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       # taz.de -- Verfahren in Schweden: Gegen Assange wird erneut ermittelt
       
       > Das Vergewaltigungs-Ermittlungsverfahren gegen Julian Assange geht nun
       > doch weiter. Ein Auslieferungsantrag an London ist wahrscheinlich.
       
   IMG Bild: 13. Mai: Oberstaatsanwältin Eva-Marie Persson bei einer PK in Stockholm
       
       Stockholm taz | Die schwedische Justiz nimmt das Ermittlungsverfahren gegen
       Julian Assange wegen Verdacht der Vergewaltigung wieder auf. Das teilte die
       zuständige Oberstaatsanwältin Eva-Marie Persson am Montag auf einer
       Pressekonferenz in Stockholm mit. Die Begründung: Mit der Aufhebung des
       Beschlusses, mit dem Assange durch Ecuador Asyl gewährt worden war und
       seiner Festnahme in Großbritannien sei das Hindernis zur Vollstreckung des
       schon 2010 gegen ihn erlassenen schwedischen Haftbefehls entfallen.
       
       Die jetzige Entscheidung der Anklagebehörde kommt nicht überraschend. Im
       August 2017 hatte Marianne Ny, Amtsvorgängerin der jetzigen Staatsanwältin
       Persson, das Assange-Verfahren mit der ausdrücklichen Begründung
       eingestellt, solange sich Assange in der Botschaft Ecuadors aufhalte und
       ein direktes Verhör durch schwedische Staatsanwälte verweigert werde,
       könnte das Ermittlungsverfahren mit hinreichender Aussicht auf einen
       Abschluss nicht weitergeführt werden.
       
       Elisabeth Massi Fritz, Anwältin einer der beiden Schwedinnen, die 2010 mit
       ihren Aussagen das Verfahren gegen Assange ins Rollen gebracht hatten,
       hatte folglich bereits am 11. April, dem Tag, an dem Assange [1][von der
       britischen Justiz in der Botschaft Ecuadors in London festgenommen] worden
       war, einen Antrag auf Wiederaufnahme der Ermittlungen gestellt.
       
       Als nächste Schritte der schwedischen Staatsanwaltschaft kündigte Persson
       einen Antrag auf Erlass eines Haftbefehls, sowie ein Verhör entweder per
       Videoschaltung oder im Rahmen einer persönlichen Anhörung mit Assange in
       der britischen Haftanstalt an. Dort verbüßt er eine [2][Haftstrafe von 50
       Wochen], zu der er am 1. Mai wegen Verstoß gegen die Kautionsauflagen
       verurteilt worden war.
       
       ## Höchststrafe von bis zu vier Jahren
       
       Schwedens Justiz läuft die Zeit davon. Tatvorwürfe auf Nötigung und
       sexuelle Belästigung gegen ihn sind bereits verjährt, es steht nur noch der
       Vergewaltigungsvorwurf im Raum. Auch dieser Vorwurf auf „Vergewaltigung in
       einem minder schwerem Fall“, für den eine Höchststrafe von bis zu vier
       Jahren Haft drohen, würde im August 2020 verjähren, sollte bis dahin keine
       Anklage erhoben worden sein.
       
       Zur Erinnerung: Es war im August 2010, als Assanges Aufenthalt in Schweden,
       das er damals für eine Vortragsreise besuchte, eine dramatische Wende nahm.
       Die Pressemitarbeiterin der Organisation, die ihn eingeladen hatte und bei
       der er privat untergekommen war, sowie eine andere Frau, die er während
       seines Besuchs kennengelernt hatte, waren da zur Polizei gegangen und
       hatten Aussagen zu Protokoll gegeben, die die Staatsanwaltschaft
       veranlasste, ein Verfahren gegen Assange wegen Verdachts der Nötigung, der
       sexuellen Belästigung in zwei Fällen und der Vergewaltigung einzuleiten.
       
       Bevor ein Verhör mit ihm stattfinden konnte, verließ Assange Schweden und
       wurde über einen Europäischen Haftbefehl im Dezember 2010 in London
       festgenommen. Sein Versuch, sich vor britischen Gerichten gegen eine
       Auslieferung nach Schweden zu wehren, scheiterte in allen Instanzen, worauf
       er sich – gegen Kaution auf freiem Fuß – im Juni 2012 in Londons
       Ecuador-Botschaft flüchtete.
       
       ## Keine „Sonderbehandlung“ für Assange
       
       Seitdem lagen die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen ihn auf Eis.
       Zum nächsten Ermittlungsschritt gegen ihn, einem Verhör zu den
       Tatvorwürfen, weigerte er sich, nach Schweden zu kommen: Aus Furcht, damit
       seinen Asylstatus verlieren zu können und womöglich von Schweden an die USA
       ausgeliefert zu werden. Gleichzeitig weigerte sich die ermittelnde
       Staatsanwältin Ny drei Jahre lang, ein Verhör in einem anderen Land als
       Schweden abzuhalten: Assange bekomme von ihr keine „Sonderbehandlung“.
       
       Erst nachdem Ny im Mai 2015 vom obersten schwedischen Gerichtshof für diese
       Blockade gerügt und aufgefordert wurde, das stillstehende Verfahren
       weiterzubetreiben, gab sie diesen Widerstand auf. Allerdings kam es nun
       weitere anderthalb Jahre zu einem diplomatischen Hickhack zwischen Schweden
       und Ecuador über die Details eines solchen Verhörs. Die Schuld daran
       schoben sich beide Seiten gegenseitig zu. Ecuador ließ dann letztendlich in
       seiner Botschaft nur ein Verhör durch einen Staatsanwalt Ecuadors zu.
       Dieser nahm aber lediglich zu Protokoll, dass Assange alle Tatvorwürfe
       bestreite. Worauf die schwedische Staatsanwaltschaft 2017 den vorläufigen
       Einstellungsbeschluss fasste.
       
       Wie geht es nun weiter? Staatsanwältin Persson ließ offen, ob nach einem
       möglichen Verhör mit Assange bereits eine Entscheidung über den Fortgang
       des Verfahrens getroffen werden könnte. Würde es zu einem schwedischen
       Auslieferungsbegehren kommen, würde man sich laut Persson in einer
       „Konkurrenzsituation“ mit den USA und deren Auslieferungsantrag gegen
       Assange befinden.
       
       ## In Übereinstimmung mit Großbritannien
       
       In den Vorschriften zum Europäischen Haftbefehl heißt es, dass für den Fall
       eines Konflikts mit dem Begehren eines Drittlands der Justiz des fraglichen
       Mitgliedslands obliegt, welchem Begehren der Vorrang eingeräumt werde.
       Dabei sei Rücksicht auf Tatort, Tatzeitpunkt, Schwere des Tatvorwurfs und
       Datum der beiden Begehren zu nehmen. Letztendlich wird also die britische
       Justiz entscheiden, ob die USA oder Schweden mit ihrem Antrag zum Zug
       kommen. Assange hätte die Möglichkeit, jeweils ergehende Entscheidungen in
       einer höheren Instanz zu überklagen.
       
       Vermutlich wäre Assange gut beraten, eine Entscheidung für eine
       Überstellung nach Schweden zu akzeptieren. Die USA müssten dann eine
       Auslieferung von Schweden verlangen. Darüber entscheiden könnte Schweden
       allerdings nicht allein, sondern nur in Übereinstimmung mit Großbritannien.
       Assange wäre damit jedenfalls nicht schlechter gestellt als jetzt, wo nur
       die britische Justiz und Politik über den US-Antrag entscheiden.
       
       Sie und ihre Mandantin erwarteten sich jedenfalls, „dass die schwedische
       Staatsanwaltschaft nun Handlungskraft zeigt“ und endlich Recht gesprochen
       werden könne, „ganz unabhängig davon, wer der Beschuldigte ist“, äußerte
       Rechtsanwältin Elisabeth Massi Fritz.
       
       13 May 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Reinhard Wolff
       
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