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       # taz.de -- Umstrittener Autobahndeckel in Hamburg: Deckel drauf
       
       > Hamburg will vierten Autobahnabschnitt überdeckeln. Die Trasse
       > zerschneidet den Stadtteil Wilhelmsburg. Der Naturschutzbund kritisiert
       > den Ausverkauf der Natur
       
   IMG Bild: So grün kann eine Autobahn sein: A26-Deckel mit Aus- und Auffahrten in Wilhelmsburg. Auf den dunklen Flächen sollen Wohnungen entstehen
       
       HAMBURG taz | Alles unter dem Deckel zu halten kommt immer mehr in Mode.
       Hamburg will jetzt als erste Stadt in Deutschland einen vierten
       Autobahnabschnitt mit einem Betondeckel überbauen. Damit könnte die
       Hansestadt auf mehr als fünf Kilometern Länge neue Grünanlagen und
       Kleingärten schaffen sowie an den lärmberuhigten Rändern der Trassen neue
       Wohngebiete schaffen. Der neueste Plan, den die Verkehrsbehörde jetzt
       vorstellte, betrifft den Verlauf der Autobahn A26 im Süden des Stadtteils
       Wilhelmsburg, der größten Flussinsel Europas zwischen Norder- und
       Süderelbe.
       
       Etwa 1,5 Kilometer der sogenannten Hafenpassage (siehe Kasten) sollen nun
       doch unterirdisch verlaufen. Die entsprechende Vorplanung präsentierte die
       Verkehrsbehörde nun auf einer Bürgerversammlung vor Ort. Eine bisher
       vorgesehene Unterführung von 390 Metern Länge soll nun auf 1.480 Meter
       verlängert werden. Von diesem Deckel hänge die Akzeptanz des Projekts im
       Stadtteil ab, räumt Verkehrsstaatsrat Andreas Rieckhof (SPD) ein.
       
       Die seit Jahren diskutierte Hafenpassage ist heftig umstritten. Für eine
       „ökologische Katastrophe“ sowie verkehrstechnisch unsinnig halten
       Anwohner-Initiativen und Umweltschützer die Pläne. Die Autobahn werde
       zusätzlichen Verkehr erzeugen, fürchten sie. Zudem beschneide sie wie ein
       Riegel die Entwicklungsmöglichkeiten Wilhelmsburgs nach Süden, kritisierte
       der Verein „Zukunft Elbinsel“.
       
       ## Ausbau gilt als alternativlos
       
       Auch gebe es auf der Trasse „verschiedene stark betroffene Naturräume“, hat
       der Naturschutzbund (Nabu) nachgewiesen. Sie würde Lebensräume mit 53
       Pflanzen- und zwölf Brutvogelarten der Roten Liste zerstören. Der Nabu
       bevorzugt deshalb eine Nordvariante über eine neu zu bauende
       Köhlbrandbrücke, denn das Wahrzeichen Hamburgs muss spätestens in den
       2030er-Jahren ohnehin ersetzt werden. Die Nordvariante aber sei
       „verkehrlich und wirtschaftlich weniger sinnvoll“, sagt Staatsrat Rieckhof.
       Der Nabu aber hält daran fest, dass die Südtrasse „die umweltschädlichste
       überhaupt“ ist – und schließt Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss
       nicht aus. Der dürfte jedoch kaum vor 2021 vorliegen.
       
       Die neuen Pläne sehen nun vor, nach dem Vorbild der Autobahndeckel auf der
       A7 auch die Hafenpassage in Wilhelmsburg zu überdachen. Zwischen dem
       Elbtunnel und der Landesgrenze zu Schleswig-Holstein wird die Autobahn auf
       sechs bis zehn Fahrspuren erweitert. Mit täglich mehr als 150.000
       Fahrzeugen wird die Kapazität der Strecke zurzeit rechnerisch um 51 Prozent
       überschritten; der Ausbau, der im vorigen Jahr bereits begonnen wurde, gilt
       als alternativlos.
       
       Für den dann erforderlichen Lärmschutz für die Anwohner sollen drei Deckel
       mit zusammen 3.735 Metern Länge sorgen. Durch die Begrünung der Deckel
       werden zugleich die in den 1970er-Jahren durch den Autobahnbau
       zerschnittenen Stadtteile wieder zusammengeführt und 25 Hektar neue Grün-
       und Freizeitflächen geschaffen. So soll ein durchgehender Grünzug vom
       Altonaer Volkspark bis ans Elbufer im Touristen-Hotspot Övelgönne
       entstehen.
       
       Durch Verlagerung von Kleingärten auf den Deckel sollen auf deren
       bisherigen Flächen mehr als 2.000 Wohnungen entstehen. Mit den Erlösen aus
       den Grundstücksverkäufen will die Stadt Hamburg ihren Anteil von 167
       Millionen Euro an den Deckelkosten subventionieren. Den Löwenanteil trägt
       ohnehin der Bund, schließlich handelt es sich um Lärmschutz an einer
       Bundesautobahn.
       
       Nach diesem Vorbild soll nun auch im Süden Wilhelmsburgs verfahren werden,
       um fast 50.000 Anwohner vor zusätzlichem Lärm zu schützen. Mehr als 1.300
       Einwendungen waren gegen die ersten, vor einem Jahr vorgestellten
       Planungen, eingegangen; im Oktober hatte ein Gutachten im Auftrag der
       Anwohner die Deckellösung skizziert, der sich nun die Verkehrsbehörde
       anschließt. Allerdings müsse er beim Bund „noch Überzeugungsarbeit
       leisten“, vermutet Rieckhof.
       
       ## Nabu befürchtet Trickserei des Senats
       
       Die Mehrkosten für den Bau in Höhe von vermutlich etwa 200 Millionen Euro
       will Hamburg nach bewährtem Muster aufbringen: Der Deckel wird begrünt, am
       Rande des Ortsteils Kirchdorf-Süd sollen etwa 16 Hektar als Grundstücke
       erschlossen werden.
       
       Das aber ruft erneut den Nabu auf den Plan, denn zumindest ein Teil dieser
       Flächen sind als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Mit dem Deckel
       versuche die Stadt, „sich die Gunst der Anwohner auf Kosten der Umwelt zu
       erkaufen“, vermutet Nabu-Umweltexperte Malte Siegert. „Da wird mal wieder
       die Natur gegen das Wohnen ausgespielt“, so sein Vorwurf.
       
       Und Siegert schließt sogar eine üble Trickserei des Senats nicht aus. Im
       Westen der Hafenpassage bei Moorburg hätten die Planer eine angedachte
       Unterführung mit Hinweis auf den zu hohen Grundwasserspiegel in dem
       Marschgebiet wieder aufgegeben. Das könnte auch in Wilhelmsburg drohen,
       befürchtet Siegert. Wenn beim Bau des Tunnels festgestellt werde, dass das
       Gelände dafür zu weich sei, hätten die Anwohner das Nachsehen: „Dann haben
       sie die Piste vor der Nase.“
       
       12 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven-Michael Veit
       
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