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       # taz.de -- Titel Thesen Sexismus: Warum Thilo Mischke nicht TTT moderieren sollte
       
       > Das ARD-Kulturmagazin „Titel, Thesen, Temperamente“ soll ab 2025 einen
       > neuen Moderator bekommen. Unsere Autorin hält den Wechsel für die falsche
       > Wahl.
       
   IMG Bild: Nach 17 Jahren übergibt Max Moor die Moderation an Thilo Mischke
       
       Manchmal muss man die großen Fragen stellen: In welcher Welt leben wir
       heute, nach sieben Jahren #meToo, nach der Urteilsverkündung im Fall Gisèle
       Pelicot, die von dutzenden Männern über ein Jahrzehnt vergewaltigt wurde?
       Kurz nachdem ein Netzwerk von Vergewaltigern auf Telegram aufgedeckt wurde?
       Sind wir aufmerksamer geworden? Müssen wir mit der Angst leben, dass es für
       Frauen überall potenziell gefährlich ist? Wie soll ein öffentlicher Umgang
       mit Sexismus heute aussehen? Auch die öffentlich-rechtlichen Sender ringen
       mit diesen Fragen und wollten sich ja eigentlich diverser aufstellen.
       
       In einem aktuellen Fall hat die ARD aber mal wieder einen Schritt in die
       falsche Richtung gemacht. Die wohl wichtigste Kultursendung des ÖRR,
       „Titel, Thesen, Temperamente“, bekommt ab Januar 2025 einen neuen
       Moderator: den Journalisten Thilo Mischke. Seit der Bekanntgabe am
       Donnerstag durch die ARD sorgt das für Diskussion.
       
       Zurecht, denn von früheren sexistischen, rassistischen und ableistischen
       Aussagen hat er sich bisher nicht distanziert. Mischke, schrieb etwa 2010
       ein Buch „In 80 Frauen um die Welt“. Das basiert auf der sexistischen Wette
       mit seinen Freunden: Er reist um die Welt und soll dabei 80 Frauen
       rumkriegen. Frauen und Sex scheinen auch sein Lieblingsthema zu sein, für
       die Gentlemen's Quarterly hatte er dazu auch noch eine Kolumne.
       
       Seine Gedanken zu solchen Themen sind häufig sexistisch. Bis hin zur sehr
       seltsamen Vorstellung über evolutionsbiologische Prozesse: In seinem
       eigenen Podcast „Uncovered“ 2019 erklärt er der Journalistin Caroline
       Rosales, dass der Homo sapiens überlebt habe, weil er Frauen vergewaltigt
       habe, im Gegensatz zum Urmenschen. Die Timeline von Mischkes Ausssagen in
       den letzten Jahren haben die Journalistinnen Annika Brockschmidt und
       Rebekka Endler in ihrem Podcast „Feminist Shelf Control“ am Montag [1][in
       einer ausführlichen Recherche veröffentlicht.]
       
       ## Klare Position gegen Sexismus gefordert
       
       Darin gehen Isabella Caldart und Anja Rützel gemeinsam mit 16 anderen
       Personen, Äußerungen in seinen Büchern, in Podcasts und Talksendungen der
       letzten Jahre Stück für Stück durch und finden „einen Haufen
       unappetitliches Zeug“. Mischke würde sich „sexistisch, misogyn,
       rassistisch, ableistisch und auch homophob“ äußern.
       
       Laut den Podcastautorinnen führt TTT an, dass Mischke geläutert sei und
       seine früheren Publikationen mittlerweile bereue. Auf eine Anfrage der taz
       hat die Redaktion bis Redaktionsschluss nicht geantwortet. Tatsächlich hat
       Mischke sich aber nicht für die Inhalte entschuldigt. Unter der Frage „Kann
       Sexismus verziehen werden?“ hat er 2019 die Journalistin Nadine Primo
       eingeladen, um über sein Buch zu sprechen. Den Buchtitel finde er heute
       schlimm, sagt Mischke, aber die Recherche habe ihm viel Spaß gemacht. Da
       stehe er auch immer noch hinter. Nach Läuterung klingt das nicht.
       
       [2][Ja, Sexismus könnte verziehen werden, aber nur wenn man wirklich
       öffentlich zu seinen Fehlern steht]. Und eine echte Fehlerkultur würde
       nicht bei Mischke selbst aufhören. Sie würde mit einbeziehen, dass der
       Sender, die Einsetzung von Mischke als neuen Moderator und auch die
       Signalwirkung davon überdenkt. Zumindest hier bleibt vielleicht noch ein
       Rest Hoffnung, denn wir erinnern uns: Dem ÖRR ist es durchaus möglich,
       Personen des öffentlichen Lebens wegen (vermeintlich) problematischer
       Aussagen oder wegen problematischen Verhaltens den Job zu streichen.
       
       So erst 2024 bei Sebastian Hotz beim rbb passiert, weil dem Sender seine
       Tweets zum Attentat auf Trump nicht passten. Oder bei der Journalistin Nemi
       El-Hassan, die „Quarks“ 2021 nicht moderieren durfte, weil sie sich 2014
       auf einer Israel-feindlichen Al-Quds Demo war. Ein moderner
       öffentlich-rechtlicher Rundfunk müsste eine klare Position gegen Sexismus
       finden und nach dieser handeln. Gleichzeitig liegt es an uns allen, den
       Druck aufrechtzuerhalten. Gisèle Pelicot hat es uns gesagt: „Die Scham muss
       die Seite wechseln“. Das Ausmaß von Mischkes Verhalten vor Anlaufen der
       Sendung in einer großangelegten Recherche aufzuzeigen, ist mehr als ein
       guter Anfang dafür. Hoffen wir, dass die Wellen des Aufschreis auch noch
       bei der ARD zu hören sind.
       
       23 Dec 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://open.spotify.com/episode/3x1wdr8s1yssI3wR8WMmLq?si=1816d483c9bc43d5&nd=1&dlsi=8ca5e8e5ce594e33
   DIR [2] https://www.reddit.com/r/Laesterschwestern/comments/1hkh7o5/die_causa_thilo_mischke/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ann-Kathrin Leclere
       
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