# taz.de -- US-Armee: Avantgarde des Faschismus
> Das Militär soll Trump helfen, die Amerikaner zu beherrschen. Die
> Soldaten fühlen sich eher dem Präsidenten, weniger der Demokratie
> verpflichtet.
IMG Bild: Donald Trump feiert an seinem 79. Geburtstag, den 250. Geburtstag der US-Armee in Washington
Autoritäre Regime stehen und fallen mit der Loyalität der
Sicherheitskräfte. US-Präsident Donald Trump hat seit seiner Rückkehr ins
Weiße Haus dahingehend kaum etwas dem Zufall überlassen. Sein
Verteidigungsminister [1][Pete Hegseth entließ sofort] ein halbes Dutzend
hochrangiger Generäle, darunter den Vorsitzenden des Generalstabs.
Doch es war [2][eine Rede vor den Truppen] einen Monat später, die am
deutlichsten zeigte, wie Trump die Rolle der Streitkräfte sieht. Er
erwähnte die Welt nicht, sprach kein Nationalinteresse an und äußerte keine
Besorgnis über Bedrohungen aus China oder Russland.
Und während Präsidenten üblicherweise von individuellem Heldentum als
Beweis für ein Land sprechen, das es wert ist, verteidigt zu werden, sagte
Trump nichts dergleichen. Weder sprach er über Verfassungsrechte wie die
Meinungs- und Versammlungsfreiheit, noch über die Demokratie. Amerika
existierte in Trumps Rede nicht.
Stattdessen nutzte Trump die US-Militärgeschichte, um seinen Personenkult
zu fördern: Große Leistungen auf dem Schlachtfeld wurden zu Taten, die zum
Vergnügen eines Führers vollbracht wurden. Der Präsident erwähnte sie, um
seine Macht zu demonstrieren. Militärischer Ruhm wird zu einem Spektakel,
dem der Führer jede beliebige Bedeutung verleihen kann.
Das ist das faschistische Prinzip, und Trump hat es verstanden. Alle
[3][Politik ist Kampf], und wer den Feind definieren kann, kann an der
Macht bleiben. Aber während die historischen Faschisten einen äußeren und
einen inneren Feind hatten, hat Trump nur [4][einen innenpolitischen
Feind].
Deshalb hat er, nachdem er sich Israels Angriffen auf den Iran
angeschlossen hatte, eilig den Sieg und einen Waffenstillstand verkündet.
Die Welt ist zu viel für ihn. Die Armee dient nur dazu, die Amerikaner zu
beherrschen: Denn Trump will schlussendlich die US-Soldaten darauf
vorbereiten, sich als Helden zu betrachten, wenn sie an Inlandseinsätzen
teilnehmen.
## Die Soldaten sollen Trump folgen
In seiner Rede überhöhte sich Trump massiv. Er machte sich wiederholt über
seinen Vorgänger lustig und rief die Soldaten auf, sich über den
Grundgedanken hinwegzusetzen, dass ihr Dienst der Verfassung und nicht
einer Person gelte.
Diese beispiellose Personalisierung der Präsidentschaft suggeriert, dass
Trumps Autorität noch auf etwas anderem beruht als auf einer Wahl – auf
individuellem Charisma oder sogar göttlichem Recht. Die Soldaten sollen
Trump folgen, weil er Trump ist.
Die meisten Amerikaner gehen davon aus, dass die US-Armee dazu da ist, uns
zu verteidigen. Aber Trump nutzte die Rede, um die Armee dazu zu bringen,
ihre Mitbürger zu verhöhnen und seinem Spott gegen Journalisten zu folgen.
Er vermittelte den Soldaten, dass die Gesellschaft nicht zählt und das
Gesetz keine Rolle spielt. Nur er selbst sei wichtig, und er „liebt“
Soldaten so sehr, dass „wir euch durch die Bank eine Lohnerhöhung geben“.
Das ist die Art und Weise, wie ein Diktator zu einer Palastwache oder einem
Paramilitär spricht.
## Wir erleben den Versuch eines Regimewechsels
Wir werden derzeit Zeugen eines von Perversitäten durchsetzten [5][Versuchs
des Regimewechsels]. Das hat eine historische Komponente: Wir sollen die
konföderierten Verräter wie Robert E. Lee feiern, die in Verteidigung der
Sklaverei gegen die USA rebellierten.
Es hat eine faschistische Komponente: Wir sollen den gegenwärtigen Moment
als Ausnahmesituation betrachten, in der dem Führer alles erlaubt ist. Und
es hat auch eine institutionelle Komponente: Die Soldaten sollen die
[6][Avantgarde des Untergangs der Demokratie] sein, deren Aufgabe es ist,
die vom Führer auserwählten Feinde zu unterdrücken – innerhalb der USA.
[7][Migration als „Invasion“] zu sehen, das soll die Armee auch glauben.
Dabei gehören dem US-Militär, wie in anderen Institutionen auch, Menschen
mit Migrationsgeschichte an. Die Truppe ist in hohem Maße von
Afroamerikanern und Nichtstaatsbürgern abhängig. Der Versuch, sie in einen
Kult der „Confederacy“ und ein Instrument zur Verfolgung von Migranten zu
verwandeln, würde zu großen Spannungen führen.
Der Republikaner würde derartiges begrüßen und ausnutzen. Er will eine
Armee, die ein persönliches Paramilitär ist. Er will eine Republik in ein
faschistisches Regime verwandeln.
## Demokratischer Widerstand gegen König Trump
Aber was wollen die US-Soldaten? Trumps Rede war eine hochgradig kuratierte
Angelegenheit, bei der die Zuhörer auf der Basis ihrer politischen
Ansichten und [8][ihres Aussehens ausgewählt wurden].
Die Militärparade jedoch, die Trump zu Ehren des 250-jährigen Bestehens der
Armee und seines eigenen Geburtstags in Washington abhielt und bei der etwa
6.600 Soldaten in Kampfanzügen an einer spärlichen Menschenmenge
vorbeischlenderten ([9][nicht marschierten]), wurde weithin als
„[10][Flop]“ bezeichnet. Als militärisches Spektakel konnte sie weder mit
Pjöngjang noch mit dem Roten Platz mithalten.
Ich war nicht dabei. Wie mindestens vier Millionen andere Menschen in den
USA war ich an diesem Tag auf einer der [11][Anti-Trump-Kundgebungen], die
unter dem Motto „No Kings“ in rund 2.100 Orten im ganzen Land stattfanden.
Es war der [12][größte eintägige politische Protest] in der Geschichte der
USA, stellte die Teilnehmerzahl an Trumps Parade weit in den Schatten und
bewies, dass eine Demokratie nur dann existiert, wenn ein Volk existiert.
Und ein Volk existiert nur dann, wenn die Menschen sich ihrer Mitmenschen
und ihrer Notwendigkeit, gemeinsam zu handeln, bewusst sind. Dieses
Bewusstsein ist Trumps schlimmster Feind.
Aus dem Englischen von Jan Doolan
Copyright: Project Syndicate, 2025. Das Project Syndicate mit Sitz in Prag
ist eine Non-Profit-Organisation, die internationalen Medien Essays und
Meinungsbeiträge von namhaften PublizistInnen und WissenschaftlerInnen
anbietet.
12 Sep 2025
## LINKS
DIR [1] https://www.pbs.org/newshour/nation/hegseth-directs-active-duty-military-to-cut-20-of-its-four-star-general-officers
DIR [2] https://rollcall.com/factbase/trump/transcript/donald-trump-speech-250th-anniversary-army-fort-liberty-north-carolina-june-10-2025/
DIR [3] /US-Verteidigungspolitik-unter-Trump/!6112095
DIR [4] /US-Praesident-droht-Chicago/!6109060
DIR [5] /US-Verteidigungsministerium-umbenannt/!6109174
DIR [6] /Neue-Weltordnung/!6106064
DIR [7] /Migrationspolitik-USA/!6109028
DIR [8] https://www.military.com/daily-news/2025/06/11/bragg-soldiers-who-cheered-trumps-political-attacks-while-uniform-were-checked-allegiance-appearance.html
DIR [9] https://www.buzzfeed.com/natashajokic1/trump-military-parade-marching-explained
DIR [10] https://newrepublic.com/article/196850/trump-birthday-military-parade-pathetic
DIR [11] /Proteste-in-den-USA/!6091308
DIR [12] /No-Kings-Proteste-in-den-USA-/!6091238
## AUTOREN
DIR Timothy Snyder
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