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       # taz.de -- Vergabe des Friedenspreises: Ein unübersehbares Zeichen
       
       > Der Deutsche Buchhandel ehrt das Ehepaar Aleida und Jan Assmann für sein
       > Lebenswerk. Diese Entscheidung ist ein Statement gegen das Vergessen.
       
   IMG Bild: Vordenker im Bereich der Kulturwissenschaft: Aleida Assmann und Jan Assmann
       
       Die Literaturwissenschaftlerin Aleida Assmann und der Ägyptologe Jan
       Assmann bekommen in diesem Jahr den Friedenspreis des Deutschen
       Buchhandels. Mit der Auszeichnung, die bei der Frankfurter Buchmesse im
       Oktober verliehen wird, ehrt die Branche zwei Intellektuelle, die wie nur
       wenig andere mit ihren Forschungen und Interventionen die geistigen
       Grundlagen der westlichen Kultur erläutert und damit das politische Ethos
       der Bundesrepublik Deutschland geformt haben.
       
       Noch in der NS-Zeit beziehungsweise kurz nach Ende des Krieges geboren,
       lernten sie, die zusammen fünf Kinder haben, sich 1968 kennen. In
       „gegenstrebiger Fügung“ (Jacob Taubes) verbunden, gelang es beiden, trotz
       auf den ersten Blick weit voneinander entfernter Interessen ein gemeinsames
       wissenschaftliches Lebenswerk zu schaffen, das seinesgleichen sucht.
       
       Auf den allerersten Blick nämlich scheinen Ägyptologie und
       Literaturwissenschaft nur wenige Schnittflächen aufzuweisen. Was, so ließe
       sich fragen, haben etwa die Entstehung des Monotheismus im alten Ägypten
       und die Geschichte der literarischen Kommunikation miteinander zu tun?
       
       Indes, wirft man den Blick auf die systematischen Grundlagen derartiger
       Forschungen, so tun sich überraschende Gemeinsamkeiten auf: nicht nur, dass
       es um kulturelle Ausdrucksformen, sondern vor allem, dass es um eine Kultur
       der Erinnerung, um Ausdrucksformen des kollektiven Gedächtnisses geht.
       
       Die richtige Auszeichnung zur richtigen Zeit 
       
       Dabei hat jedenfalls Jan Assmann auch schwierige Themen nicht gescheut, als
       er eine Theorie der „mosaischen Unterscheidung“ vorlegte, die auf den
       ersten Blick den biblischen Monotheismus als Ursache politischer Intoleranz
       haftbar zu machen schien. Nach öffentlichen und wissenschaftlichen
       Kontroversen revidierte Jan Assmann dieses Theorem, um schließlich die
       biblische Exodusgeschichte zum Ursprungsnarrativ der modernen westlichen
       Freiheitsidee zu erklären.
       
       Aleida Assmann aber befasste sich gleichzeitig zunehmend eindringlicher mit
       dem kulturellen Gedächtnis Deutschlands, seiner Untaten und nicht zuletzt
       seiner jüdischen Opfer sowie – es könnte nicht aktueller sein – mit dem
       Unbehagen an dieser deutschen Erinnerungskultur.
       
       Beiden, Aleida und Jan Assmann, ist eine theoretische Unterscheidung zu
       verdanken, die zunehmend an Aktualität gewinnt: die Unterscheidung zwischen
       dem „kommunikativen Gedächtnis“ von Zeitgenossen und Zeitzeugen hier sowie
       dem symbolisch kodierten „kulturellen Gedächtnis“ der Nachgeborenen dort.
       
       In einer Zeit, in der eine rechtsextreme Partei, die AfD, dazu auffordert,
       auf die Verdienste von Angehörigen einer der größten Mordmaschinen der
       Geschichte, der Wehrmacht, stolz zu sein, und in der ihr Vorsitzender das
       bisher größte Menschheitsverbrechen, die nationalsozialistischen Morde zum
       „[1][Vogelschiss]“ erklärt, setzt der Börsenverein des Deutschen
       Buchhandels mit dieser Preisverleihung ein unübersehbares Zeichen für eine
       Kultur der Trauer, der Erinnerung und somit der künftigen politischen
       Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland.
       
       12 Jun 2018
       
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