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       # taz.de -- Umweltressort kritisiert Agrarministerin: „Klöckner blockiert Insektenschutz“
       
       > Die CDU-Politikerin blockiere vom Kabinett schon lange vereinbarte
       > Pestizidverbote, sagt das Umweltressort. Klöckner warnt vor Verlusten für
       > Bauern.
       
   IMG Bild: Schlecht für Insekten: Traktor spritzt Pestizide auf einem Feld
       
       Berlin taz | Das Bundesumweltministerium und Naturschutzverbände werfen
       Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) vor, den Kampf gegen das
       [1][Insektensterben] zu blockieren. Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth
       kritisiert in einem internen Vermerk seines Ressorts eine „Totalblockade
       durch Bundesministerin Klöckner gegen jedweden Fortschritt beim
       gesetzlichen Insektenschutz und bei der Beschränkung von schädlichen
       Pflanzenschutzmitteln“ wie beispielsweise Glyphosat. Ähnlich äußerten sich
       am Mittwoch Expert*innen von Greenpeace, Naturschutzbund und BUND im
       Gespräch mit der taz.
       
       Gemeinsam mit dem gesamten Bundeskabinett hatten Klöckner und
       Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) im September 2019 das
       [2][Aktionsprogramm Insektenschutz] beschlossen. Es sieht unter anderem
       vor, in Naturschutzgebieten ab 2021 Unkrautvernichtungsmittel und bestimmte
       Insektengifte zu verbieten. In ganz Deutschland sollte das besonders weit
       verbreitete Glyphosat nur noch bis Ende 2023 eingesetzt werden dürfen.
       
       Solche Ackergifte töten Insekten oder Nahrung für sie. Das ist ein Grund,
       weshalb viele Arten auszusterben drohen. Als Bestäuber von Pflanzen und
       Beute für Vögel sowie andere Tiere haben Insekten jedoch wichtige
       Funktionen im Ökosystem.
       
       Zuständig für das Pestizidrecht ist Klöckner. Aber zur Umsetzung des
       Kabinettsbeschlusses, klagt Umweltstaatssekretär Flasbarth, habe ihr
       Ministerium „bislang Folgendes geliefert: nichts“. Tatsächlich hat die
       CDU-Politikerin bisher keine Verordnungen etwa zu den Pestizidverboten in
       Naturschutzgebieten vorgelegt. Dabei sollten sie schon im kommenden Jahr in
       Kraft treten.
       
       Stattdessen blockiert sie nun auch den Teil des Insektenschutzprogramms,
       für den das Umweltministerium die Federführung beansprucht: den
       Gesetzentwurf, mit dem Schulze insektenschädliche Lichtquellen reduzieren
       und pestizidfreie Randstreifen von Äckern vergrößern will.
       
       Für Letzteres sei das Agrarministerium zuständig, schrieb Klöckner
       vergangene Woche dem Bundeskanzleramt. Schulzes Entwurf fehle eine
       „angemessene Berücksichtigung der berechtigten Belange der Landwirtschaft“.
       „Dies ist nicht im Interesse meines Ressorts und der Union“, so Klöckner.
       Die Bundesregierung müsse „sehr genau abwägen“, welche weiteren Belastungen
       sie den Bauern noch zumuten könne, die schon unter der Coronakrise, der
       Afrikanischen Schweinepest oder dem verschärften Düngerecht litten.
       
       ## Angst vor wütenden Bauern
       
       Um die Jahreswende 2019/20 herum [3][hatten Zehntausende Bauern] der
       [4][Bewegung „Land schafft Verbindung“] unter anderem [5][gegen das
       Insektenschutzprogramm demonstriert]. Und das, obwohl das Agrarministerium
       damals noch selbst argumentierte, dass es bei den Pestizidverboten [6][nur
       um wenige Gifte und 158.000 Hektar Acker] gehe – also 0,9 Prozent der
       landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland. Hinzu kämen 1,1
       Millionen Hektar Wiesen (6 Prozent der Agrarfläche), auf denen aber auch
       jetzt schon wenig Unkrautvernichter und kaum Insektengifte eingesetzt
       werden.
       
       Trotz der geringen Fläche warnte Klöckners Ministerium nun am Mittwoch
       davor, „den Obstanbau in Deutschland unmöglich zu machen“. Es könne keine
       Rede davon sein, dass man die Umsetzung des Aktionsprogramms verzögere,
       schrieb eine Sprecherin der taz. „Es geht vielmehr um Folgeabschätzungen,
       die wir fordern, die das Bundesumweltministerium aber bisher nicht
       geliefert hat.“
       
       Martin Hofstetter, Agraringenieur bei Greenpeace, hält diese Begründung für
       „fadenscheinig und vorgeschoben“. „Das Thema ist nicht vom Himmel gefallen.
       Über Glyphosat diskutieren wir intensiv seit vier Jahren.“ Es gebe bereits
       genügend Erkenntnisse zu den ökonomischen Auswirkungen eines Verbots.
       
       „Jetzt ist das große Problem, dass das Bundesagrarministerium vermutlich
       lange genug blockieren wird, bis in dieser Legislaturperiode nichts mehr
       passieren kann“, befürchtet auch Laura Breitkreuz, Artenschutzreferentin
       beim Naturschutzbund. „Es bringt immer neue Ausreden.“
       
       25 Nov 2020
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Insektensterben/!t5441430
   DIR [2] https://www.bmu.de/publikation/aktionsprogramm-insektenschutz/
   DIR [3] /Bauernproteste-radikalisieren-sich/!5641846
   DIR [4] /Initiative-Land-schafft-Verbindung/!5656430
   DIR [5] /Proteste-gegen-mehr-Umweltschutz/!5657247
   DIR [6] https://www.topagrar.com/management-und-politik/news/bmel-wirft-rukwied-masslose-uebertreibung-vor-11819760.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jost Maurin
       
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