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       # taz.de -- Verbot der Werbung für Abtreibung: Hilfe wird strafrechtlich verfolgt
       
       > Der Paragraf 219a wird von vielen Seiten scharf kritisiert. Trotzdem
       > erhebt die Kasseler Staatsanwaltschaft Anklage gegen zwei Ärztinnen.
       
   IMG Bild: An vielen Orten – wie hier im November in Gießen – protestierten Aktivistinnen gegen den Paragrafen
       
       Berlin taz | „Es ist noch mal was anderes, das jetzt schwarz auf weiß zu
       sehen“, sagt die Kasseler Gynäkologin Nora Szász. Kränkend sei es. Am
       Dienstag haben sie und ihre Kollegin Natascha Nicklaus Post vom Kasseler
       Amtsgericht bekommen: Der Staatsanwalt erhebt Anklage. Wegen Paragraf 219a
       Strafgesetzbuch (StGB), dem Verbot der „Werbung für den Abbruch der
       Schwangerschaft“.
       
       Gleich dreimal seien sie und ihre Kollegin Natascha Nicklaus im vergangenen
       Jahr angezeigt worden, sagt Szász. Einmal im Juli, einmal Anfang Oktober
       und dann noch mal Ende Oktober. Eine der [1][Anzeigen] geht auf den
       Abtreibungsgegner Klaus Günter Annen aus Weinheim zurück, der auch die
       Webseite Babykaust.de betreibt, auf der er Ärzt*innen als
       „Tötungsspezialisten“ bezeichnet, ihre Namen neben Bildern blutiger Föten
       veröffentlicht und dazu aufruft, sie zu belästigen.
       
       Im September hätten sie erstmals Post von der Staatsanwaltschaft bekommen,
       sagt Szász. Nun ist diese offenbar zu dem Schluss gekommen, dass ein
       hinreichender Tatverdacht besteht, um die Ärztinnen anzuklagen. Damit ist
       es am Kasseler Amtsgericht, über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu
       entscheiden. Als sie den Hinweis auf ihre Webseite stellten, hätten die
       Angeschuldigten in der Absicht gehandelt, für sich zu werben, „um bei
       Inanspruchnahme der Leistung das entsprechende Honorar vereinnahmen zu
       können“, heißt es in der Anklageschrift, die der taz in Auszügen vorliegt.
       
       „Das suggeriert ja, dass es uns dabei ums Geld geht“, sagt Szász. „Bizarr“
       sei das. „Als Ärztinnen haben wir doch den Auftrag, Frauen zu helfen, die
       ungewollt schwanger sind. Wer soll das denn sonst tun?“ Sie und ihre
       Kollegin Nicklaus wollen den Hinweis auf keinen Fall von der Webseite
       nehmen.
       
       ## Das Schweigen hat ein Ende
       
       Genau das aber ist es, was viele Ärzt*innen aus Angst vor Anzeigen tun.
       Andere stellen den Hinweis gar nicht erst auf ihre Seite. Lange Jahre
       herrschte Schweigen über die Schikane durch Abtreibungsgegner*innen. Das
       hat sich geändert, nachdem im September 2017 die Ärztin Kristina Hänel
       angeklagt worden war und sich an die Öffentlichkeit wandte. Im November
       wurde sie am Amtsgericht Gießen zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro
       verurteilt. „Wir knicken nicht ein“, sagt Szász. „Dieses Schweigen muss
       unbedingt gebrochen werden.“
       
       Paragraf 219a bestraft nicht nur Werbung mit bis zu zwei Jahren Haft oder
       Geldstrafe; verboten ist auch, dass Ärzt*innen öffentlich darüber
       informieren, Abtreibungen vorzunehmen. „Es bestehen erhebliche
       verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Norm“, sagt Maria Wersig,
       Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes. Falls auch das Gericht dieser
       Auffassung ist, kann es die Frage direkt dem Bundesverfassungsgericht
       vorlegen. Ansonsten müssten die angeklagten Ärztinnen den Weg durch alle
       Instanzen nehmen. „Das kann Jahre dauern“, sagt Wersig. Falls nötig, sind
       Szász, Nicklaus und Hänel bereit, diesen Weg zu gehen.
       
       Im [2][Bundestag] fordern die Fraktionen von SPD, Grünen, Linken und FDP
       eine Streichung oder Änderung des Paragrafen 219a. Union und AfD wollen
       daran festhalten.
       
       28 Feb 2018
       
       ## LINKS
       
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   DIR Dinah Riese
       
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