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       # taz.de -- Unter Vermittlung von Malaysia: Gespräche im Thailand-Kambodscha-Konflikt
       
       > Beide Länder wollen sich am Montag unter Vermittlung in Kuala Lumpur
       > treffen. Am Wochenende waren die Kämpfe in der Grenzregion weiter
       > eskaliert.
       
   IMG Bild: Dorfbewohner helfen beim Abladen von Hilfsgütern für Geflüchtete, die in Wat Phnom Kamboar in Kambodscha Zuflucht suche
       
       Mae Sot taz | Thailand und Kambodscha wollen über eine Einstellung der
       Feindseligkeiten im Grenzgebiet verhandeln. Ein thailändischer
       Regierungssprecher kündigte für Montag ein Treffen zwischen dem
       geschäftsführenden Ministerpräsidenten Phumtham Wechayachai und dem
       kambodschanischen Regierungschef Hun Manet in Malaysia an, um
       „Friedensbemühungen in der Region“ zu besprechen.
       
       Auch am Sonntag lieferten sich die beiden Länder ungeachtet zahlreicher
       internationaler Appelle zur Zurückhaltung erneut schwere Gefechte. [1][Die
       Kämpfe, die am Donnerstag in der umstrittenen Grenzregion „Smaragddreieck“
       mit ihren alten Hindutempeln begannen] – beide Länder beanspruchen sie als
       kulturelles Erbe –, haben sich auf weitere Teile Kambodschas ausgeweitet.
       
       Die thailändische Luftwaffe bombardierte Pursat tief im Landesinneren,
       während die Marine im Süden vier Kriegsschiffe mobilisierte, um die Armee
       bei der „Operation Trat Strike 1“ zur „Verteidigung der Souveränität“ zu
       unterstützen. Auf der anderen Seite meldet Kambodscha fortlaufend Erfolge
       seiner Truppen gegen die „thailändische Invasion“ und die Rückeroberung
       besetzter Gebiete.
       
       Unabhängig überprüfen lassen sich die gegenseitigen Beschuldigungen und
       Berichte über das Ausmaß der Militäreinsätze nicht. Beide Seiten
       beschuldigen einander jedoch schwerer Kriegsverbrechen. Thailand wirft
       Kambodscha vor, Landminen im Grenzgebiet verlegt zu haben. Kambodscha
       beschuldigt Thailand in einer Petition an den UN-Sicherheitsrat,
       international geächtete Streubomben eingesetzt zu haben.
       
       ## Es geht um mehr als Tempelruinen
       
       Am Samstag schrieb US-Präsident Donald Trump auf seiner Plattform Truth
       Social, er habe den Staatschefs beider Länder mitgeteilt, dass die USA
       keine Zollabkommen abschließen würden, solange die Feindseligkeiten
       andauerten.
       
       Kambodscha reagierte mit grundsätzlicher Zustimmung „zu der Forderung nach
       einem sofortigen und bedingungslosen Waffenstillstand“. Thailands Antwort
       fiel bedeutend zurückhaltender aus: Man sei zu bilateralen Gesprächen
       bereit, aber nur, wenn Kambodscha „ernsthaft“ daran interessiert sei,
       erklärte Premierminister Phumtham Wechayachai.
       
       Mittlerweile wird klar, dass es um mehr geht als Grenzstreitigkeiten und
       Tempelruinen. In Thailand schürt die konservative Elite seit einem Jahr
       Nationalismus, weil die Regierung der Pheu-Thai-Partei unter der Führung
       des Shinawatra-Clans mit Kambodscha über die gemeinsame Erkundung von
       Energieressourcen vor der Küste verhandelt. Thailand könnte dabei, so die
       Nationalisten, die Insel Koh Kood und damit Teile seines Territoriums
       verlieren.
       
       Kambodscha sieht die von Thailands Regierung geplante Legalisierung von
       Casinos in Konkurrenz zu den eigenen Casinos für Thailands Spieler als
       Zielgruppe kritisch. Die vielen kambodschanischen Glücksspielpaläste, die
       in den letzten zwei Jahrzehnten nahe der Grenze entstanden, sind eine
       wichtige Einnahmequelle für die Regierung in Phnom Penh und die als korrupt
       geltenden Eliten des Landes.
       
       Beide Regierungen stehen zudem innenpolitisch unter Druck. Über Thailand
       schreibt Matthew Wheeler von der Crisis Group [2][in einer Analyse], die
       von Pheu Thai geführte Koalitionsregierung habe „schon vor dem
       Grenzkonflikt mit starkem politischen Gegenwind und schwindender
       Popularität zu kämpfen“ gehabt. Sie habe Wahlversprechen nicht erfüllt und
       die Wirtschaft nicht belebt.
       
       ## Streit zwischen alten Regenten
       
       Zudem sei die Koalition unpopulär, weil sie nach dem Wahlsieg der
       progressiven Partei Move Forward 2023 einen „faustischen Pakt“ mit dem
       konservativen Establishment eingegangen sei, um eine Machtübernahme zu
       verhindern. Pheu Thai habe sich mit der Elite verbündet, die der frühere
       Premier [3][Thaksin Shinawatra] seit seinem Sturz 2006 als Erzfeind
       betrachte. Die Risse in der Koalition traten offen zutage, als die
       Bhumjaithai-Partei, zweitgrößter Partner, nach einem durchgesickerten
       Telefongespräch zwischen der suspendierten Premierministerin Paetongtarn
       Shinawatra und Kambodschas früherem Machthaber Hun Sen die Koalition
       verließ.
       
       In Kambodscha würden Hun Sen sowie sein Sohn und Premierminister Hun Manet
       den Nationalismus nutzen, so Wheeler, um von den schweren wirtschaftlichen
       Problemen abzulenken und eine Spaltung innerhalb der allein regierenden
       Kambodschanischen Volkspartei (CPP) zu unterdrücken.
       
       Die Shinawatras und Hun Sen waren lange beste Freunde. In diesem Jahr
       äußerte Hun Sen immer häufiger Drohungen gegen Thaksin. Er könne beweisen,
       dass dieser Majestätsbeleidigung begangen habe. Zudem sei Thaksin nach
       seiner Rückkehr aus dem Exil 2023 als Teil des „faustischen Pakts“ einer
       Haftstrafe wegen einer früheren Verurteilung nur durch eine vorgetäuschte
       Krankheit entgangen.
       
       Man kann „nur spekulieren“, so Wheeler, „warum Hun Sen gerade jetzt seine
       Brücken zu Thaksin abbricht“. Vielleicht könnte Hun Sen „angesichts
       zunehmender Beweise für die Beteiligung der kambodschanischen Elite an
       Cyberbetrugszentren“ ein Vorgehen der Pheu-Thai-Regierung gegen „die
       grenzüberschreitende Kriminalität befürchten“.
       
       Bislang wurden bei den Kämpfen nach offiziellen Angaben mehr als 30
       Menschen getötet. Mehr als 200.000 Menschen flohen aus ihren Dörfern,
       138.000 auf der thailändischen und 80.000 auf der kambodschanischen Seite
       der Grenze. Thailands Regierung droht mit harten Strafen für Übergriffe auf
       die rund 1,2 Millionen Kambodschaner im Land. (mit Material von ap und afp)
       
       27 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Streit-zwischen-Thailand-und-Kambodscha/!6103530
   DIR [2] https://www.crisisgroup.org/asia/south-east-asia/thailand-cambodia/border-dispute-cambodia-sparks-political-disarray-thailand
   DIR [3] /Thaksin-Shinawatra/!t5038439
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Robert Lenz
       
       ## TAGS
       
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