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       # taz.de -- Unbeliebtheit der Ampel-Koalition: Negatives Anreizsystem
       
       > Bundesregierungen sind in der Mitte der Legislaturperiode meistens
       > unbeliebt. Neu sind die Stärke der AfD und eine dauerblockierende FDP.
       
   IMG Bild: Ihre Krise ist keine Ausnahme: Christian Lindner, Robert Habeck und Olaf Scholz im Bundestag
       
       Die Stimmung ist mies. In den Umfragen bekommt die Regierung 13
       Prozentpunkte weniger als bei der Wahl. Es knirscht in der Koalition. Das
       war 2019 so. Die letzte Groko – die sich manche Vergessliche derzeit als
       Rettung herbeisehnen – war nach knapp zwei Jahren spektakulär unbeliebt.
       2004 galt Rot-Grün als unpopuläre Chaos-Koalition. Auch die
       Kohl-Regierungen steckten nach zwei Jahren meist im Schlamm.
       
       Kurzum: Die derzeitige Ampel-Krise ist keine Ausnahme, sie ist eher die
       Regel. In der Mitte zwischen zwei Wahlen ist das „Volk, der große Lümmel“
       (Heinrich Heine) immer besonders schlecht gelaunt und ungnädig. Wer im Bund
       regiert, wird belächelt, gehasst, ignoriert. Es scheint eine Art
       Gesetzmäßigkeit zu sein.
       
       Also alles normal? Muss man, wie es Kanzler Scholz sieht, gelassen auf die
       lange Linie schauen, vertrauen, dass sich die Affekte schon wieder dämpfen
       werden und das Urteil der WählerInnen am Ende gerechter und milder
       ausfallen wird?
       
       Es gibt zwei Phänomene, die bei allen Ähnlichkeiten zu vergangenen
       Koalitionskrisen neu sind. Ein Fünftel würde derzeit AfD wählen. Das mag
       eine europäische Normalisierung, das Gros mögen ProtestwählerInnen sein.
       Doch Selbstberuhigung wäre fatal. Noch nie hielten so viele Deutsche
       rechtsextremen, xenophoben Provinzialismus für wählbar. Das ist ein
       Alarmsignal.
       
       Die Ampel wirkt da nicht bloß ratlos. Sie ist für den AfD-Aufstieg
       mitverantwortlich. Das [1][chaotisch inszenierte Heizungsgesetz] ist
       Treibstoff für das Gefühl: Grüne, urbane Eliten wollen uns vorschreiben,
       wie wir zu leben haben. Den Grünen ist es nicht gelungen, zu verhindern,
       dass Klimaschutz zum Kulturkampf umdefiniert wurde.
       
       ## Kulturkampf ums Heizen
       
       Diesen Kulturkampf haben Bild und AfD, Union und FDP katalysiert. Die
       Vorlage dafür aber kam aus Habecks Ministerium, das mit handwerklichen
       Mängeln und Blindheit für sozialen Ausgleich den Boden dafür bereitete.
       Habeck & Co müssen daraus sehr schnell das Richtige lernen.
       
       Das zweite Problem lautet: Die FDP lernt gerade das Falsche. Auch das
       Heizungsgesetz bekräftigt die Liberalen darin, [2][die tapfere Opposition
       in der Regierung zu spielen]. Eigene positive Ziele hat die FDP sowieso
       kaum. Damit ist in der Ampel ein negatives Anreizsystem etabliert, das die
       innere Zerstrittenheit auf Dauer stellt. Eine Regierung, die sich permanent
       selbst bekriegt, nutzt der rechten Opposition.
       
       Im ersten Jahr schweißten Ukraine-Krieg und Inflation die Ampel eher
       zusammen. Jetzt treiben die Krisen sie auseinander. Ein Kanzler, der den
       Verdruss mit Achselzucken quittiert, die FDP, die auf die nächste Blockade
       wartet und Grüne, die sich sehr unverstanden fühlen, werden diese Dynamik
       nicht umkehren.
       
       24 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Reinecke
       
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