URI: 
       # taz.de -- Trumps Gaza-Plan: Das neue Nahost-Quartett
       
       > Der Waffenstillstand in Gaza hält vorerst. Ohne Katar, die Türkei und
       > Ägypten wäre das nicht möglich – denn Trump fehlt es an Glaubwürdigkeit.
       
   IMG Bild: Friedensquartett: die USA und die drei regionalen Vermittler Katar, Ägypten und die Türkei, am 13. 10. 2025
       
       Es ist [1][gerade noch einmal gutgegangen]. Das ungewöhnliche Gespann aus
       Vermittlern der USA und der Regionalstaaten Ägypten, Katar und der Türkei
       hat es geschafft, den Waffenstillstand in Gaza vor einer Aufkündigung zu
       retten. Aber es wurde auch mehr als deutlich, dass die Fragen der Zukunft
       des Gazastreifens – wer ihn regiert, was mit der Hamas geschieht und wann
       sich die israelische Armee komplett zurückzieht – keinen langen Aufschub
       vertragen.
       
       Die USA waren schon immer die einzige Macht, [2][die dem israelischen
       Premier Benjamin Netanjahu Einhalt gebieten kann]. Und in diesem Fall hat
       US-Präsident Donald Trump diese Macht genutzt, Netanjahu zurückzupfeifen,
       die israelischen Bombardierungen zu stoppen und die unterbrochenen
       Hilfslieferungen in den Gazastreifen wieder aufzunehmen. „Der
       Waffenstillstand hält“, erklärte Trump kurz, die Hamas-Führung sei
       möglicherweise nicht in dessen Verletzung involviert gewesen, fügte er
       hinzu – US-Deckel drauf.
       
       Ob und wie gut diese Waffenpause hält, hängt zum einen vom Willen Trumps
       ab, Netanjahu in die Schranken zu weisen, und zum anderen von den
       ägyptisch-katarischen und türkischen regionalen Vermittlern mit ihren
       Kontakten zur Hamas.
       
       Zumindest bislang hat sich dieses neue Nahost-Quartett aus regionalen
       Vermittlern, mit etwas Verzögerung, als effizient erwiesen. Und nur sie
       können dafür sorgen, dass der Waffenstillstand in Gaza nicht doch still und
       leise zu einer Farce verkommt, [3][wie das im Libanon geschehen ist]. Auch
       dort haben die Hisbollah und Israel vor fast einem Jahr eine Waffenpause
       vereinbart. Obwohl seitdem keine Hisbollah-Raketen mehr nach Israel
       fliegen, bombardiert die israelische Armee fast täglich Ziele im Libanon.
       
       Den Medien sind diese israelischen Brüche des Waffenstillstands praktisch
       keine Erwähnung wert. Es gibt dort kein ernsthaftes US-Engagement und keine
       regionalen Vermittler, und das bedeutet, dass in diesem Fall der Stärkere
       die Bedingungen des sogenannten Waffenstillstands de facto bestimmen und
       machen kann, was er will. Ob Gaza langsam auch zum Libanon wird, hängt also
       vom internationalen Engagement ab.
       
       ## Teile und Herrsche
       
       Nun sind der US-Außenminister Marco Rubio, der US-Nahostvermittler Steve
       Witkoff sowie der Schwiegersohn Trumps, Jared Kushner, wieder auf dem Weg
       nach Israel. Es geht darum, mit Netanjahu auszuloten, wie es jetzt im
       Gazastreifen weitergehen soll. Letzterer will die israelische
       Sicherheitskontrolle nicht aufgeben und hätte wahrscheinlich am liebsten
       anstelle der Hamas eine palästinensische Miliz im Gazastreifen, die
       vollkommen von der israelischen Armee abhängig ist.
       
       Das ist einer der Gründe, warum die Armee in den letzten Monaten versucht
       hat, solche aufzubauen, etwa die Abu-Shabab-Miliz, eigentlich eine
       kriminelle Bande, die vom Plündern der Hilfslieferungen gelebt hat. Sie
       operiert heute immer noch in Rafah, einem Gebiet, das bis jetzt vollständig
       von der israelischen Armee kontrolliert wird. Diese
       Teile-und-herrsche-Miliz-Politik hat in Israel Tradition. Man erinnere sich
       an die sogenannte Südlibanesische Armee (SLA), einer Marionetten-Miliz der
       israelischen Besatzung, die sich in dem Moment aufgelöst hat, als die
       Besatzung des Südlibanon im Mai 2000 beendet wurde.
       
       Wie es dagegen mit Gaza tatsächlich weitergeht, hat mit einer großen
       Unbekannten zu tun: der Position der USA. Ist sie bereit, sich auf
       israelische Miliz-Spielchen einzulassen? Oder sieht sie doch die
       Notwendigkeit, am Ende eine Zweistaatenlösung durchzusetzen? Oder versucht
       sie sich mit einer Mogelpackung einer länger andauernden internationalen
       Verwaltung des Gazastreifens erst einmal durchzumanövrieren? Die hat nicht
       nur bei den Palästinensern einen kolonialen Geschmack. Da kommen wieder die
       weißen Männer, um in diesem Konflikt die Erwachsenen zu spielen.
       
       Oder erkennen sie doch die Notwendigkeit, für eine nachhaltige Lösung die
       Verwaltung des Gazastreifens so schnell wie möglich in palästinensische
       Hände zu geben? Es sind vor allem die regionalen Vermittlerstaaten, die
       versuchen, Trump in diese Richtung zu drängen. Eine Hamas-Delegation ist in
       Kairo angesagt. Mit im Gepäck soll sie eine Liste haben mit
       palästinensischen Namen, die in einer Technokraten-Regierung die Verwaltung
       des Gazastreifens von der Hamas übernehmen könnten. Die Bedingung aus
       Kairo: Es dürfen keine Hamas-Leute sein.
       
       ## Etwas hat sich verändert
       
       Das Beste, das in der ersten Phase des Gaza-Waffenstillstands geschaffen
       wurde, ist der Mechanismus, durch den vier sehr unterschiedliche Staaten
       ihn überwachen und vor allem auch weiterbringen sollen. Die USA sind der
       wichtigste Pate. Ihre Funktion ist es, zu garantieren, dass Israel sich an
       das Ausgemachte hält, und Trump ist dabei der Durchsetzer gegenüber
       Netanjahu. Doch Trump allein besitzt in der Region und vor allem bei den
       Palästinensern keinerlei Glaubwürdigkeit.
       
       Die bekommt dieser Mechanismus nur durch die drei regionalen Vermittler:
       Ägypten, die Türkei und Katar. Sie haben die Funktion der Drängler
       gegenüber Trump, dass dieser seine Zeit nicht einer kolonialen, sondern
       einer nachhaltigen Lösung widmet, die mit einem palästinensischen Staat
       endet. Sie sind die Instanz, die die Vorstellungen der weißen Männer Trump,
       Rubio, Witkoff und Kushner einem regionalen Realitätscheck unterziehen.
       
       Diese Rolle der Regionalstaaten ist neu in der bisher von den USA
       dominierten Nahost-Diplomatie. Es ist ein Zeichen, dass sich die Welt
       verändert und dass sich gegen die Regionalstaaten im Nahen Osten nichts
       Dauerhaftes durchsetzen lässt. Es zeigt auch, dass die Zeiten vorbei sind,
       in denen man mit Israel als wichtigstem Verbündeten die ganze Region
       kontrollieren konnte. Ob diese Region dem Frieden tatsächlich näher kommen
       wird, wird davon abhängen, ob Trump und seine Nahost-Berater diese neuen
       Zeiten tatsächlich verstanden haben.
       
       21 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Nach-neuer-Gewalt-in-Gaza/!6121889
   DIR [2] /Nahost-Waffenstillstand/!6116300
   DIR [3] /Trotz-Waffenstillstand-in-Libanon/!6121399
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Karim El-Gawhary
       
       ## TAGS
       
   DIR Nahost-Debatten
   DIR Donald Trump
   DIR Gaza-Krieg
   DIR Gaza
   DIR Hamas
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR GNS
   DIR Reden wir darüber
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Israel
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Empathie
   DIR Gaza
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR US-Diplomatie in Israel: US-Vize Vance glaubt noch an Frieden
       
       Hofft auf „Gottes Hilfe“: US-Vizepräsident Vance ist mit einer Delegation
       in Israel. Ziel ist, Druck auf beide Kriegsparteien auszuüben.
       
   DIR IGH-Urteil über Gaza: Israel darf „Aushungern der Zivilbevölkerung nicht als Kriegsmethode nutzen“
       
       Israel muss die volle Versorgung der Palästinenser:innen
       gewährleisten. Das hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag
       entschieden.
       
   DIR +++ Nachrichten im Nahost-Konflikt +++: Leiche von getötetem Deutsch-Israeli identifiziert
       
       Nach der Übergabe durch die Hamas wurde die Identität zweier Toter
       festgestellt. US-Vizepräsident J. D. Vance trifft am Vormittag Israels
       Premierminister.
       
   DIR Nach dem Waffenstillstand in Gaza: Ein Anfang, aber kein Ende
       
       Der Waffenstillstand hält – vorerst. Doch wer den Gazastreifen künftig
       kontrollieren soll, bleibt offen. Was es braucht für einen nachhaltigen
       Frieden.
       
   DIR 7. Oktober 2023: Das Ergebnis einer langen Geschichte
       
       Wie der Hamas-Überfall und Israels Krieg gegen Palästina gesehen werden,
       hängt vom jeweiligen Standpunkt ab. Ein Plädoyer für den historischen
       Blick.
       
   DIR Trumps Friedensplan: Neues Machtspiel oder Ausweg?
       
       US-Präsident Donald Trumps 20-Punkte-Plan verspricht Frieden. Israels
       Premier Netanjahu widerspricht zentralen Inhalten. Und wie reagiert die
       Hamas?