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       # taz.de -- Ungedeckte Leerverkäufe: "Die Spekulation zerstört das System"
       
       > Ungedeckte Leerverkäufe müssen generell verboten werden, sagte der Bremer
       > Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel. Sie schädigten die gesamte
       > Wirtschaft.
       
   IMG Bild: Gewinne mit Spekulation auf sinkende Kurse machen.
       
       taz: Herr Hickel, einige Länder haben ungedeckte Leerverkäufe verboten. Ist
       das ein richtiger Schritt? 
       
       Rudolf Hickel: Natürlich. Diese vier Staaten sind unmittelbar betroffen von
       Attacken gegen ihre Banken und ihre Staatsanleihen. Die Maßnahme setzt ein
       Zeichen gegen die Spekulanten, die aus der Not Profit schlagen wollen.
       
       Sind Leerverkäufe nicht auch sinnvoll, um Marktverzerrungen nach oben
       auszugleichen? 
       
       Der Leerverkauf, der durch einen Geldvermögenswert gedeckt ist - das ist
       entscheidend - dient den Unternehmen dazu, sich gegen Risiken abzusichern.
       Dagegen ist nichts zu sagen. Bei einem ungedeckten Leerverkauf geht es nur
       darum, Gewinne mit Spekulation auf sinkende Kurse zu machen. Das beschädigt
       das Marktsystem.
       
       Wer sind die Spekulanten? 
       
       Hedgefonds oder andere Investmentfonds. Die normalen Banken betreiben das
       gar nicht mehr. Einige Bankenregulierungen der vergangenen Jahre haben dazu
       geführt, dass Investmentbanker ihr Büro leergeräumt und ihre Kisten ein
       paar Straßen weiter in Investmentfonds wieder ausgepackt haben. Die Fonds
       sind quasi Schattenbanken.
       
       Reicht ein Verbot für 15 Tage? 
       
       Nein. Natürlich wird an Börsen immer spekuliert, schließlich wird dort mit
       Erwartungen an die Zukunft gehandelt. Aber mit Leerverkäufen schaffen die
       Investmentfonds sich ihre eigene Geschäftsbasis: Sie verbreiten Gerüchte,
       etwa, dass die Ratingagenturen Frankreich herabstufen wollen - was gar
       nicht der Fall ist. Das ist ein Test auf Krise, auf die Insolvenz von
       Frankreich und der Bank Société Générale.
       
       Wie gesund sind die beiden? 
       
       Die Société Générale hat zwar französische und spanische Staatsanleihen,
       und natürlich hat Frankreich ein Schuldenproblem. Das rechtfertigt aber in
       keiner Weise eine Spekulation auf die Insolvenz Frankreichs. Den
       Spekulanten ist das egal: Sie programmieren auf Absturz und schaffen damit
       den Tatbestand, auf den sie wetten. Damit verdienen sie ihr Geld.
       
       Ist das Auf und Ab der Börsen letzte Woche nur irrational? 
       
       Die Börse hat rationale Gründe, die sie aber irrational übertreibt. Klar:
       Die Wachstumserwartungen sind gedämpft, wir sorgen uns, ob die Regierungen
       die Schuldenkrise lösen können. Aber das erklärt nicht diesen massiven
       Absturz. Zum Beispiel den der Autokonzerne: Die werden in nächster Zeit
       weniger Autos verkaufen, ja. Aber das ist kein Anlass, jetzt so stark den
       Kurs der VW-Aktie abzuwerten. Ich kann es nicht mehr hören, dass die Börsen
       hysterisch, sensibel oder gar bescheuert seien. Blödsinn: Die Anleger
       nutzen fallende Kurse systematisch aus.
       
       Das Verbot soll erst mal für Ruhe sorgen - was wäre die langfristige
       Lösung? 
       
       Der Spekulation muss ein Ende gesetzt werden. Das Verbot ungedeckter
       Leerverkäufe war ein erster Schritt. Jetzt müssen die Investmentfonds und
       ihr Geschäftsmodell streng kontrolliert werden. Drittens muss die Politik
       entschieden auftreten. Das hat sie schon wieder verpatzt: Das Verbot hätte
       in allen Euroländern durchgesetzt werden müssen.
       
       12 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heike Holdinghausen
       
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