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       # taz.de -- Trump-Hetze gegen Medien: Immer häufiger wird zugeschlagen
       
       > US-Präsident Donald Trump attackiert bevorzugt Medien. Inzwischen
       > bekommen oft Lokaljournalisten die angefachte Wut zu spüren.
       
   IMG Bild: Häufig bei Trump-Reden zu sehen: Der Hass auf Medien
       
       New York ap | Nach 24 Jahren hatte Lori Bentley-Law genug. Die Fotografin
       wollte ihren Job beim Nachrichtensender KNBC-TV an den Nagel hängen und
       [1][verfasste einen Blogeintrag über ihre Beweggründe]. Die Feindseligkeit,
       die ihr in letzter Zeit entgegenschlage, spiele bei ihrem Entschluss eine
       Rolle, bekennt Bentley-Law. Was als kleine Abschiedserklärung für Freunde
       und Kollegen gedacht war, traf einen Nerv: Binnen drei Tagen wurde ihr
       Beitrag 11.000 Mal angeklickt, eine Flut an E-Mails und Kurznachrichten
       frustrierter Journalisten in ganz Amerika brach über Bentley-Law herein.
       
       Viele berichteten ihr von unverhohlenem Hass, der ihnen bei ihrer Arbeit
       aus der Bevölkerung entgegenschlägt. Und oft komme es nicht längst nur zu
       Verbalattacken oder Drohungen, sondern zu tätlichen Angriffen auf Reporter
       in den USA.
       
       Eine Entwicklung, an der Präsident Donald Trump aus ihrer Sicht alles
       andere als unschuldig ist. Bevorzugte Zielscheiben seiner Tiraden sind zwar
       Medienaushängeschilder wie CNN oder die New York Times, doch immer dünner
       wird die Luft vor allem für Lokaljournalisten. Wenn ein Präsident die
       Presse als Feinde des Volkes bezeichne, „verändern sich Haltungen“,
       schreibt Bentley-Law. Leidtragende seien vor allem Nachrichtenteams vor
       Ort. „Und es kommt nicht nur von einer Seite. Wir kriegen es von überall
       ab, so ziemlich jeden Tag.“
       
       Ihre drastische Wortwahl scheint nicht übertrieben. Der Verband für
       Medienschaffende in Radio, Fernsehen und Internet (RTDNA) reicht unter
       Journalisten Tipps für Sicherheit und Selbstverteidigung herum. Angebracht
       sei zu bestimmten Zeiten und an gewissen Orten zudem ein eingeschränkter
       Einsatz von Ein-Personen-Crews, die bei TV-Sendern aus Kostengründen immer
       beliebter werden, rät Verbandsdirektor Dan Shelley.
       
       Und das aus gutem Grund: RTDNA führt seit 2017 [2][einen „Tracker für die
       Pressefreiheit“], der allein in diesem Jahr 39 Fälle von Angriffen auf
       Journalisten in den USA gezählt hat. Dazu zählte die Schießerei in der
       Redaktion der Zeitung „Capital Gazette“ in Annapolis im Staat Maryland mit
       fünf Toten. Im vergangenen Jahr kam der Verband auf insgesamt 48 gewaltsame
       Zwischenfälle.
       
       ## „Es ist eine harte Zeit, um Journalist zu sein“
       
       „Das Umfeld hat sich verändert“, bestätigt Chris Post, Fotograf beim Sender
       WFMZ-TV in Allentown im Staat Pennsylvania. „Ich bin Zeuge des Wandels“. Da
       sei etwa jener Vorfall, als er mal zu einer Kundgebung gestoßen sei, die er
       begleiten sollte. Wo er denn hinwolle, habe ihn ein Autofahrer gefragt. Als
       er ihm geantwortet habe, dass es sich um eine Demonstration für mehr
       Einwanderung handele, habe der Mann mit einem Wutanfall reagiert und Gas
       gegeben – und dann gerade noch so vermieden, ihn zu treffen, erinnert sich
       Post. Der Fahrer habe einen selbstzufriedenen Gesichtsausdruck gehabt. „Ich
       bin 1,98 Meter groß und 136 Kilogramm schwer. Jemand hat mal versucht, mir
       die Kamera zu entreißen. Wenn es so weit kommt, wo endet das? Es ist eine
       harte Zeit, um Journalist zu sein“.
       
       Seine Kollegin Caitlin Penna, freie Fotografin aus Durham im Staat North
       Carolina, berichtet, dass selbst ihre konservativen Verwandten sie mit
       Argwohn beäugten. Bei ihren Einsätzen sei sie stets in einer
       Hab-Acht-Stellung. Eines Abends sei sie zur Entspannung in eine Kneipe
       gegangen, wo sie mit einem Barbesucher ins Gespräch gekommen sei. Als die
       Rede auf ihren Beruf gekommen sei, habe der Mann gesagt: „Sie berichten
       Fake News“ – und sie stehen lassen, erzählt Penna.
       
       Weniger glimpflich ging eine Begegnung mit einem Wutbürger für den
       Videojournalisten Joshua Replogle von der Nachrichtenagentur AP aus. Er
       filmte im ländlichen Bladen County im Staat North Carolina das Ausmaß der
       Überschwemmungen durch Hurrikan „Florence“, als plötzlich ein in der Nähe
       stehender Mann herüberkam, seine Kamera umstieß und begann, ihm
       Faustschläge ins Gesicht zu verpassen. Die Freunde des Angreifers brummten
       „Fake News“. Zu einer Anklage sei es bisher nicht gekommen, sagt Replogle.
       „Die Ironie daran ist, dass mein Video ihm geholfen hätte. Es hätte die
       Aufmerksamkeit auf eine kleine Stadt gelegt, in der es Überflutungen gab.“
       
       ## Es gibt Hoffnungsschimmer
       
       Im Blogeintrag zu ihrem Abgang aus dem TV-Journalismus schreibt Bentley-Law
       noch: „Ich will nicht jeden Tag in Traurigkeit eintauchen müssen. Ich will
       nicht, dass ein süßes kleines Mädchen mit Zopf mich anschaut und sagt: „Wir
       hassen dich“. Ich will nicht mehr „Fake News“ zugebrüllt oder den
       Stinkefinger gezeigt bekommen, wenn ich mit meinem Nachrichtentransporter
       unterwegs bin.“
       
       Einige der beschriebenen Vorfälle – etwa das hasserfüllte Mädchen oder
       jener Mann, der ihr seinen nackten Hintern aus dem Fenster entgegenstreckt
       und Kot ausgeschieden habe – seien vor Trump gewesen, räumt Bentley-Law
       ein. Und andere Gründe für ihren Ausstieg gebe es auch: etwa die
       Schulterschmerzen vom jahrelangen Tragen der schweren Ausrüstung, ganz zu
       schweigen von der Last des anhaltenden Konsums von Geschichten über Mord
       und Totschlag und anderen deprimierenden Einsätzen. Doch die derzeitige
       Stimmung trage auf jeden Fall ihren Teil zu ihrer Entscheidung bei, erklärt
       Bentley-Law.
       
       Trotz alledem gibt es Hoffnungsschimmer. Medienschaffende berichteten ihm,
       dass es immer mehr Menschen in den Journalismus ziehe, sagt Verbandschef
       Shelley. Und Fotograf Chris Post erzählt von einer Erfahrung, die er just
       an jenem Tag gehabt habe, als ein Mann in einem Kleintransporter ihm beim
       Vorbeifahren die Worte „Fake News“ entgegengeschleudert habe. Er sei später
       zum Drive-in-Schalter eines Fast-Food-Restaurants gefahren, wo ihm einfach
       so eine Tasse Kaffee gereicht worden sei. Die habe eine Frau vor ihm
       spendiert, hieß es an der Kasse – und zwar mit der Botschaft: „Danke für
       das, was Sie tun.“
       
       30 Oct 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://loribentleylaw.com/taking-a-leap/
   DIR [2] https://rtdna.org/article/u_s_press_freedom_tracker_tell_us_your_problems
       
       ## AUTOREN
       
   DIR David Bauder
       
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