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       # taz.de -- Vermögensdebatte: Das große Ringen um den Sozialstaat
       
       > Wegen des Haushaltslochs will die Union Sozialleistungen kürzen. Die SPD
       > will lieber die Reichen zur Kasse bitten.
       
   IMG Bild: Bärbel Bas (SPD), Bundesministerin für Arbeit und Soziales, in Berlin, am 31. Juli 2025
       
       Berlin dpa/afp/taz |Die schwarz-rote Koalition kann sich in der
       Vermögensdebatte nicht einigen. [1][Kanzler Friedrich Merz] hat am Samstag
       beim CDU-Landesparteitag in Bonn bekräftigt, das zu erwartende Loch im
       Bundeshaushalt 2027 nicht mittels Steuererhöhungen stopfen zu wollen.
       
       „Wir leben seit Jahren über unsere Verhältnisse“, sagte Merz. Den
       [2][Sozialstaat könne man sich deshalb so nicht mehr] leisten. Das ist laut
       SPD-Co-Chefin und Sozialministerin Bärbel Bas „Bullshit“. Es könne nicht
       sein, so Bas auf einer Juso-Konferenz am Sonntag in Gelsenkirchen, dass
       die, die reich sind und ohnehin nicht in die gesetzlichen Systeme
       einzahlten, dann aber „darüber schwadronieren, dass wir uns das alles nicht
       mehr leisten können“.
       
       Reformen seien dennoch nötig, betonte sie auf einer Juso-Konferenz am
       Sonntag in Gelsenkirchen. Für die SPD könne der Sozialstaat auch durch
       [3][höhere Steuern für Spitzenverdienende und Vermögen] finanziert werden.
       Dem stellt sich Merz jedoch weiter entgegen.
       
       Die erwarteten 30 Milliarden, die im Haushalt fehlen sollen, will die Union
       stattdessen unter anderem über Streichungen beim Bürgergeld wieder
       reinholen. Die schwarz-rote Koalition plant im Herbst mehrere
       Gesetzesvorhaben dazu. Nicht nur beim Bürgergeld, [4][sondern auch bei der
       Rente] kündigte Merz am Wochenende Reformen an, damit „die Anreize größer
       werden, länger im Arbeitsmarkt beschäftigt zu sein“.
       
       [5][SPD-Finanzminister Lars Klingbeil] zeigte sich in der ARD-Sendung
       „Bericht aus Berlin“ am Sonntag bereit, Verschärfungen beim Bürgergeld
       mitzutragen. Sanktionen halte er besonders bei sogenannten
       „Totalverweigerern“ und bei Personen, die trotz Bürgergeld schwarz
       arbeiteten, für in Ordnung. Primär auf Kürzungen von Sozialleistungen zu
       setzen, hält er aber für falsch, sagte Klingbeil.
       
       Das Hauptargument von Kanzler Merz, das Haushaltsloch nicht über
       „Steuererhöhungen“ für Reiche zu füllen, ist, dass Union und SPD sich im
       Koalitionsvertrag geeinigt haben, in der aktuellen [6][Legislaturperiode
       keine Steuererhöhungen zu beschließen].
       
       Kritik bekommen Merz, Söder und Co aus den eigenen Reihen: Dennis Radtke,
       Europaabgeordneter und Bundesvorsitzender des CDU-Arbeitnehmerflügels,
       forderte am Montag im Podcast Table Today, Steuerausnahmeregelungen bei
       Erbschaft- und Schenkungssteuer zu beenden.
       
       Durch diese [7][Ausnahmen würden „Milliardenvermögen verschenkt] und
       vererbt, ohne dass ein Euro Steuern bezahlt wird“, sagte Radtke. Merz
       „klare Kante“ gegen Steuererhöhungen habe damit gar nichts zu tun: „Das
       wäre auch keine Steuererhöhung, sondern das Stopfen von Schlupflöchern.“
       
       Am Montag beginnt die [8][von der Regierung eingesetzte
       Sozialstaatskommission] ihre Arbeit. Sie soll bis Ende des Jahres
       Vorschläge für die Bereiche Bürgergeld, Wohngeld und Kinderzuschlag machen.
       Ab Anfang 2026 sollen diese umgesetzt werden, hatte das Sozialministerium
       mitgeteilt.
       
       1 Sep 2025
       
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