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       # taz.de -- Unruhen in Kasachstan: Kasachischer Winter
       
       > Seit Tagen protestieren in der zentralasiatischen Republik Tausende.
       > Jetzt rückt das Militär an. Und schlägt gewaltsam zurück.
       
   IMG Bild: Hartes Durchgreifen: Truppen auf dem Hauptplatz von Almaty am 06. Januar 2021
       
       Berlin taz | Dutzende Tote, mehr als tausend Verletzte und über 2.000
       Festnahmen: In der zentralasiatischen Republik Kasachstan hat sich die
       Lage am Donnerstag weiter zugespitzt. Nach Angaben der Polizei wurden bei
       gewaltsamen Protesten in der Wirtschaftsmetropole Almaty in der Nacht zu
       Donnerstag „Dutzende“ Demonstranten getötet. In staatlichen kasachischen
       Medien war von „Liquidationen“ die Rede. Auf Seiten der Sicherheitskräfte
       soll es 18 Todesopfer gegeben haben.
       
       Am Donnerstag berichtete das russischsprachige Nachrichtenportal
       Nastojaschee Vremja unter Verweis auf die russische Nachrichtenagentur Tass
       und die britische BBC von erneuten Schusswechseln auf dem Republikplatz in
       Almaty. Dort hatten am Abend Hunderte Demonstranten ausgeharrt. Nach
       Angaben eines Journalisten des Senders Radio Freies Europa soll dabei eine
       weitere Person getötet worden sein.
       
       Kasachstan wird seit Tagen von beispiellosen Unruhen erschüttert. Begonnen
       hatten die Proteste, die sich an einer zum Jahreswechsel verfügten
       Preiserhöhung für Flüssiggas entzündet hatten, am 2. Januar in der
       Ölförderstadt Schanaozen. Innerhalb kürzester Zeit weiteten sich die
       Proteste auf immer mehr Städte aus. Am Dienstag hatten die Machthaber
       versucht, die Situation zu beruhigen, und die Preiserhöhung zurückgenommen.
       Zudem wurde die Regierung entlassen und der ehemalige Staatspräsident
       Nursultan Nasarbajew vom Posten des Chefs des Nationalen Sicherheitsrates
       abgezogen. Landesweit wurde ein Ausnahmezustand verhängt, der bis zum 19.
       Januar in Kraft bleiben soll.
       
       Doch die Proteste gingen weiter. Am Mittwoch hatten sich Tausende
       Demonstranten in Almaty versammelt. Sie stürmten unter anderem das Rathaus
       und die Präsidentenresidenz. Auf den Straßen waren am Donnerstag
       ausgebrannte Autos und Patronenhülsen zu sehen. Mehrere Regierungsgebäude
       wurden zerstört. Unterdessen berichteten Medien, auch einige Angehörige der
       kasachischen Sicherheitskräfte und Militärs seien auf die Seite der
       Bevölkerung gewechselt. In der Stadt Aktau hätten Protestierende Soldaten
       Unterkunft und Verpflegung angeboten. Damit wollten die Demonstranten
       zeigen, dass sie friedlich seien. „Hauptsache, sie schießen nicht auf die
       Menschen“, wird eine Frau zitiert.
       
       Am Mittwoch hatte Staatspräsident Kassym-Schomart Tokajew seine
       Verbündeten [1][im Rahmen der Allianz ODKB um militärische Unterstützung
       gebeten]. Zuvor hatte er angekündigt, mit äußerster Härte gegen die
       Protestierenden vorzugehen. Auf Bitten Tokajews starteten Kasachstans
       Verbündete mit Russland an der Spitze am Donnerstag eine militärische
       Unterstützungsmission. Die „Friedenstruppen“ seien auf begrenzte Zeit nach
       Kasachstan geschickt worden, „um die Lage zu stabilisieren und zu
       normalisieren“, hieß es in einer Mitteilung der Organisation des Vertrags
       über kollektive Sicherheit (ODKB).
       
       Das russische Verteidigungsministerium veröffentlichte Videoaufnahmen von
       Militärflugzeugen, die mit Soldaten und gepanzerten Fahrzeugen beladen in
       Richtung Kasachstan abhoben. Mittlerweile ist eine Division mit
       Fallschirmspringern in Kasachstan eingetroffen. Das russische
       Außenministerium erklärte, es handele sich bei den Protesten um einen aus
       dem Ausland gesteuerten Versuch, die Sicherheit und Integrität Kasachstans
       gewaltsam zu unterwandern. Am Mittwochmittag hatte Russland noch erklärt,
       niemand dürfe sich in die inneren Angelegenheiten Kasachstans einmischen
       und Kasachstan habe Moskau auch nicht um Hilfe gebeten.
       
       Auch die EU meldete sich zu Wort. „Die Gewalt muss ein Ende haben“,
       forderte die EU-Kommission in Brüssel. Alle Seiten seien aufgefordert, sich
       zurückzuhalten und eine friedliche Lösung zu suchen. Die EU sei willens,
       einen Dialog in dem Land zu unterstützen.
       
       6 Jan 2022
       
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