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       # taz.de -- Ukrainischer Vormarsch auf Russland: Die Schlacht bei Kursk
       
       > Die ukrainischen Truppen sind bei ihrer Offensive weit auf russisches
       > Territorium vorgerückt. Der Erfolg ist Ergebnis der neuen Mobilisierung.
       
   IMG Bild: Von der Ukraine neu rekrutierte Soldaten im Training
       
       [1][Nach dem Vorstoß ukrainischer Truppen in das russische Gebiet Kursk]
       dauern die Kämpfe in der Grenzregion nach Angaben aus Russland den dritten
       Tag in Folge an. Die Washingtoner Denkfabrik Institute for the Study of War
       teilte am Mittwoch mit, dass die ukrainischen Truppen bis zu zehn Kilometer
       auf russisches Territorium vorgedrungen seien.
       
       Das ist ein bemerkenswerter taktischer Erfolg für die Ukraine. Ein
       Wendepunkt im Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt, ist es den
       meisten Militärexperten zufolge allerdings nicht. Von einer Wiederholung
       der „Schlacht bei Kursk“ 1943 im Zweiten Weltkrieg kann also keine Rede
       sein. Ein Misserfolg des russischen Aggressors ist es dennoch. Die
       russische Seite hat offenbar Fehler gemacht – und zwar weniger die
       kämpfenden Einheiten als vielmehr die Nachrichtendienste und die
       Spionageabwehr.
       
       Die ukrainischen Truppen sind weiter auf russisches Territorium vorgerückt,
       als die russische Seite bei der [2][Offensive auf Charkiw] im Mai und Juni
       gekommen war. Die Reaktion des russischen Militärs kann man nicht gerade
       als blitzschnelle, vernichtende Antwort bezeichnen. Trotzdem bleibt die
       Lage an der gesamten Front für Kyjiw ernst, sowohl im Gebiet Sumy im Norden
       als auch im südlicheren Donezk.
       
       ## Größte Geheimhaltung
       
       Bislang gibt es keine Informationen darüber, dass sich die russische
       Infanterie und andere Einheiten von der Front zurückzögen, um sie in die
       Region Kursk zu verlegen und dort die ukrainischen Invasoren auszuschalten.
       In Anbetracht der russischen Luftüberlegenheit dürften aber die nächsten
       Tage für die ukrainischen Einheiten in der Region Kursk nicht leicht
       werden.
       
       Die ukrainische Militäroperation wurde offenbar unter größter Geheimhaltung
       auch vor den westlichen Verbündeten vorbereitet. Das zeigt sich auch in der
       etwas überraschenden Erklärung der amerikanischen Regierung: die nämlich
       hat die Führung in Kyjiw um Informationen über die Offensive gebeten. Zu
       verdanken ist sie in erster Linie dem [3][neuen ukrainischen
       Online-Mobilisierungssystem]. Jeder Wehrpflichtige muss sich dabei selbst
       in eine Datenbank eintragen. Tut er das nicht oder erscheint nicht
       rechtzeitig zur Musterung, macht er sich strafbar.
       
       Dadurch hat sich die Zahl einsatzfähiger Soldaten offenbar erhöht. Den
       Behörden zufolge gibt es erstmals wieder ausreichend Nachschub an Kämpfern.
       Erstmals halten sie es perspektivisch für möglich, diejenigen, die seit
       mehr als zwei Jahren an der Front sind, gegen neue Rekruten auszutauschen.
       
       Kämpfte man im Juni noch mit akutem Personalmangel, können sich die
       ukrainischen Streitkräfte jetzt eine öffentlichkeitswirksame
       Ablenkungsaktion leisten, mit der sie den Gegner demoralisieren und
       gleichzeitig die Stimmung im eigenen Land heben. Umfragen zufolge ist die
       Zahl der Ukrainer, die sich für Verhandlungen über einen Waffenstillstand
       zwischen Kyjiw und Moskau aussprechen, so hoch wie noch nie seit
       Kriegsbeginn und nähert sich langsam der Fünfzig-Prozent-Marke.
       
       ## Drohnenangriffe und Stromausfall
       
       Mit dem aktuellen Angriff auf die Region Kursk will Präsident Wolodymyr
       Selenskyj seinem Volk zeigen, dass die Ukraine vorankommen und die
       russischen Angreifer zumindest aus einem Teil der von ihnen bisher
       besetzten Gebiete vertreiben kann. So war das milliardenschwere
       US-Militärhilfepaket nicht der einzige wichtige Schritt auf dem Weg der
       ukrainischen Armee, aus der Unterlegenheit herauszukommen.
       
       Auch die Drohnenkoalition, in der die europäischen Partner der Ukraine eine
       bedeutende Rolle spielen, stärkt Kyjiw weiter. Erst vor wenigen Tagen
       berichteten Nachrichtenportale diesbezüglich von einer Wende zugunsten der
       sich verteidigenden Ukraine. Im Juli wurde das Land von 426
       [4][Shahed-Drohnen] aus Russland angegriffen.
       
       Im gleichen Zeitraum schoss die Ukraine mehr als 520
       Langstrecken-Angriffsdrohnen auf Russland ab. Die russischen Drohnen zielen
       vor allem auf die ukrainische Energieinfrastruktur. Die Ukrainer ihrerseits
       konzentrieren sich darauf, Flugplätze und Ölraffinerien in Russland zu
       zerstören.
       
       Ein Mitarbeiter der Staatlichen Universität Kursk sagte der taz: „Zwei-,
       dreimal täglich gibt es hier Luftalarm, nachts noch ein paarmal mehr.“
       Fensterscheiben klirrten, Alarmanlagen der Autos heulten. Auch die
       Fernsehübertragung werde durch den Luftalarm und die Aufforderung, sich in
       Sicherheit zu bringen, unterbrochen. Das Internet falle während des Alarms
       aus.
       
       Der Krieg hat nun in voller Härte russisches Territorium erreicht. Das, was
       die westlichen Staaten mit ihrer Unentschlossenheit und der unzureichenden
       militärischen Unterstützung Kyjiws in den ersten beiden Kriegsjahren
       verhindern wollten – eine Ausweitung des Blutvergießens über die
       ukrainischen Grenzen hinaus –, ist Wirklichkeit geworden.
       
       Laut russischem Verteidigungsministerium hinderten russischen Streitkräfte
       die ukrainischen Einheiten am Donnerstag daran, tiefer in der Region Kursk
       vorzudringen. Kremlchef Wladimir Putin bezeichnete den ukrainischen Vorstoß
       am Mittwoch als eine „groß angelegte Provokation“. Ukrainische
       Regierungsvertreter haben sich bisher nicht zum Umfang der Operation rund
       um den Ort Sudscha geäußert. Es ist nicht möglich, die russischen Angaben
       unabhängig zu prüfen.
       
       Aus dem Russischen: Gaby Coldewey
       
       8 Aug 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Alexander Gogun
       
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