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       # taz.de -- Überraschung bei French Open: Furchtlos im Dschungel
       
       > Die erst 19 Jahre alte Polin Iga Swiatek gewinnt das Finale der French
       > Open. Das Geheimnis der Tennisspielerin: die Arbeit mit einer
       > Sportpsychologin.
       
   IMG Bild: Pokalheldin in Paris: Die Polin Iga Swiatek posiert vorm Eiffelturm
       
       Köln taz | Wenn es noch leisen Zweifel gegeben hätte, dass ein forscher
       Wind durchs Frauentennis zieht, dann hat es sich damit nach dem letzten
       Grand-Slam-Turnier des Jahres erledigt. Der Sieg der 19 Jahre alten Iga
       Swiatek bei den [1][French Open] in Paris gegen die US-Amerikanerin Sofia
       Kenin (6:4, 6:1) steht wie ein Ausrufezeichen in der Herbstlandschaft, er
       ist nicht zu übersehen.
       
       Den Anfang hatte Naomi Osaka aus Japan vor zwei Jahren in New York gemacht,
       danach folgten die Australierin Ashleigh Barty (Paris, 19), Bianca
       Andreescu aus Kanada (New York, 19), Kenin (Melbourne, 20) und schließlich
       zum dritten Mal Osaka (New York, 20), allesamt aus einer neuen Generation,
       die nicht nur kräftig an Stühlen rüttelt, sondern auf einigen dieser Stühle
       schon überzeugend sitzt.
       
       Nun ist es nicht so, dass die Welt des Tennis den Namen Swiatek vorher noch
       nicht wahrgenommen hätte. Die Polin gehörte zu den besten Juniorinnen,
       gewann 2018 in Wimbledon, hatte in diesem Jahr bei den Australian Open im
       Januar das Achtelfinale und kürzlich bei den US Open die dritte Runde
       erreicht. Mit ihrem gefährlichen Drall in den Schlägen, modelliert nach dem
       Vorbild von Rafael Nadal, den sie bewundert und verehrt, mit dem Blick für
       die Situation und bemerkenswertem Instinkt zeichnete sich schon eine Weile
       ab, was da im Geschenkkorb fürs Frauentennis lag.
       
       Doch gute Schläge haben viele, und manche spielen auch schlau, aber das
       genügt nicht mehr. Iga Swiatek sagt, sie könne sich nicht mehr erinnern,
       warum sie ziemlich früh auf die Idee gekommen sei, mit einer
       Sportpsychologin zu arbeiten; ihre Eltern hätten damals nichts davon
       gehalten, aber sie habe sich durchgesetzt. Diese Psychologin, Daria
       Abramowicz, einst Seglerin, gehört seither nicht nur fest zum Team, sie ist
       auch bei den Turnieren dabei, und wie nahe sich die beiden stehen, konnte
       man der Umarmung ein paar Minuten nach dem Matchball entnehmen.
       
       Den Weg rauf auf die Tribüne, wo ihre Leute standen, hätte die Siegerin
       fast nicht gefunden – der einzige Weg zu irgendeinem Ziel an diesem Tag,
       bei dem sie kurz die Orientierung verlor. [2][Daria Abramowicz] habe sie
       schlauer gemacht, sagt Swiatek. „Ich weiß mehr über Sport, ich weiß mehr
       über Psychologie, ich kann meine eigenen Gefühle verstehen, und ich kann
       für alle hörbar über diese Gefühle reden.“ Es war beiden ein Bedürfnis,
       darauf hinzuweisen, der Triumph sei ein perfekter Beitrag am Welttag für
       psychische Gesundheit gewesen.
       
       ## Sie ist die Ruhe selbst
       
       Das Gefühl, sie sei nicht aus der Ruhe zu bringen, hatte auch Sofia Kenin,
       die eine Weile lang sehenswert mithielt, im zweiten Satz aber nach einer
       Oberschenkelverletzung sichtlich nicht mehr voll bei Kräften war. Den Sieg
       der Debütantin aus Polen konnte Kenin nicht mehr verhindern, und natürlich
       flossen ein paar Tränen hinterher; manchmal weint sie ja sogar während
       eines Spiels, selbst wenn sie gewinnt. Mit dem Sieg bei den Australian
       Open und dem Finale in Paris gehört die Amerikanerin ohne Frage zu den
       prägenden Figuren eines komplizierten Jahres.
       
       Sie sieht sich mittendrin in jener Generation, die das Frauentennis seit
       gut zwei Jahren aufmischt. Es sei immer gut, findet Kenin, jungen Leute
       dabei zuzusehen, wie sie die ältere Generation herausforderten und die
       Macht übernähmen, und genau das passiere im Moment. Naomi Osaka fehlte in
       Paris, aber sie war in Gedanken auch deshalb bei der Sache, weil sie mit
       Iga Swiatek extrem gut kann.
       
       Während des Endspiels zitterte sie mit, hinterher ließ sie wissen: „Mein
       Mädchen hat’s tatsächlich geschafft“, und man kann davon ausgehen, dass die
       beiden demnächst auch gegeneinander um große Titel spielen werden. Wo in
       dieser Geschichte einer Evolution in Zukunft der Platz für die anderen sein
       wird, die jetzt Ende 20 oder wie Serena Williams sogar Ende 30 sind, das
       wird spannend zu beobachten sein.
       
       In Polen ist angesichts der Erfolge von Swiatek natürlich der Teufel los,
       acht Jahre nach dem Auftritt von Agnieszka Radwanska im Finale von
       Wimbledon. Radwanska, genannt Aga, schlich auf feinen, leisen Sohlen über
       den Platz. Iga Swiatek kommt eher handfest daher, passend zur Musik, die
       sie in Paris auf dem Weg ins Spiel immer auf den Ohren hatte: Guns n’
       Roses, Welcome to the Jungle.
       
       11 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Viertelfinale-French-Open-im-Tennis/!5716019
   DIR [2] https://tennistonic.com/tennis-news/200238/who-is-iga-swiatek-sports-psycologist-daria-abramowicz-kenin-next/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Doris Henkel
       
       ## TAGS
       
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