# taz.de -- Urteil gegen Nawalny: Das Verdikt aus der Schublade
> Moskau musste Alexei Nawalny hinter Gitter schicken, um sich nicht
> lächerlich zu machen. Der Kreml trägt sein Gewaltmonopol zur Schau.
IMG Bild: Wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen: dreieinhalb Jahre Haft für Alexei Nawalny
Kurzer Prozess: Dreieinhalb Jahre Haft für [1][Alexei Nawalny] wegen
Verstoßes gegen Bewährungsauflagen aus einem Verfahren von 2014. Die zwölf
Monate, die er bereits in Hausarrest abgesessen hat, werden ihm
freundlicherweise erlassen. Es wird ein Geheimnis des Kremls bleiben, wie
der [2][vergiftete Oppositionspolitiker], der komatös in einem Berliner
Krankenbett lag, seiner Meldeverpflichtung hätte nachkommen sollen.
Wann immer Regimegegner*innen in Russland vor Gericht stehen, ist
davon auszugehen, dass die Urteile schon vorher fertig in der Schublade
liegen. Das dürfte auch im Falle Nawalnys nicht anders gewesen sein. Zu
schrill war bereits die Begleitmusik vor dem Verfahren, als dass die
Staatsmacht ein anderes Verdikt hätte fällen können, ohne sich vollends der
Lächerlichkeit preiszugeben.
Nach den beiden vergangenen Protestwochenenden war auch am Dienstag wieder
eine Armada von Sicherheitskräften aufmarschiert, um, im wahrsten Sinne des
Wortes, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Nur verbal attackiert
wurden westliche Diplomat*innen, die sich zum Gericht aufgemacht hatten.
Die Einlassung der Sprecherin des Innenministeriums Marina Sacharowa, der
Westen habe sich selbst entlarvt und wolle Russland „eindämmen“, folgte dem
bekannten Narrativ.
Dabei ist der politische Niemand Nawalny doch unwichtig. Ja, so
bedeutungslos, dass sich Präsident Wladimir Putin an diesem Tag lieber dem
Gewinner des Wettbewerbs „Lehrer des Jahres 2020“ widmete. Man muss eben
Prioritäten setzen. Das werden wohl auch Nawalnys Unterstützer*innen
tun. Es ist zu erwarten, dass viele ihren Unmut, der über die Kausa Nawalny
hinausgeht, weiter auf die Straßen tragen werden – wohl wissend, welche
Risiken damit verbunden sind. Nawalny-Unterstützer*innen haben noch für
Dienstagabend zu landesweiten Protesten aufgerufen.
Und die EU? Die wird in Gestalt des [3][Außenbeauftragten Josep Borrell] am
Ende der Woche in Moskau erwartet. Der Kreml wolle sich um eine
Normalisierung der Beziehungen zu Brüssel bemühen, die völlig
ungerechtfertigt eingefroren seien, heißt es. Ungerechtfertigt? Vielleicht
kann Herr Borrell da ein wenig Aufklärungsarbeit leisten.
2 Feb 2021
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## AUTOREN
DIR Barbara Oertel
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