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       # taz.de -- UN-Hilfskoordinator über Nordsyrien: „Bereiten uns aufs Schlimmste vor“
       
       > Zehntausende Zivilisten in Nordsyrien sind auf der Flucht. Panos
       > Moumtzis, Leiter des UN-Hilfseinsatzes, fordert Zugang zu allen
       > Bedürftigen.
       
   IMG Bild: Eine syrische Familie flieht aus Ras al-Ain in Nordsyrien
       
       Kairo taz | Zwei Tage nach Beginn [1][der türkischen Militäroffensive] in
       Nordsyrien sind nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für
       Menschenrechte mehr als 60.000 Menschen aus dem Kriegsgebiet geflohen.
       Hunderttausende Zivilisten sind nach UN-Angaben unmittelbar in Gefahr. Die
       taz sprach mit Panos Moumtzis, dem UN-Koordinator für humanitäre
       Angelegenheiten in Syrien, über die Folgen für die Zivilbevölkerung.
       
       taz: Herr Moumtzis, Syriens Nordosten ist für internationale
       Hilfsorganisationen [2][kein unbeschriebenes Blatt]. Bereits vor der
       Militäroffensive war die Lage dort nicht einfach. 
       
       Panos Moumtzis: Im Nordosten Syriens leben ungefähr 2,1 Millionen Menschen,
       darunter 400.000 Binnenflüchtlinge, die vor der jüngsten Entwicklung
       vertrieben wurden. Die humanitären Organisationen vor Ort helfen dort
       monatlich ungefähr 800.000 Menschen. Die Hilfslieferungen kommen einerseits
       aus den Gebieten, die von der syrischen Regierung kontrolliert werden,
       andererseits aus dem Irak.
       
       Was erwartet die Menschen vor Ort jetzt? 
       
       Die humanitären Organisationen hoffen auf das Beste, bereiten sich aber auf
       das Schlimmste vor. Wir hoffen, dass nicht noch mehr Menschen vertrieben
       werden und dass wir Zugang zu jenen bekommen, die unsere Hilfe brauchen.
       Humanitäre Organisationen erstellen natürlich immer Notfallpläne.
       
       Zehntausende sollen bereits die Flucht ergriffen haben. Wohin fliehen die
       Menschen? 
       
       Noch ist es zu früh, um zu wissen, wie viele Menschen fliehen und wohin sie
       fliehen. Die meisten scheinen Richtung Süden zu fliehen, also in andere
       Teile Syriens, die von nichtstaatlichen Akteuren kontrolliert werden. Aber
       sie könnten auch Richtung Irak fliehen oder in Gebiete, die von der
       syrischen Regierung kontrolliert werden.
       
       Wichtig ist, dass die lokalen Akteure und das türkische Militär den
       humanitären Organisationen Zugang gewähren und deren Operationen
       erleichtern. Sie müssen den Schutz der Mitarbeiter garantieren, aber vor
       allem auch den Schutz der Menschen, die die Hilfe nötig haben.
       UN-Generalsekretär António Guterres hat gesagt, dass der Schutz der
       Zivilisten gewährleistet sein muss und dass internationales humanitäres
       Recht eingehalten werden muss.
       
       Sind Sie vorbereitet, falls sich die humanitäre Krise ausweitet? 
       
       Bisher können wir die Zahlen managen und haben Operationen und auch
       Lagerkapazitäten vor Ort. Aber was die Finanzierung angeht, sind wir an
       einem kritischen Punkt. Gerade einmal 40 Prozent sind abgedeckt. Diese
       Krise haben wir nicht vorhergesehen in unserer Budgetierung und Planung
       2019. Wir brauchen mehr Finanzierung und mehr Teams vor Ort, sollte das
       länger andauern und eskalieren.
       
       Die Arbeit des UN-Koordinators für humanitäre Angelegenheiten in Syrien
       lässt sich wohl mit Sisyphos vergleichen. Man rollt den Stein den Berg
       hoch, damit er auf der anderen Seite wieder herunterrollt. Wieder ein neuer
       Krieg. 
       
       Was Syrien braucht, ist Frieden und Stabilität. Die Menschen haben genug
       von einem Krieg, der schon viel zu lange dauert. Wir sprechen von acht bis
       neun Jahren Konflikt. Die meisten Syrer haben die Nase einfach voll.
       
       11 Oct 2019
       
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