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       # taz.de -- Verheerendes Feuer in Kalifornien: Waldbrand treibt Stromriesen in Pleite
       
       > Die Wäldbrände in Kalifornien sollen enstanden sein, weil ein
       > Energiekonzern bei Leitungen schlampte. Opfer verklagen nun die Firma.
       
   IMG Bild: Lichterloh: Tausende Häuser verbrannten 2018 in Kalifornien
       
       BERLIN taz | Viel mehr als ein paar Häuser gab es im kalifornischen Pulga
       auch schon vor dem sogenannten camp fire nicht – dafür aber Bäume. Doch
       seit im vergangenen November einer der gefährlichsten Waldbrände in der
       Geschichte des Westküstenstaats hier seinen Anfang nahm, sind weite Teile
       des Baumbestandes verbrannt. 620 Quadratkilometer Land und 18.000 Gebäude
       fielen den Flammen zum Opfer. Die Stadt Paradise wurde fast vollständig
       zerstört, [1][86 Menschen starben].
       
       Der [2][Verursacher des Brandes] ist mit hoher Wahrscheinlichkeit der
       kalifornische Energieriese Pacific Gas and Electric Company (PG&E). Schon
       unmittelbar nach Ausbruch des Feuers gab es erste Hinweise darauf, dass
       eine schlecht gewartete Stromleitung der PG&E in Pulga den Waldbrand
       ausgelöst hat. Mitarbeiter des Unternehmens meldeten das Feuer Minuten nach
       dessen Ausbruch ganz in der Nähe der betreffenden Leitung. Weitere Zeugen
       bestätigten laut einer anhängigen Zivilklage, dass sich das Feuer von dort
       aus auch ausgebreitet habe.
       
       Mitarbeiter von PG&E stellten später fest, dass eine Aufhängeeinrichtung
       für ein Stromkabel einen Bruch aufwies, der vor Beginn des Feuers
       entstanden sein muss. Möglicherweise sorgte die defekte Aufhängung für
       einen Kurzschluss, der das Feuer entzündete. Ein Schuldbeweis ist das noch
       nicht, doch für PG&E sind die Ermittlungen schon jetzt eine Katastrophe.
       
       Am Montag kündigte der Energieversorger nun wegen drohender
       Schadenersatzzahlungen einen Insolvenzantrag für Ende Januar an. Zahlreiche
       Opfer des Feuers haben bereits Klage eingereicht und beschuldigen das
       Unternehmen, seine Einrichtungen nicht ausreichend gewartet zu haben. Es
       drohen Zahlungen von bis zu 30 Milliarden US-Dollar. Das wäre einer der
       höchsten Geldbeträge, zu denen ein Unternehmen in den USA je verpflichtet
       wurde. Demgegenüber steht ein Marktwert des Unternehmens von mittlerweile
       nur noch knapp 9 Milliarden US-Dollar. Hinzu kommt: In den vergangenen
       zwölf Monaten ist der Aktienkurs um 80 Prozent eingebrochen.
       
       ## Die Firma aus „Erin Brockovich“
       
       Und nicht nur für das camp fire könnte PG&E verantwortlich sein. Auch bei
       12 weiteren Waldbränden mit 46 Toten im Jahr 2017 gilt der Konzern laut
       Ermittlungen kalifornischer Behörden als Verursacher – auch hier drohen
       Strafzahlungen und Schadenersatzklagen. Das Unternehmen hat angekündigt, im
       Rahmen des gerichtlich überwachten Insolvenzverfahrens seinen
       Verpflichtungen nachzukommen und sich einer Restrukturierung zu
       unterziehen. Der Prozess dürfte nach Auskunft von Beratern bis zu zwei
       Jahre dauern. Die Energieversorgung soll dadurch aber nicht beeinträchtigt
       werden.
       
       PG&E ist eines der wichtigsten Unternehmen im bevölkerungsreichsten
       US-Bundesstaat. Doch es ist nicht das erste Mal, dass die Firma
       Negativschlagzeilen macht. In den 50er und 60er Jahren leitete sie nahe der
       Kleinstadt Hinkley giftiges Chrom in Wasserbecken. Die Bewohner wurden
       krank. Der Film „Erin Brockovich“ (2000) mit Julia Roberts schildert den
       Kampf um Schadenersatzansprüche gegen das Unternehmen.
       
       Heute beziehen noch rund 15 Millionen Einwohner im sogenannten Golden State
       ihren Strom von PG&E – und auch sonst scheint Kalifornien von dem
       Unternehmen abhängig zu sein. Eine Pleite dürfte zum Beispiel die
       Erneuerung der maroden Leitungen verzögern, die Gefahr von Waldbränden
       bliebe also bestehen. Auch für die Energiewende, die Kalifornien seit
       Jahren ehrgeizig vorantreibt, spielt PG&E eine wichtige Rolle. Knapp die
       Hälfte des PG&E-Stroms kommt aus Erneuerbaren Energien. Vor allem
       Wasserkraftwerke spielen eine wichtige Rolle. Nach Einschätzung des
       Energieexperten Liam Denning von der Nachrichtenagentur Bloomberg würde
       eine Insolvenz des größten kalifornischen Energieanbieters bereits
       beschlossene Erneuerbare-Energie-Projekte gefährden.
       
       In Kalifornien diskutiert man deshalb bereits darüber, wie man dem
       Unternehmen unter die Arme greifen könnte. Möglich wäre zum Beispiel eine
       Verstaatlichung. Diese hätte allerdings den Effekt, dass der öffentliche
       Haushalt für künftige von defekten Stromleitungen verursachte Waldbrände
       haftbar sei, analysiert Stephen Byrd von der US-Bank Morgan Stanley.
       
       Die Landesregierung könnte PG&E aber auch gestatten, die
       Schadenersatzzahlungen auf die Kunden umzulegen. Das dürfte bei den Wählern
       denkbar schlecht ankommen, denn schließlich ist das Unternehmen nicht nur
       mutmaßlich für die Waldbrände verantwortlich, sondern hat mit der
       mangelnden Instandhaltung des Netzes vermutlich auch Gewinne erzielt.
       Andererseits dürften die Strompreise in Kalifornien steigen, wenn das
       Unternehmen unkontrolliert pleiteginge.
       
       Bei fast allen Szenarien scheinen die Menschen in Kalifornien die Verlierer
       zu sein, selbst wenn sie – wie bisher – noch nicht unmittelbar von den
       Waldbränden betroffen waren.
       
       16 Jan 2019
       
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       ## AUTOREN
       
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