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       # taz.de -- US-Untersuchungsausschuss zum 6. Januar: Zeugen sehen Schuld bei Trump
       
       > In den USA sprechen Zeugen vor dem Sonderausschuss zur Aufarbeitung des
       > Sturms auf das Kapitol. Sie gehen von einer bewussten Strategie Trumps
       > aus.
       
   IMG Bild: Stephen Ayres und Jason Van Tatenhove am Dienstag vor dem Ausschuss
       
       New York taz | „Kommt nach Washington“, schrieb Donald Trump in einem spät
       nachts versandten Tweet: „Es wird wild werden.“ Knapp drei Wochen später,
       am Stichtag 6. Januar 2021, stürmten Tausende seiner Anhänger das oberste
       Heiligtum der US-Demokratie, das Kapitol.
       
       Angeführt von bewaffneten rechten Milizionären zertrümmerten sie Fenster
       und Mobiliar, schlugen Polizisten zusammen, stellten einen Galgen auf und
       skandierten den Slogan „Hängt (Vizepräsident) Mike Pence!“. Ziel der Aktion
       war es, den Sieg Joe Bidens, dessen Wahl an dem Tag im Kongress feierlich
       bestätigt werden sollte, umzukehren. Fünf Menschen kamen ums Leben.
       Dutzende wurden verletzt.
       
       Eineinhalb Jahre danach weist Trump jede Verantwortung für die Gewalt von
       sich. Aber die [1][Mitglieder des Sonderausschusses des US-Kongresses], der
       das Geschehen des 6. Januar seit Monaten untersucht, sind überzeugt, dass
       der damalige Präsident den Angriff gewollt und langfristig geplant hat.
       
       Sie halten es für erwiesen, dass Trump mit seinem Aufruf gewaltbereite
       rechte Milizionäre wie die Oath Keepers und die [2][Proud Boys] nach
       Washington holen wollte und dass er genau wusste, was er tat, als er sie am
       6. Januar trotz zahlreicher Warnungen stundenlang im Kapitol wüten ließ,
       bevor er zu einem Ende der Aktion aufrief.
       
       ## Ex-Trump-Mitarbeiter sprechen mit Ausschuss
       
       Bei ihrem siebten öffentlichen Hearing lieferten die Ausschussmitglieder am
       Dienstag in Washington neue Vorwürfe gegen den Ex-Präsidenten. Dazu
       verhalfen ihnen Gespräche mit Spitzenrepräsentanten der Trump-Regierung,
       die sich erst jüngst zur Kooperation mit dem Ausschuss entschlossen haben.
       
       Sowohl Ex-Justizminister William Barr als auch Trumps ehemaliger
       Rechtsberater im Weißen Haus, Pat Cipollone, als auch Mitglieder seines
       Wahlkampfteams bestätigten in Video-Aussagen übereinstimmend, Trump habe
       ihren Rat, seine Wahlniederlage einzugestehen, in den Wind geschlagen und
       sich stattdessen mit radikaleren Kräften umgeben.
       
       Nachdem das Wahlleute-College am 14. Dezember für Biden gestimmt und
       nachdem Richter quer durch die USA 60 der 61 von Trump veranlassten
       juristischen Anfechtungen des Wahlergebnisses abgelehnt hatten, erklärten
       ihm die Berater, er habe keinen legalen Weg mehr zu einer zweiten Amtszeit.
       
       Trump sah das anders. Zwei Tage nach der Entscheidung im Wahlleute-College
       empfing er externe Vertraute zu einem abendlichen Treffen im Oval Office –
       darunter Ex-General Michael Flynn, die Anwältin Sidney Powell und den
       damaligen Chef des Möbelunternehmens Overstock.
       
       ## China und Venezuela waren als Sündenböcke im Gespräch
       
       Sie berieten sich mit dem Präsidenten über Möglichkeiten, im Amt zu
       bleiben. Unter anderem erwogen sie, „chinesische und venezolanische
       Einmischungen“ für das Wahlergebnis verantwortlich zu machen und
       Wahlmaschinen in den USA vom Militär beschlagnahmen zu lassen.
       
       Hochrangige Weiße-Haus-Mitarbeiter, die zu dem Treffen stießen, reagierten
       entsetzt. „Wo sind die Beweise?“, fragte Cipollone. Es kam zu Geschrei und
       Beleidigungen. Der Präsident beschimpfte Mitarbeiter „als Weicheicher“ und
       „Feiglinge“. Nachdem sich das Weiße Haus geleert hatte, twitterte er seinen
       Aufruf zu dem „wilden“ 6. Januar.
       
       Am Dienstag wartete der Ausschuss zusätzlich mit zwei Zeugen auf, die für
       die verschiedenen Gruppen von Akteuren stehen, die am 6. Januar im Kapitol
       waren. Der einstige Sprecher der Oath Keepers, Jason Van Tatenhove,
       beschrieb die Bürgerkriegsvorbereitungen der Miliz. „Wir können froh sein,
       dass wir nur wenige Leben verloren haben“, sagte Van Tatenhove.
       
       Er hat sich inzwischen von der rechten Miliz abgewandt und sprach auch von
       seiner Angst vor einem Wahlerfolg Trumps im Jahr 2024: „Die Milizen haben
       eine Vision von Amerika mit Gewalt und Einschüchterung und Lügen“.
       
       ## Für Trump-Anhänger brach eine Welt zusammen
       
       Der zweite Mann im Zeugenstand gehörte nie einer Miliz an. Stephen Ayres
       aus Ohio war ein Wähler von Trump und gläubiger Konsument von dessen Tweets
       und Reden. Am 6. Januar 2021 kam er ohne Gewaltabsicht nach Washington.
       
       „Ich glaubte, dass die Wahlen gestohlen waren“, sagte er. Er glaubte auch,
       dass Trump selbst bei dem Marsch auf das Kapitol dabei sein würde. Nach dem
       Sturm auf das Kapitol hat Ayres „alles“ verloren: seinen Job, sein Haus und
       sein Vertrauen in Trump. Im Herbst droht ihm eine Verurteilung wegen
       Ordnungswidrigkeiten.
       
       Die Mehrheit von Trumps Partei lehnt den Sonderausschuss ab. Die beiden
       einzigen Republikaner in dem Ausschuss werden in ihrer eigenen Partei wie
       Aussätzige behandelt.
       
       Eine von ihnen ist Liz Cheney. Am Ende des siebten öffentlichen Hearings
       wartete sie mit einer neuen Enthüllung über den Ex-Präsidenten auf. Er habe
       versucht, eine Person, die der Ausschuss als Zeuge geladen, aber noch nicht
       gehört habe, anzurufen, sagte sie. Wegen möglicher Zeugenbeeinflussung
       liegt der Vorgang jetzt bei der Justiz.
       
       13 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Anhoerung-zum-Sturm-auf-das-US-Kapitol/!5859756
   DIR [2] /Anklage-nach-Sturm-auf-das-US-Kapitol/!5839788
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dorothea Hahn
       
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