# taz.de -- Urteil zu Räumungen im Hambi: „Ein Schlag in die Magengrube“
> 2018 beendete die Polizei die Besetzung des Hambacher Walds mit der
> Begründung mangelnden Brandschutzes. Das war vorgeschoben, sagt ein
> Gericht jetzt.
IMG Bild: Die Räumung im Hambacher Forst war rechtswidrig
Aachen taz | Die Räumung der Baumhäuser im Hambacher Forst im Herbst 2018
war rechtswidrig. Das entschied das Verwaltungsgericht Köln am
Mittwochnachmittag. Ein einstiger Baumhausbewohner hatte geklagt. Das
Gericht stellte fest, die damals als Begründung genannten
Brandschutzbestimmungen seien nur vorgeschoben gewesen. Letztlich habe die
Aktion nur dazu gedient, Braunkohlegegner aus dem Wald zu entfernen. So
konnte der Energiekonzern RWE die geplanten Rodungen für seinen
Braunkohleabbau ab Oktober besser vorbereiten. Dies allein sei aber kein
Grund, einen öffentlichen Wald zu räumen.
Rückblende: Die NRW-Landesregierung hatte im Sommer 2018 Begründungen
gesucht, [1][wie sie die WaldbesetzerInnen loswerden könnte, die teils seit
Jahren dort lebten]. Im September wies sie die Stadt Kerpen und den Kreis
Düren, denen der Wald je etwa zur Hälfte gehört, an, die gut hundert
Baumhäuser zu räumen: Baumhäuser seien auch Häuser und könnten brennen,
deshalb müssten sie den Brandschutzanforderungen genügen.
Es folgte der teuerste Polizeieinsatz des Landes NRW mit mindestens 30
Millionen Euro Kosten. [2][Ein junger Mann stürzte während der Räumungen in
den Tod]. Und kaum war der Wald brandschutzgerecht leer, verhängte das
Oberverwaltungsgericht Münster einen Rodungsstopp, der bis heute gilt. Der
Wald scheint gerettet.
## „Klatsche für die Landesregierung“
[3][In der Widerstandsszene] schlug die Meldung vom Urteil bombengleich
ein. Umweltpädagoge Michael Zobel, der seit 2014 mit über 70.000 Menschen
bei seinen Sonntagsspaziergängen im Hambacher Wald war, nennt das Urteil
eine „Klatsche für die Landesregierung: Ministerpräsident Armin Laschet
vorneweg, aber auch Innenminister Herbert Reul und Frau Scharrenbach“ (alle
CDU). Bauministerin Ina Scharrenbach hatte damals die Brandschutzidee
entwickelt. Die Polizei leistete Vollzugshilfe.
Dass der Brandschutz vorgeschoben war, wussten alle, sagt Zobel, spätestens
nachdem ein Video mit Laschet („Ich brauchte doch einen Vorwand“) geleakt
worden war. Zobel: „Die Politik kriegt nichts geregelt, ständig müssen
Gerichte das korrigieren, was die selbstherrliche NRWE-Landesregierung
anstellt.“ Erst vor zwei Wochen habe sie den rechtswidrigen Bebauungsplan
des Steinkohlekraftwerks Datteln 4 „um die Ohren bekommen und jetzt dieser
Schlag in die Magengrube“. Ein Treffer nach dem anderen: „Ich frage mich,
wann der k.o. kommt.“
## „Zufälliger Zeitpunkt“
Zobel sagt, er teile „die klammheimliche Freude“ vieler, „aber eigentlich
ist die Freude weder klamm noch heimlich, sondern eine, die ich gerne offen
zeige“. Am Sonntag macht er seinen 89. Waldspaziergang, „die
Gerichtsentscheidung wird sicher ein herausragendes Thema werden“.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Die beklagte Stadt Kerpen könnte
vor dem Oberverwaltungsgericht Münster in Berufung gehen. „Unmittelbare
praktische Folgen“, so Gerichtssprecher Michael Ott, habe das Urteil eh
nicht, außer dass die Stadt Kerpen keine Kosten eintreiben könnte. Dass
diese sehr politische Entscheidung gerade jetzt gefallen ist, sei
„zufällig, den langfristigen Terminkalendern der Richter geschuldet und
ohne jede Absicht so kurz vor der Bundestagswahl“.
8 Sep 2021
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## AUTOREN
DIR Bernd Müllender
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