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       # taz.de -- Türkischer Amnesty-Chef Taner Kılıç: Menschenrechtler wieder verhaftet
       
       > Taner Kılıç, Präsident des türkischen Amnesty International, sollte am
       > Mittwoch freikommen. Stattdessen wurde er erneut inhaftiert.
       
   IMG Bild: Taner Kılıç ist einer der engagiertesten Anwälte für Menschenrechte der Türkei
       
       Istanbul/Berlin taz /afp | Der Präsident der türkischen Sektion von Amnesty
       International ist unmittelbar nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis
       erneut festgenommen worden. Wie Amnesty-Vertreter mitteilten, wurde Taner
       Kılıç in der Nacht zum Donnerstag wieder in Polizeigewahrsam genommen. Die
       türkischen Behörden erließen demnach einen neuen Haftbefehl gegen Kılıç,
       dem „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ vorgeworfen wird. Er wird
       den Angaben zufolge in einer Polizeiwache in Izmir im Westen der Türkei
       festgehalten.
       
       Am Mittwoch war Taner Kılıç nach fast zehnmonatiger Inhaftierung zunächst
       freigelassen worden. Seit dem 9. Juni 2017 [1][hatte der 49-Jährige in
       Untersuchungshaft in Izmir gesessen], weil ihm die Staatsanwaltschaft die
       „Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation“ vorwirft und eine
       Haftstrafe von bis zu 15 Jahren fordert.
       
       Kılıç, so der Vorwurf, habe die Handy-App ByLock installiert. Die türkische
       Justiz hält diesen Messenger-Dienst für ein Kommunikationsmittel der
       Bewegung um den Prediger Fetullah Gülen, den die türkische Regierung für
       den Putschversuch im Juli 2016 verantwortlich macht. Der
       Menschenrechtsaktivist [2][Peter Steudtner, der im Oktober freigelassen
       wurde], ist im selben Prozess angeklagt.
       
       Mehrere Amnesty-Kollegen waren nach der Meldung über Kılıç* Freilassung
       nach Izmir geflogen und zum Gefängnis gefahren, um zusammen mit seiner
       Familie seine Freilassung mitzuerleben, wie Amnestys Europadirektorin Gauri
       van Gulik im Kurzbotschaftendienst Twitter erklärte. Stattdessen hätten die
       Amnesty-Vertreter dann beobachtet, dass Kılıç gegen Mitternacht vom
       Gefängnis direkt in eine nahegelegene Polizeiwache gebracht worden sei.
       
       Wie Gulik unter Berufung auf Kılıç' Anwälte erklärte, hatte die
       Staatsanwaltschaft die vom Gericht angeordnete Freilassung angefochten. Die
       Richter hätten den Antrag zwar abgewiesen, dann aber ein anderes Gericht
       über die Untersuchungshaft entscheiden lassen. Die Anwälte wurden den
       Angaben zufolge nicht über die Entscheidung informiert, die Polizei berief
       sich aber auf einen neuen Haftbefehl.
       
       ## Ein engagierter Anwalt
       
       Taner Kılıç hatte 1991 in Izmir sein Jurastudium abgeschlossen und arbeitet
       seit 1993 als Anwalt. Bereits 1999, als er im Vorstand des „Vereins für
       Menschenrechte und der Unterdrückten“ (Mazlum-Der) tätig war, geriet er ins
       Visier der damaligen Regierung. Am 19. Juni 1999 durchsuchte die Polizei
       Büros des Vereins und die Wohnung von Kılıç. Er wurde kurzzeitig
       festgenommen. Weil die Anklage gegen ihn, er verbreite antisäkulare
       Propaganda, nicht fallen gelassen wurde, wandte er sich im Januar 2001 an
       den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), der ihm recht gab.
       
       2002 gründete er gemeinsam mit anderen die türkische Sektion von Amnesty
       International. Lange vor Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs und der
       Ankunft vieler syrischer Geflüchteter in der Türkei beschäftigte sich der
       Anwalt mit dem Thema Flucht. Von 2002 bis 2014 war er deshalb Vorsitzender
       des Vereins „Solidarität mit Geflüchteten“ (Mületci-Der), der sich mit den
       Anliegen jener auseinandersetzt, die Schutz in der Türkei suchen. Auch im
       Vorstand von Amnesty International, dessen Vorsitzender er seit 2014 ist,
       arbeitet Kılıç schwerpunkmäßig zum Thema Flucht und Migration.
       
       Hatice Kılıç, die Ehefrau von Taner Kılıç, sagte nach seiner Festnahme im
       Gespräch mit Amnesty: „All dieses Engagement bewältigt er neben seiner
       Arbeit als Anwalt. Das macht er freiwillig. Er fühlt und lebt diese
       Arbeit.“ Sie habe ihn sogar einmal dabei beobachtet, wie er heimlich
       weinte, als er eine schlechte Nachricht über ein politisches Ereignis las.
       
       Nicht nur Kılıç, sondern die gesamte türkische Sektion von Amnesty
       International wurde in den vergangenen Jahren zur Zielscheibe der
       Regierung, weil sie über die Zerstörungen und Verbrechen durch das
       türkische Militär in den kurdischen Gebieten öffentlich berichtete. Während
       der Gerichtsverhandlung in Izmir sagt Kılıç, die Anklage richte sich eben
       nicht gegen ihn persönlich, sondern gegen Amnesty International. Im selben
       Prozess ist unter anderem auch die Direktorin der türkischen
       Amnesty-Sektion İdil Eser angeklagt. Nächster Verhandlungstag ist der 21.
       Juni.
       
       1 Feb 2018
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Ali Çelikkan
       
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