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       # taz.de -- Verkehrswende in Hamburg: Radverkehr im Parkmodus
       
       > SPD und Grüne haben ein Moratorium für den Abbau von Parkplätzen
       > beschlossen. Dadurch stehen Planungen neuer Radwege vor dem Aus,
       > befürchtet der ADFC.
       
   IMG Bild: Parkplatz oder Radstreifen: Wer soll den Platz neben der Straße bekommen?
       
       Hamburg taz | Allzu viel Überraschendes gibt es nicht, mit dem Hamburgs SPD
       und Grüne in ihre dritte Legislatur als Partner gehen – weite Teile des
       Koalitionsvertrags, den der neue Senat unter Peter Tschentscher (SPD) in
       den kommenden fünf Jahren abarbeiten soll, [1][können unter dem Stichwort
       als „Weiter so“ verstanden werden.]
       
       Nicht jedoch in der Verkehrspolitik: Nicht nur hat sich trotz aller
       Beteuerungen zur Verkehrswende die Gewichtung im Koalitionsvertrag massiv
       zugunsten des Autoverkehrs verschoben – der Fokus aufs Autofahren und auf
       den Erhalt von Parkplätzen könnte den Neubau von Radwegen zum Erliegen
       bringen, fürchtet der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC).
       
       Ganze zehn Absätze widmet die Koalition nicht dem Autoverkehr im
       Allgemeinen, sondern dem Parken in Hamburg im Besonderen. Wie im Wahlkampf
       von Tschentschers SPD angekündigt, will der rot-grüne Senat etwas gegen den
       hohen „Parkdruck“ unternehmen.
       
       In Stadtteilen, in denen dieser besonders hoch sei, in denen es also
       schwierig sei, einen Parkplatz zu finden, solle der Abbau von Parkplätzen
       vermieden – und gegebenenfalls neue geschaffen werden. Mit einem
       „Masterplan Parken“ soll zunächst erfasst werden, wo in der Stadt wie viele
       öffentliche und private Parkplätze zur Verfügung stehen.
       
       ## Kaum Platz für den Radverkehr
       
       Was Rot-Grün dagegen unter der Überschrift „Fahrradstadt Hamburg“ vorhat,
       hat die Koalition in gerade einmal zwei Absätzen dargelegt. „Man wundert
       sich, wie das der vom Senat beschriebene Schlüssel für die Verkehrswende
       sein soll“, sagt Dirk Lau vom ADFC. „Allein an der Gewichtung zeigt sich
       schon, was da in die Schieflage geraten ist.“ Auch inhaltlich bleibt es in
       diesem Abschnitt vage: Anders als in den vergangenen beiden
       Koalitionsverträgen verzichten SPD und Grüne diesmal auf feste jährliche
       Ausbauzahlen. Nur so viel: Man wolle „weiterhin auf hohem Niveau Radwege
       bauen“.
       
       Zudem zeichnet sich eine Abkehr vom Neubau von Radwegen ab: Rot-Grün wolle
       „im Sinne der Alltagstauglichkeit die Sanierung bestehender Radwege noch
       stärker in den Blick nehmen“. Und: Dort, wo es zwar einen Radweg bräuchte,
       aber kein zusätzlicher Platz dafür vorhanden ist, ohne dem Straßenverkehr
       etwas wegzunehmen, sollen Radfahrer:innen künftig den Fußweg nutzen
       dürfen.
       
       „Wenn wir auch noch den Fußgängern den Platz streitig machen sollen, dann
       ist das ein echter Rückschritt“, kritisiert Lau. Eine tatsächliche
       Verkehrswende gebe es erst, wenn dem Autoverkehr Platz zugunsten von
       Fußgänger:innen und Radfahrer:innen genommen werde.
       
       ## Rot-Grün beschließt ein Moratorium
       
       Ein Passus im Koalitionsvertrag zum angestrebten Masterplan Parken könnte
       unmittelbar drastische Folgen für den Bau neuer Radwege haben: Solange der
       Masterplan Parken noch nicht abschließend erstellt ist, gelte ein
       „grundsätzliches Moratorium für den Abbau von Parkplätzen im öffentlichen
       Raum“. Dies gelte auch für laufende Straßenbauplanungen, wenn dadurch
       Parkplätze verloren gehen – wie es beim Bau neuer Radwege meist der Fall
       ist. Erst wenn den Planungen „Relevanz und Dringlichkeit“ bescheinigt
       würden, könnten sie zur Umsetzung freigegeben werden.
       
       Zuständig dafür ist allerdings nicht die Verkehrsbehörde, sondern eine dem
       grünen Verkehrssenator unterstellte „Senatskommission für Klimaschutz und
       Mobilitätswende“. Die Kommission kann auch auf zeitaufwändige Umplanungen
       drängen – etwa, damit weniger Parkplätze als ursprünglich geplant
       wegfallen.
       
       In der von [2][Bürgermeister Tschentscher] geleiteten Kommission sind auch
       die mehrheitlich von Sozialdemokrat:innen geführten Bezirksämter
       vertreten, die sich in den letzten Monaten zunehmend kritisch über den
       Ausbau von Radwegen in ihren Bezirken geäußert hatten. Wann der Masterplan
       fertiggestellt und das Moratorium beendet wird, konnte der Senat noch nicht
       beantworten. Es ist aber frühestens im Laufe des nächsten Jahres damit zu
       rechnen.
       
       Der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion sieht darin
       aber keine Gefahr für die derzeit geplanten neuen Radwege, auch wenn dafür
       Parkplätze wegfallen: „Die Planungen werden ja nicht gestoppt“, sagt Ole
       Thorben Buschhüter. „Es wird nur noch mal ein Blick darauf geworfen, ob
       nicht auch weniger Parkplätze abgebaut werden können.“
       
       ## SPD löst Wahlkampfversprechen ein
       
       „Der Begriff Moratorium ist ja eindeutig“, sagt hingegen Lau. „Wir können
       nur hoffen, dass nicht wirklich alle bereits angestoßenen Planungen auf Eis
       gelegt werden“. Dass die Senatskommission aber konstruktiv an
       Radwegeplanungen mitarbeite und sie nicht so weit wie möglich torpediere,
       wenn es zulasten von Parkplätzen geht, glaubt Lau hingegen nicht. „Der
       Stopp des Abbaus von Autoparkplätzen ist ja das, [3][was Tschentscher
       zuvor im Wahlkampf versprochen hatte.]“
       
       Bei wie vielen der derzeit in Hamburg geplanten Radwegebauprojekte
       Parkplätze wegfallen werden, will die Verkehrsbehörde auf Anfrage nicht
       sagen. Sie könne es derzeit auch nicht – und macht damit schon die
       Abhängigkeit von der Senatskommission deutlich: „Dies ist erst möglich,
       wenn die Planung abgeschlossen ist und die Senatskommission der Planung
       zugestimmt hat“, antwortet ein Sprecher.
       
       6 May 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR André Zuschlag
       
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