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       # taz.de -- USA greifen Iran an: Frieden predigen, Krieg betreiben
       
       > Nach dem US-Militärschlag gegen Iran kann das Mullahregime kaum
       > reagieren, ohne sich selbst zu schaden. Der Welt droht eine Ausweitung
       > der Kampfzone.
       
   IMG Bild: Was steckt hinter der Drohkulisse des iranischen Regimes? Propagandaplakat in Teheran am Sonntag
       
       Kairo taz | Der US-Eintritt in den Iran-Krieg war schnell in Worte gefasst.
       „Glückwunsch an unsere großartigen amerikanischen Krieger“, schrieb
       US-Präsident Donald Trump in einem Social Media Post in der Nacht auf
       Sonntag, um zu verkünden, dass die USA die iranischen Atomanlagen in Fordo,
       Natans und Isfahan bombardiert haben. „Nun ist es Zeit für Frieden“,
       verkündete er.
       
       Wenige Minuten später lobte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu
       den US-Präsidenten für seine „mutige Entscheidung“ von historischer
       Tragweite. Er habe dem „gefährlichsten Regime die gefährlichsten Waffen der
       Welt“ verwehrt. „Erst kommt Stärke, dann kommt Frieden“, sagte er in einer
       Videobotschaft.
       
       Irans Außenminister Abbas Araghchi sprach dagegen von einer
       „unverzeihlichen Verletzung des Völkerrechts“. „Mein Land wird angegriffen
       und wir müssen darauf antworten, auf der Basis des Rechtes, uns selbst zu
       verteidigen“, ließ er verlauten.
       
       Gleichzeitig spielten die Iraner das Ganze zunächst herunter. Das sensible
       nukleare Material sei ohnehin schon zuvor an andere sichere Orte gebracht
       worden, die Schäden nicht so groß. Im Staatsfernsehen drohte das Regime
       jedoch: „Kein US-Soldat in der Region ist mehr sicher.“
       
       ## Nichts tun, angreifen oder abwarten?
       
       Damit stieß es ins gleiche Horn wie Trump, der in einer kurzen TV-Ansprache
       später nachsetzte: „Entweder wird es Frieden geben oder es eine Tragödie
       für den Iran, die weitaus größer sein wird, als wir es in den vergangenen
       acht Tagen erlebt haben.“ Herunterspielen und gleichzeitig drohen, das
       scheint die Methode, um die Lage nicht weiter zu eskalieren, in der sich
       Trump und die iranische Führung derzeit einig sind.
       
       Dass das nicht den Krieg zwischen Israel und Iran betrifft, wurde wenige
       Stunden später deutlich, als israelische Kampfjets erneut Stellungen im
       Iran angriffen und dieser erneut Raketen in Richtung Israel schickte. Doch
       das ist bisher „more of the same“, also einfach eine Fortführung der
       letzten acht Tage und keine Eskalation.
       
       Das iranische Regime steht dennoch unter Zugzwang und hat jetzt drei
       Möglichkeiten zu reagieren: 1. Nicht zu antworten – ein eher
       unwahrscheinliches Szenario. 2. Sofort mit dem verbliebenen militärischen
       Potenzial zuzuschlagen. Oder 3. Auf den für sie richtigen Zeitpunkt zu
       warten und diese Wartzeit in die Länge zu ziehen. Und vor allem, den
       Konflikt mit Israel und den USA auf die Region auszuweiten.
       
       Eine der schon seit Tagen diskutierten Möglichkeiten wäre ein Angriff auf
       [1][US-Stützpunkte] oder Interessen in der Region. Um die 40.000
       US-Soldaten sind im Irak, im Kuwait, Bahrain, Katar und Saudi-Arabien
       stationiert. Am verwundbarsten sind die Basen im Irak, da diese nicht nur
       von iranischen Raketen, sondern auch am Boden von dem Iran hörigen
       schiitischen Milizen angegriffen werden könnten.
       
       ## Unfallgefahr auf der Straße von Hormus
       
       Schon vor Ende des Angriffs auf Iran wurden alle US-Stützpunkte im Irak in
       Alarmbereitschaft gesetzt. Alles nicht wirklich notwendige Personal war
       dort schon vor dem ersten israelischen Angriff auf den Iran abgezogen
       worden. Auch einige Kriegsschiffe sollen die US-Marinebasis in Bahrain
       verlassen haben, um kein einfaches Angriffsziel zu bieten. Nicht von
       Bunkern geschützte Flugzeuge wurden zu sicheren Basen geflogen.
       Gleichzeitig bekommen die US-Truppen Verstärkung zur See. Der
       US-Flugzeugträger Carl Vinson ist auf dem Weg zum Golf, die Nimitz, ein
       zweiter Flugzeugträger, soll dort in wenigen Tagen eintreffen.
       
       Doch die wirkliche Trumpfkarte in den Händen der iranischen Führung ist die
       Sperrung der für den globalen Energiemarkt wichtigen [2][Straße von Hormus]
       am arabisch-persischen Golf, durch die mindestens 20 Prozent des weltweit
       verbrauchten Öls und Flüssiggases verschifft wird. Der Iran könnte dort
       Schiffe beschießen oder die Meerenge verminen und sie so de facto dicht
       machen. Zusätzlich könnte die iranische Führung die Huthis im Jemen
       anweisen, verstärkt die Schifffahrt im Roten Meer anzugreifen. Beides hätte
       ernsthafte Folgen für den Welthandel.
       
       Eine andere Möglichkeit wäre, strategisch wichtige Ölanlagen in der Region
       anzugreifen, entweder selbst oder mithilfe der Huthi-Miliz. Das wäre ein
       Déjà-vu von [3][2019, als zwei zentrale Ölanlagen] der saudischen Ölfirma
       Aramco in Abqaiq und Khurais durch Drohnen und Marschflugkörper vom Jemen
       aus angegriffen worden waren. Damals war die saudische Ölproduktion über
       Nacht um etwa die Hälfte ausgefallen. Der Ölpreis stieg am Tag darauf um 20
       Prozent.
       
       Iran könnte so den globalen Ölhandel massiv stören und den US-Angriff für
       alle schmerzhaft machen. Doch zwischen dem letzten Angriff auf saudische
       Ölanlagen und heute liegt eine diplomatische Annäherung zwischen den
       einstigen Erzrivalen Iran und Saudi-Arabien.
       
       ## Mit den Saudis nicht verderben
       
       Dieser [4][von China vermittelte Prozess] hatte im Frühjahr 2023 dazu
       geführt, dass die beiden Länder wieder diplomatische Beziehungen
       aufgenommen hatten und dass Stellvertreterkonflikte in der Region,
       beispielsweise im Jemen, entschärft wurden. Mit einem Angriff auf saudische
       Ölanlagen würde die iranische Führung diesen für sie wichtigen Ausgleich in
       der unmittelbaren Nachbarschaft aufs Spiel setzen.
       
       Saudi-Arabien hatte die ursprünglichen israelischen Angriffe auf Iran als
       „eine Verletzung des Völkerrechts“ verurteilt. Den jetzigen US-Angriff auf
       die iranischen Atomanlagen sieht das Außenministerium in Riad „mit großer
       Sorge“.
       
       Zudem kann der Iran aus dem Atomwaffensperrvertrag aussteigen. Das wäre
       auch eine Karte in der Hand der iranischen Führung, falls es doch wieder zu
       Verhandlungen kommt. Der Sperrvertrag hat bisher der Internationalen
       Atomenergiebehörde IAEA in Wien die Möglichkeit gegeben, das iranische
       Nuklearprogramm zumindest teilweise zu überwachen und zu kontrollieren, um
       bei einer militärischen Nutzung Alarm zu geben.
       
       Er stünde in einem solchen Fall gleichauf mit Israel, der bisher einzigen
       Atommacht im Nahen Osten. Es gibt nur Schätzungen über die Anzahl
       israelischer atomarer Sprengköpfe. Das [5][Internationale Institut für
       Strategische Studien in London] hatte sie 2009 auf 200 Sprengköpfe
       geschätzt. Andere Beobachter sprechen sogar von 400. Anders als Iran hat
       Israel den Atomwaffensperrvertrag nie unterzeichnet.
       
       22 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Milit%C3%A4rbasen_der_Vereinigten_Staaten_im_Ausland
   DIR [2] /Die-Strasse-von-Hormus/!5615409
   DIR [3] /Angriff-in-Saudi-Arabien/!5626119
   DIR [4] /Annaeherung-von-Iran-und-Saudi-Arabien/!5926826
   DIR [5] https://de.wikipedia.org/wiki/Internet_Archive
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Karim El-Gawhary
       
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