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       # taz.de -- Umfrage zu Klimaaktvismus: Wer schadet dem Klimaschutz?
       
       > Laut einer Umfrage ist die Zustimmung zur Klimabewegung deutlich
       > gesunken. Der Protest der Letzten Generation spielt dabei eine Rolle.
       
   IMG Bild: Stau auf der Autobahn gehört zum Ferienbeginn dazu
       
       Während Sie vielleicht entspannt bei Kaffee und Frühstücksei diesen Text
       lesen, befindet sich der gefühlte Rest des Landes gerade im Stau. Von der
       A1 bis zur A99 stehen Autos dicht an dicht und hoffen, dass sich etwas
       bewegt. Vielerorts ist Stillstand, quasi ein Land lahmgelegt. Der große
       mediale Aufschrei und empörte Kommentare in den Medien wird es in der Folge
       wohl trotzdem nicht geben. Denn der Grund für die Superstaulage am
       Wochenende sind keine Protestaktionen der Letzten Generation, sondern
       Ferienstart und -ende in vielen Bundesländern. Kein Grund, sich aufzuregen
       also.
       
       Bei der [1][Letzten Generation] ist es dagegen relativ egal, was sie tun,
       es gibt immer einen Grund sich aufzuregen. Kartoffelbrei auf einem Gemälde,
       das durch ein Glas geschützt ist? Skandal! Eine Blockade an einer Berliner
       Kreuzung. Geht’s noch? Öl auf dem Grundgesetz-Denkmal? Terrorismus! Wer die
       Debatten um die radikale Klimabewegung verfolgt, bekommt den Eindruck, sie
       sei Staatsfeind Nummer eins. Dieser Tage verbreitet sich ein neues
       Narrativ: Die Letzte Generation schadet dem Klimaschutz.
       
       Anlass für diese Erzählung ist [2][eine Umfrage] zur Unterstützung für die
       Klima- und Umweltbewegung in Deutschland, die die [3][NGO „More in Common“]
       kürzlich veröffentlicht hat. Die Onlineumfrage unter etwa 2.000 nach
       soziodemografischen Kriterien ausgewählten Erwachsenen wurde im Mai 2023
       vom Meinungsforschungsinstitut Kantar Public durchgeführt und mit Daten aus
       dem Jahr 2021 verglichen. Ein Blick in die Ergebnisse offenbart: Dass die
       Letzte Generation dem Klimaschutz schadet, lässt sich aus den Daten gar
       nicht ablesen.
       
       Die Umfrage ist eine Momentaufnahme und besagt: Die Zustimmung zur Umwelt-
       und Klimabewegung ist deutlich gesunken. 2021 haben noch 68 Prozent der
       Befragten ihre grundsätzliche Unterstützung bekundet, im Mai 2023 waren es
       nur noch 34 Prozent. Interessant ist, dass vor zwei Jahren vor allem
       Fridays for Future mit ihren Streiks und Großdemonstrationen im medialen
       Fokus stand, heute ist es die Letzte Generation. Grund für den Rückgang der
       Zustimmung sind beispielsweise eine wenig „verständliche Sprache“ der
       Bewegung, aber vor allem die Protestaktionen, insbesondere die
       Straßenblockaden der Letzten Generation stoßen auf Ablehnung. 85 Prozent
       der Befragten finden, dass die Klimabewegung „häufig in ihren
       Protestaktionen zu weit“ gehe.
       
       ## Zustimmung in der breiten Bevölkerung
       
       Mit „zu weit gehen“ meinen die Befragten vermutlich, dass sie genervt sind,
       wenn sie im Stau stehen. Oder, noch wahrscheinlicher, dass sie von der Idee
       genervt sind, dass ihnen das passieren könnte. Denn wie viele Menschen sind
       tatsächlich betroffen von den Aktionen? Wie viele standen schon im Stau
       wegen einer Klebeaktion? Ein ganzes Land haben die Aktivist_innen auf jeden
       Fall noch nicht lahmgelegt.
       
       Die Umfrage zeigt auch, dass es eine große Zustimmung zu mehr Klimaschutz
       in der breiten Bevölkerung gibt. Dass die radikale Klimabewegung also dem
       Klimaschutz schade, lässt sich so nicht sagen. Radikale Protestformen sind
       zwar unbeliebt, führen aber nicht dazu, dass die Menschen weniger
       Klimaschutz möchten. Das unterstreicht auch noch einmal eine andere
       [4][aktuelle Studie des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung].
       
       Trotzdem ist nun für viele klar: So kann es nicht weitergehen, die Letzte
       Generation muss sich anpassen. Die Bürger_innen an die Hand nehmen und mit
       sanften Worten durch die Krise begleiten, Mehrheiten organisieren,
       verständlich und transparent kommunizieren, um alle im Land mitzunehmen.
       Warum aber sollte die radikale Klimabewegung das tun?
       
       ## Ohne Druck passiert nichts
       
       Es ist nicht das Ziel der Letzten Generation, einen Beliebtheitswettbewerb
       zu gewinnen. Die Forderungen, die die Bevölkerung an die Aktivist_innen
       stellt, sollte sie besser an die Politik adressieren. Denn deren Aufgabe
       ist es, schnelle und wirksame Klimaschutzmaßnahmen sozial verträglich und
       verständlich umzusetzen. Da das nicht passiert, setzt die Letzte Generation
       mit ihrem zivilen Ungehorsam letztlich auf Erpressung. Sie sagen: Wir
       stören so lange den Alltag, bis der Politik nichts anderes übrig bleibt,
       als zu handeln. Denn ohne Druck scheint hier nichts zu gehen.
       
       Um erfolgreich zu sein, brauchen sie die Zustimmung aus der Bevölkerung
       also nicht. Dass dieser Weg erfolgreich sein kann, zeigen Protestbewegungen
       aus der Vergangenheit, die ohne großen Rückhalt aus der Gesellschaft
       enormen gesellschaftlichen Fortschritt erzielt haben. Ein besonderes
       Beispiel hierfür ist die Bürgerrechtsbewegung der 50er und 60er in den USA.
       
       Die aktuelle Umfrage verrät am Ende mehr über unsere Bevölkerung als über
       den Zustand der Klimabewegung. Die Befragten sagen zwar, sie wollen mehr
       Klimaschutz, doch nur solange er abstrakt bleibt. Sobald es um konkrete
       Maßnahmen, Einsparungen und Verhaltensänderungen geht, sinkt die Lust. Die
       Letzte Generation führt ihnen mit ihren Störaktionen vor Augen, dass es so
       nicht geht. Unser aller Alltag ist es, der sich verändern muss.
       
       ## Nicht in Protestkritik verharren
       
       Anstatt diese Erkenntnis in Wut auf die untätige Politik umzuwandeln,
       verharren die Menschen in ihrer Wut auf die Aktivist_innen. Und die schlägt
       sich in immer heftigerer Form nieder. Erst diesen Monat wurde [5][ein
       Aktivist in Stralsund von einem Lkw angefahren], aktuell ermitteln Behörden
       in 142 Fällen wegen Angriffen auf die Klimaaktivist_innen.
       
       Wir wissen noch nicht, welchen Erfolg die Letzte Generation mit ihrem
       Protest für den Klimaschutz haben wird. Wer aber glaubt, einen besseren Weg
       zu kennen, wie die Politik dazu gebracht werden kann, sozialverträgliche
       Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen, sollte nicht in Protestkritik verharren,
       sondern anfangen, sich selbst zu bewegen.
       
       28 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Repression-gegen-die-Letzte-Generation/!5945125
   DIR [2] /Umfrage-zu-Klimaaktivisten/!5951393
   DIR [3] https://www.moreincommon.de/klimabewegung/
   DIR [4] https://www.wzb.eu/de/pressemitteilung/wenig-unterstuetzung-fuer-radikale-klimaproteste
   DIR [5] /Klimaaktivistin-von-Lkw-angefahren/!5946680
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Carolina Schwarz
       
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