# taz.de -- Unlauterer Wahlkampf in Indien: Vorwurf einseitiger Ermittlungen
> Vor den Parlamentswahlen beklagt die Opposition Machtmissbrauch der
> Regierung. Ein Oppositionspolitiker muss vor der Wahl in U-Haft bleiben.
IMG Bild: Anhänger der Oppositionspartei AAP mit einer Maske des inhaftierten Parteichefs Arvind Kejriwal bei einer Demo in Delhi am Sonntag
Mumbai taz | Je näher Indiens Parlamentswahlen rücken, desto heißer wird
der Wahlkampf. Mit der [1][Verhaftung des Regierungschefs der Hauptstadt
Delhi, Arvind Kejriwal], wenige Wochen vor dem Urnengang wächst auch der
Protest gegen Indiens hindunationalistische Regierung von Premier Narendra
Modi.
Indiens Strafverfolgungsbehörde ED ermittelt gegen Kejriwal und hochrangige
Mitglieder seiner Aam Admi Partei (AAP, Partei des kleinen Mannes) wegen
mutmaßlicher Korruption bei der Vergabe lukrativer Alkohollizenzen.
Kejriwal und die AAP weisen die Vorwürfe als „politische Verschwörung“
zurück.
Am Montag verurteilte ein Gericht den populären Oppositionspolitiker und
AAP-Vorsitzenden zu einer Haftstrafe bis zum 15. April. Doch schon am 19.
des Monats findet der erste Wahlgang von insgesamt sieben für das Unterhaus
statt.
Das Urteil sperrt damit einen wichtigen Oppositionsführer für mindestens
zwei Wochen weg und schwächt die AAP im Wahlkampf. Die Partei ist eine
wichtige politische Kraft in Nordindien und regiert seit 2015 in der
Hauptstadt und seit 2022 im Punjab. Außerdem ist die AAP Teil des
Oppositionsbündnisses India Alliance, das sich gegen die
hindunationalistische Volkspartei (BJP) von Premierminister Modi gebildet
hat.
## Opposition protestiert gegen Kejriwals Verhaftung
AAP-Anhänger:innen machten nach der Urteilsverkündung am Montag vor dem
Tihar-Gefängnis in Delhi, wo Kejriwal inhaftiert ist, ihrem Unmut laut. Am
Wochenende hatte die India Alliance mit einer Großkundgebung zudem vor
einer Gefahr für Indiens Demokratie gewarnt.
„Wenn die BJP so zuversichtlich ist, mit großer Mehrheit zu gewinnen, warum
hat sie dann Angst vor der Aam Aadmi Partei?“, kritisierte der
Oppositionspolitiker Akhilesh Yadav. Die BJP fordert unterdessen den
Rücktritt Kejriwals und bestreitet, in den Fall involviert zu sein.
Trotzdem wurde die Verhaftung auch international zu einem Thema: Neben der
deutschen Regeirung hatte sich auch die US-Regierung besorgt über die
Verhaftung Kejriwals geäußert. In der Berliner [2][Bundespressekonferenz]
war die Festnahme auf Nachfrage thematisiert worden.
„Indien ist ein demokratisch verfasstes Land. Wir gehen davon aus und
erwarten, dass die Standards in Bezug auf die Unabhängigkeit von Justiz und
demokratische Grundprinzipien auch in diesem Fall Anwendung finden werden“,
sagte darauf Außenamtssprecher Sebastian Fischer. Kejriwal habe wie jeder
andere Person das Recht auf einen fairen und unparteiischen Prozess.
## Indirekte Kritik aus Berlin und Washington
Die Regierung Delhi reagierte auf die Worte aus Berlin mit Unverständnis
und wies jede „Einmischung“ zurück, die die Unabhängigkeit der indischen
Justiz untergraben würde.
„Wir unterstützen ein faires, transparentes und zügiges Gerichtsverfahren
für Ministerpräsident Kejriwal“, erklärte aber auch ein Sprecher des
US-Außenministeriums. Wegen der Statements aus Berlin und Washington wurden
jeweils die stellvertretende Botschafter:innen Deutschlands und der USA
ins indische Außenministerium einbestellt.
Bereits im Januar war der Politiker Hemant Soren festgenommen worden. Er
war kurz zuvor noch Ministerpräsident des ebenfalls von der Opposition
regierten Bundesstaates Jharkhand gewesen. „Das Volk hat die wahre Macht“,
sagte seine Frau Kalpana Soren auf der India-Oppositionskundgebung an der
Seite von Sunita Kejriwal. Beide Ehefrauen kämpfen nun statt ihrer Männer
um Stimmen bei der Wahl.
## Konten der größten Oppositionspartei eingefroren
Laut der Zeitung [3][Indian Express] richteten sich 95 Prozent der von der
Strafverfolgungsbehörde ED seit dem Machtantritt der BJP 2014 verfolgten
Fälle gegen die Opposition.
Ende März erklärte die Kongress-Partei als größte Oppositionskraft, dass
ihre Bankkonten eingefroren wurden. Man könne die Kampagnenarbeit derzeit
nicht durchführen, [4][klagte Oppositionsführer Rahul Gandhi]. Die BJP
nutze Institutionen wie das ED, doch sei sie selbst ein Hort der
Korruption, so Gandhi.
1 Apr 2024
## LINKS
DIR [1] /Vor-der-Wahl-in-Indien/!5999827
DIR [2] https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/regierungspressekonferenz/2650102
DIR [3] https://indianexpress.com/article/political-pulse/kejriwal-arrest-bjp-liquor-policy-case-modi-9227288/?8867
DIR [4] https://twitter.com/INCIndia/status/1770707793730838967
## AUTOREN
DIR Natalie Mayroth
## TAGS
DIR Indien
DIR Narendra Modi
DIR BJP
DIR Wahlen
DIR Arvind Kejriwal
DIR AAP
DIR Schwerpunkt Korruption
DIR Indien
DIR Indien
DIR Kolumne Stadtgespräch
DIR Indien
DIR Malediven
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Opposition in Indien: Delhis Regierungschef freigelassen
Delhis Ministerpräsident Arvind Kejriwal war Korruption vorgeworfen worden.
Kritiker sehen das als politisch motiviert.
DIR Indien wählt: Wahl in Modis Testlabor
Im nordindischen Bundesstaat Uttarakhand mit seiner Hindu-Mehrheit testen
die regierenden Hindunationalisten ihren intoleranten Kurs.
DIR Mangosaison in Indien beginnt: Die Königin der Früchte ist zurück
Trotz schwieriger klimatischer Bedingungen fällt die Mangoernte gut aus.
Mumbais Lieblingssorte ist für viele Einheimische allerdings noch zu teuer.
DIR Staatsbürgerschaftsgesetz in Indien: Regierung provoziert vor den Wahlen
Die hindunationalistische Regierung will nun ein Gesetz anwenden, von dem
sich Muslime diskriminiert fühlen. Im Bundesstaat Assam brannten
Wahlplakate.
DIR Malediven verprellen Indien: Chinas Militär taucht in Malé auf
Die neue Regierung in Malé schließt ein Militärabkommen mit Peking und
weist Indiens Soldaten aus. Delhi baut seine Marine auf den
Lakshadweep-Inseln aus.