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       # taz.de -- Trendsport Hobby-Horsing: „Die Beine sind das Pferd“
       
       > Hobby-Horsing ist eine neue Sportart, die viel Spott erfährt. Die einen
       > sehen es als Witz, die anderen schätzen die kreative Bewegungsform.
       
   IMG Bild: Beim Training in der Reithalle in Leipzig wird rücksichtsvoll mit den „Pferden“ umgegangen
       
       Leipzig taz | Ein starker Pferdegeruch liegt auf der Galopprennbahn
       Scheibenholz in Leipzig in der Luft, und aus der Ferne hört man Wiehern –
       doch das sind keine Pferde. Zehn Mädchen laufen in der sandigen Halle mit
       Steckenpferden in der Hand wild durcheinander. Was auf den ersten Blick
       kurios aussieht, ist eine Trainingseinheit der [1][neuen Sportart]
       Hobby-Horsing.
       
       Viele Videos dieser Sportart, die auch „Steckenpferdreiten“ genannt wird,
       kursieren. Die Grundidee: Mit einem Steckenpferd werden Elemente aus dem
       Pferdesport nachgeahmt. Der [2][Trendsport] aus Finnland ist in den
       vergangenen Jahren nach Deutschland übergeschwappt und seit dem 1. Januar
       offiziell in die Wettbewerbsordnung für Breitensport (WBO), die von der
       Deutschen Reiterlichen Vereinigung herausgegeben wird, aufgenommen worden.
       Während es für viele Hobby-Horser nur um Spaß geht, werden mittlerweile
       auch Wettkämpfe ausgerichtet. Bewertet werden dabei vor allem die Gangarten
       der Reiter und meist Reiterinnen.
       
       Andreas Karasek, Mitarbeiter des [3][Deutschen Hobby Horsing Verbandes],
       erklärt es so: „Der Oberkörper ist der Reiter, die Beine sind das Pferd.“
       Es geht entsprechend darum, die Bewegungen des Pferdes nachzuahmen. In den
       verschiedenen Disziplinen Spring-, Dressur- und Stilreiten werden unter
       anderem Gangarten wie Schritt, Trab und Galopp, aber auch der Rhythmus, die
       Gleichmäßigkeit sowie die aufrechte Körperhaltung der Reiter*innen
       bewertet. Das Steckenpferd muss dabei immer ordnungsgemäß zwischen den
       Beinen gehalten werden.
       
       ## Mit Weltrekorden gegen Häme
       
       An diesem Mittwoch im Oktober üben die Mädchen in der Leipziger Reithalle
       deswegen besondere Bahnfiguren, die sie ausführen müssen – genau wie beim
       echten Reiten. Auch über kleine Hürden müssen die Reiterinnen springen –
       natürlich mit dem Pferd in der Hand. In dieser Disziplin erreichen
       Sportler*innen erstaunliche Höhen. Der Weltrekord, den eine 14-jährige
       Deutsche im vergangenen Jahr aufgestellt hat, liegt derzeit bei 1,42
       Metern.
       
       Neben der sportlichen Leistung spielt auch das Steckenpferd selbst eine
       wichtige Rolle. Besonders jüngere Reiterinnen verleihen ihren „Pferden“
       eigene Charakterzüge, erklärt Lena Günther, Trainerin der Hobby-Horser in
       Leipzig: „Die Mädchen sagen zum Beispiel, ihr Pferd hat Angst vor fremden
       Menschen oder vor Wasser. Das hat auch eine schauspielerische Komponente.“
       Für Günther ist es ein gutes Mittel, damit junge Sportlerinnen ihre Gefühle
       ausdrücken können: „Manchmal kommen sie und sagen: ‚Mein Pferd ist heute
       frech.‘ Dann weiß ich, dass vielleicht etwas in der Schule passiert ist,
       das sie beschäftigt. Das Hobby-Horse hilft ihnen, diese Emotionen
       auszudrücken.“
       
       Wer das alles etwas kurios findet, ist nicht allein. Bekannt wurde die
       Sportart in Deutschland vor allem durch einen negativen Trend in den
       sozialen Medien. Videos von Hobby-Horsern gingen viral.
       Influencer*innen und andere User begannen sich online über [4][die
       neue Sportart] lustig zu machen und sie nachzuäffen. In den Medien wurde
       ein Fest der Satire gefeiert – zulasten der Sportler*innen, die diese
       Sportart mit ernsten Intentionen ausführen. „Es gibt teils regelrechte
       Hasskommentare unter den Videos“, erzählt Andreas Karasek. Das bereitet
       seinem Verband Sorgen. „Wir versuchen, die Kinder zu ermutigen, solche
       Kommentare nicht zu lesen oder sie zu ignorieren“, betont er.
       
       ## Reiten ist in der Stadt ein Luxus
       
       Auch Trainerin Lena Günther bespricht diese negativen Reaktionen mit den
       Kindern. Der stärkste Rückhalt sei dabei die eigene Community: „Ich glaube,
       sobald die Mädchen hier ankommen, blenden sie alles aus. Hier sind
       Menschen, die das auch cool finden, und niemand, der lacht.“
       
       Trotz des Spotts hat die Sportart in Deutschland bereits rund 5.000 aktive
       Anhängerinnen, verteilt auf über 200 Vereine. Im September fand die erste
       Deutsche Meisterschaft statt. Auch wenn der Sport vor allem für Kinder
       ausgerichtet ist, traten Teilnehmer*innen im Alter bis zu 48 Jahren bei
       der Meisterschaft an.
       
       Oft wird die Frage aufgeworfen, warum die jungen Sportler*innen nicht
       einfach Reiten oder Leichtathletik betreiben. Lena Günther sieht dafür
       viele Gründe. „Reiten ist in der Stadt ein [5][Luxus]“, sagt sie. Der
       Kontakt zu echten Pferden sei mit hohen Kosten und viel Zeitaufwand
       verbunden, was für viele Eltern eine Hürde darstelle.
       
       Ein weiterer Faktor sei die mangelnde Attraktivität vieler Sportarten für
       junge Mädchen. „Viele Mädchen fühlen sich von herkömmlichen Sportarten
       nicht angesprochen. Gleichzeitig sind sie oft mit hohen Erwartungen an ihr
       Körperbild konfrontiert und verlieren so den Spaß an Bewegung“, stellt
       Günther fest. Hobby-Horsing biete hingegen eine Möglichkeit, sich zu
       bewegen und gleichzeitig Spaß zu haben. Zum Spott, den die jungen
       Sportlerinnen aufgrund ihres Hobbys aushalten müssen, hat Günther eine
       klare Ansage: „Ich sage den Mädels immer wieder: Wer andere runtermachen
       will, der findet immer etwas – ob da nun ein Hobby-Horse dabei ist oder
       nicht.“
       
       8 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Die-Wahrheit/!5807250
   DIR [2] /Pferdedressur-ist-Tierquaelerei/!5787803
   DIR [3] https://deutscher-hobby-horsing-verband.de/
   DIR [4] /Die-Wahrheit/!5616223
   DIR [5] /Zu-Besuch-im-Reiter-Milleu/!5136711
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Luisa Holzkamp
       
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