URI: 
       # taz.de -- Trumps Feldzug: Horrorclown gegen Diversität
       
       > Die US-Regierung setzt im Kampf gegen „Wokeness“ auch Unternehmen in
       > Europa unter Druck. So macht Trump die Globalisierung zum Medium seines
       > Diktats.
       
   IMG Bild: Das Konzept „Wandel durch Handel“ wird gerade neu definiert. Donald Trump, umgeben von „weißen“ Männern im Weißen Haus
       
       Vor zwei, drei Wochen – in der neuen Zeitrechnung des Ereignis-Stakkatos
       also vor einer gefühlten Ewigkeit – konnte man allerorts lesen: Die
       US-Regierung habe einen Anti-Wokeness-Feldzug gestartet. Das Thema wurde
       von der Flut der Neuigkeiten schon wieder weggeschwemmt – aber es ist es
       wert, noch mal innezuhalten. Kontrazeitlich sozusagen. Nicht nur, weil das
       Innehalten selbst schon zu einem Akt des Sich-dagegen-Stemmens geworden
       ist, sondern auch, weil das Faktum selbst eine nochmalige Betrachtung wert
       ist.
       
       Nicht nur Zölle sind ein zentrales Anliegen der Trump-Regierung, auch der
       Kampf gegen die „Wokeness“ – [1][vor allem in ihrer teuflischen Gestalt des
       DEI: Diversity, Equity und Inclusion]. Also das Bemühen um Vielfalt,
       Gleichberechtigung und Inklusion bei Postenbesetzungen aller Art. Dies ist
       ein Kreuzzug weißer Männer. Geschenkt. Und er kommt einem Exorzismus
       gleich: Alles, was irgendwie an DEI erinnern könnte, soll gelöscht, getilgt
       werden.
       
       Die Zeit hat berichtet, wie sich dies in den USA ausbreitet: von nationalen
       Militärfriedhöfen, die die Erwähnung der Kriegseinsätze von Schwarzen und
       Frauen von ihren Websites löschen, bis zu Schulen, die „Everyone is
       welcome“-Plakate entfernen.
       
       Noch nachdrücklicher wirkt das in Unternehmen. Von großen Konzernen bis zu
       kleinen Zulieferern, von Staatsaufträgen bis zu privaten Firmen – alle
       sollen dazu gebracht werden, „illegale Diskriminierung und Bevorzugung
       einschließlich DEI“ zu beenden. Dazu gebracht bedeutet: Strafen und
       schwarze Listen für Firmen, die weiterhin „illegale Bevorzugung“ betreiben.
       Diversitätsumtriebe werden veröffentlicht, denunziert. All das ist
       erschreckend effektiv.
       
       Druck auch auf europäische Firmen 
       
       Mittlerweile aber macht der [2][US-Anti-Wokenessfeldzug] nicht mehr halt
       an den Grenzen des Landes. Die US-Regierung legt nun auch europäischen
       Firmen nahe, sich von Diversitätszielen zu verabschieden und zum
       Leistungsprinzip zurückzukehren. Solches hört man aus der Schweiz ebenso
       wie aus Deutschland, Frankreich, Belgien, Spanien oder Osteuropa.
       
       Wobei nahelegen bedeutet, Druck machen auf Firmen mit Niederlassungen in
       den USA. Wie etwa Mercedes. Oder BMW, das die Motorräder der Polizei in
       Washington, D. C., liefert. Oder Pharmafirmen wie Roche oder Novartis.
       Wobei es des expliziten Drucks oft gar nicht mehr bedarf – der Gehorsam
       eilt ihm schon voraus.
       
       Aber die Abkehr von Diversitätszielen bedeutet für europäische Firmen
       durchaus ein Dilemma. Denn damit verletzen sie europäische
       Antidiskriminierungsgesetze. An dieser Zwickmühle zeigt sich: Unternehmen
       werden zum Schauplatz der Auseinandersetzung der nunmehr widersprüchlichen
       Ordnungen Europas und der USA.
       
       Man mag zum DEI und zum ganzen Woke-Komplex stehen, wie man will, aber man
       muss sehen, was da passiert. Nicht nur legen Unternehmen in Windeseile ihre
       DEI-Initiativen – die mehr ein Feigenblatt als ein Anliegen waren, als es
       noch opportun schien – einfach ab. Dies ist auch ein massiver und
       weitreichender Eingriff der Trump-Regierung in Europa.
       
       Instrumentalisierung ökonomischer Verhältnisse 
       
       Das Konzept „Wandel durch Handel“ wird gerade neu definiert. In den 1960er
       Jahren gab es die Idee, die schwierigen politischen Verhältnisse des Kalten
       Kriegs durch Handelsbeziehungen zu transformieren. Also Politik durch
       Ökonomie umzuformen. Dem unterlag die alte Vorstellung des „sanften
       Handels“, der zivilisierend wirken soll. Das ideale liberale Credo:
       Wirtschaftliche Verflechtungen sollten die Gefahr einer militärischen
       Auseinandersetzung bannen.
       
       [3][Was Trump nun versucht], ist die exakte Verkehrung dieses Konzepts.
       Bestehende ökonomische Verhältnisse sollen politisch benutzt,
       instrumentalisiert werden. Unternehmen sollen von außen zu bestimmten
       gesellschaftspolitischen Maßnahmen gezwungen werden.
       
       Für Trump wird die Globalisierung damit von einem Zweck zu einem Mittel:
       zum Transmissionsriemen für einen antiglobalistischen Nationalismus, zum
       Übertragungsmodus seiner gesellschaftlichen Vorstellungen, zum Medium
       seines Diktats. Trumps Nationalismus ist also abschottend und kolonisierend
       zugleich. In aller Widersprüchlichkeit.
       
       23 Apr 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Schwarze-US-Literatur-unter-Trump/!6068299
   DIR [2] /James-Baldwin/!6079444
   DIR [3] /Analyse-der-US-Wahl/!6052223
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Isolde Charim
       
       ## TAGS
       
   DIR Knapp überm Boulevard
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Diversität
   DIR Globalisierung
   DIR Social-Auswahl
   DIR Kulturkolumnen
   DIR Schweiz
   DIR Identitätspolitik
   DIR Knapp überm Boulevard
   DIR Hamburg
   DIR Knapp überm Boulevard
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Schwerpunkt USA unter Trump
   DIR Zölle
   DIR Knapp überm Boulevard
   DIR Knapp überm Boulevard
   DIR Donald Trump
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Die Schweiz, US-Zölle und die EU: Mit neuen Allianzen gegen Trump
       
       Mit Zöllen gegen die Schweiz will US-Präsident Donald Trump Europa weiter
       spalten. Jetzt sucht das kleine Land Hilfe bei der Europäischen Union.
       
   DIR Identitätspolitik-Debatte: Wie woke soll es sein?
       
       Ein Sommerspaziergang über das Tempelhofer Feld in Berlin. Mit dem
       aktuellen Backlash gegen emanzipative Identitätspolitik im Hinterkopf.
       
   DIR Neuer Politikertypus: Vielleicht ein bisschen Schamgefühl? Nö
       
       US-Präsident Trump ist zum Modell für eine ganze Generation extrem Rechter
       geworden. Völlige Scham- und Schrankenlosigkeit zeichnet ihr Handeln aus.
       
   DIR Tanzen mit der Hamburger Mai:Company: Zertanzte Diktatoren
       
       Patricia Carolin Mai erfindet die Idee „Tanz-Company“ neu: Vielfalt statt
       Auslese-Körper und Ballettzuchtmeister. Ab Juli werden Plätze verlost.
       
   DIR Trump und die Harvard Universität: Die Universität als Ideologieproduzent
       
       Mit seinen jüngsten Drohungen gegen die Elite-Uni Harvard steuert Donald
       Trump auf ihre totale, politische Umfunktionierung zu.
       
   DIR US-Bürgermeisterin Erin Mendenhall: Salt Lake City zeigt Flagge
       
       Der US-Bundesstaat Utah verbietet die Regenbogenflagge an öffentlichen
       Gebäuden. Doch die Bürgermeisterin der Hauptstadt kommt dem Ansinnen zuvor.
       
   DIR USA und Diversität: Trump entlässt Leiterin der US-Kongressbibliothek
       
       Donald Trumps Kampf gegen diverse Menschen geht weiter. Jetzt trifft es
       eine schwarze Bibliotheksleiterin – und bis zu tausend trans* Menschen in
       der Armee.
       
   DIR Neue Einfuhrzölle aus den USA: Zölle von bis zu 3.521 Prozent auf Solarpanele
       
       Photovoltaiktechnik aus Südostasien soll bei der Einfuhr in die USA mit
       absurd hohen Zöllen belegt werden. Wen das warum betrifft.
       
   DIR FPÖ-Chef Herbert Kickl entzaubert: Ein österreichisches Lehrstück
       
       Nach dem Scheitern seiner Verhandlungen mit der ÖVP muten die verbalen
       Ausfälle des FPÖ-Chefs Herbert Kickl zahnlos an. Der Ton stimmt nicht mehr.
       
   DIR Demokratie als Klassenprojekt: Eine Sehnsucht nach Disruption
       
       Demokratie gilt nicht mehr allgemein. Ob Inflation, Klimawandeln oder
       Integration – der rechte Diskurs verspricht Veränderung der bisherigen
       Politik.
       
   DIR Analyse der US-Wahl: Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht
       
       Was Donald Trump und Elon Musk an Herrschaft vorschwebt: Keine Regeln
       zähmen die Mächtigen mehr. Sie planen den blindwütigen Abbau von
       Regulierungen.