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       # taz.de -- Unterbringung von Geflüchteten in Berlin: Harte Landung in Tegel
       
       > Der Ex-Flughafen ist nicht nur Ankunftszentrum für Ukraine-Geflüchtete,
       > sondern auch eine riesige Notunterkunft. Ein Besuch in Terminal C.
       
   IMG Bild: Hoffentlich muss er nur ein paar Tage bleiben: Junge in der Notunterkunft am Ex-Flughafen Tegel
       
       Berin taz | Die Unterbringung von Geflüchteten ist [1][derzeit das Thema]:
       Berlin hat die „magische Marke“ von 100.000 Aufgenommenen in diesem Jahr
       geknackt, das sind mehr als im ganzen „Flüchtlingsjahr“ 2016. Bis
       Jahresende rechnet man mit weiteren 8.000 bis 10.000. Dabei gibt es jetzt
       schon kaum freie Plätze.
       
       So ist es kein Wunder, dass an diesem Mittwoch Scharen von Journalisten
       aus dem In- und Ausland zum ehemaligen Flughafen Tegel gekommen sind, um
       sich das neue Ankunftszentrum für Ukraine-Flüchtlinge in Terminal C
       anzusehen. Es war am 20. Oktober aus den Zelten vor Terminal A und B
       hierher umgezogen. Vor allem aber wollen die Medienvertreter hören, wie
       Integrationssenatorin Katja Kipping (Linke) und das Landesamt für
       Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) die Krise meistern wollen, sprich: Wo
       jetzt [2][ganz schnell neue Plätze] herkommen sollen.
       
       Eine „Herkulesaufgabe“ sei es, sagt Kipping tapfer lächelnd in die
       Mikrofone. „Wir müssen wieder vor die Lage kommen, das ist unsere
       politische und moralische Verpflichtung. Jeder Unterkunftsplatz, den wir
       hier schaffen, ist auch eine klare Verurteilung von Putins Krieg.“ Das aber
       bedeute: Man brauche „ganz klar großflächige Unterkünfte“. Zelte mag sie es
       nicht nennen, eher seien es „Leichtbauhallen“. Etwas in der Art könne man
       sich später auf dem Rollfeld ansehen.
       
       Dort stünden zwei Zelte für je 400 Menschen, im Terminal selbst hätten noch
       mal 900 Menschen Platz – und schon jetzt seien von diesen Plätzen 1.500
       belegt, sagt Andreas Kaden, Leiter des Ankunftszentrums. Eigentlich sollen
       die Geflüchteten nur ein bis drei Tage in Tegel bleiben. Aber weil es kaum
       „normale“ Unterkunftsplätze gibt, bleiben immer mehr Menschen immer länger.
       Tegel ist nicht nur Ankunftszentrum, sondern auch eine
       Riesen-Notunterkunft.
       
       ## Appell an den Senat
       
       Dazu gehören auch die 1.900 Betten in den Terminals A und B. Diese
       „Flächen“ zum Jahresende aufgeben zu müssen, wie es ein Senatsbeschluss
       vorsieht, „fällt schwer“, betont Kipping. Deutlich ist ihr erneuter Appell
       an die Senatskolleg*innen, endlich ihrer Bitte nachzukommen und A und
       B als Notunterkünfte über 2022 hinaus behalten zu können. Schon jetzt,
       ergänzt LAF-Chefin Carina Harms, seien 260 Asylbewerber*innen in A und
       B untergebracht, bis zum Wochenende könnten es 600 Menschen sein. „Die
       1.900 Plätze werden wir sehr schnell belegen“, vermutet sie.
       
       Dann geht die Besichtigung los: Durch den Eingang von C, wo viele
       Berliner*innen vor wenigen Monaten zum Corona-Impfen angestanden haben,
       lotst Kaden den Tross in die Schalterhalle. Hier sitzen und stehen
       Mitarbeitende in lila und gelben Westen an alten Flugschaltern und Tischen
       mit Laptops. Davor sitzen Menschen in „Zivil“, vermutlich Ukrainer*innen,
       man hört entsprechende Wortfetzen, aber stehenbleiben oder gar Fragen
       stellen ist nicht erlaubt.
       
       Weiter geht’s raus aufs Rollfeld: Kaden will mit den Journalisten den Weg
       gehen, den auch die Flüchtlinge nehmen. Shuttlebusse bringen sie vom
       Hauptbahnhof oder dem ZOB hierher. In der einstigen Wartehalle harren sie
       nun aus, „bis der komplette Prozess der Registrierung erfolgen kann“.
       
       Der ist – natürlich – kompliziert. Aber die Wege seien so angelegt, erklärt
       der Ankunftszentrumsleiter, dass man wie in einer Einbahnstraße durchlaufen
       kann. Zuerst müssen die Menschen eine Selbstauskunft ausfüllen, dann kommt
       die „erste Registrierung“, Coronatest, „zweite Registrierung“,
       erkennungsdienstliche Behandlung. Alles ist mit Schildern und Stellwänden
       eingeteilt, überall steht Security in gelben Westen, damit niemand
       verlorengeht – gerade kein Journalist und sonst kein Flüchtling.
       
       ## Auch an Haustiere wird gedacht
       
       Viel los ist an diesem Vormittag nicht. Jeden Tag kämen derzeit rund 100
       Ukrainer*innen an, so Kaden. Dafür scheint die „Registrierungsstraße“
       etwas überdimensioniert. Aber man müsse damit rechnen, dass es schlagartig
       mehr werden, erklärt Kipping – etwa wenn Kiew wirklich geräumt werde.
       Irgendwo hat die „Straße“ einen Rechtsabbieger zum Ausgang für Menschen,
       die in Berlin bleiben dürfen, wenn sie hier Verwandte, Arbeit oder eine
       Wohnung haben.
       
       Für alle anderen geht es links rum in den „Unterkunftsbereich“. Auf dem
       Gang davor ist eine Kleiderstation, ein Kiosk, sogar einen „Animal Care
       Point“ gibt es. Dann geht es durch die Halle für die Essensausgabe, wo es
       täglich drei Mahlzeiten gibt, wieder aufs Rollfeld, eine andere Stelle als
       eben. Hier stehen die Zelte: Ganz dicht seien sie, die Böden abwischbar,
       betont Kaden, natürlich beheizt. Drinnen bitte keine Fotos, sagt er erneut.
       
       Die mit Messe-Stellwänden voneinander abgetrennten „Waben“ haben sehr eng
       gestellt jeweils fünf Doppelstockbetten – alles wirkt wie die Hangars im
       alten Flughafen Tempelhof, nur dass dort die Decken viel höher waren. Das
       Gemurmel aus den „Waben“ erinnert daran, dass hier Menschen leben, für ein
       paar Tage zumindest. Menschen, die gerade noch ein Zuhause hatten mit Türen
       zum Schließen. Also schnell wieder raus.
       
       Wie es den Menschen, die hier ankommen, denn gehe, will ein Journalist
       wissen. Kaden schaut etwas verwundert, fasst sich aber schnell und erklärt:
       Es gebe eine psychologische Betreuung für Kriegstraumatisierte,
       Kinderbetreuung, „Auslaufmöglichkeiten“ draußen, ein Fußball-Feld vor den
       „alten“ Terminals A und B, samstags fahre man mit den Kindern zum
       Skatepark. Kurz: „Wir versuchen, es ihnen so angenehm wie möglich zu
       machen.“
       
       9 Nov 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Unterbringung-von-Fluechtlingen-in-Berlin/!5890485
   DIR [2] /Platznot-fuer-Gefluechtete-in-Berlin/!5883694
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Memarnia
       
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