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hartmut Metz
       
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