URI: 
       # taz.de -- Verschobene Abstimmung im Parlament: Auf Rettungsreise
       
       > Nach Absage der Brexit-Abstimmung sucht Theresa May in Europa das
       > Gespräch – aber findet dort nur höfliche Unverbindlichkeit.
       
   IMG Bild: Jetset oh-oh-oh: May tourte am Dienstag von Den Haag, nach Berlin, weiter nach Brüssel
       
       Den Haag/Berlin/Brüssel taz | Es war wie ein Sinnbild der [1][verfahrenen
       Brexit-Lage], als Theresa May am Dienstagmittag im verregneten Berlin vor
       dem Kanzleramt vorfuhr und ihre Autotür klemmte. Mehrere Versuche, die
       britische Premierministerin aussteigen und Angela Merkel begrüßen zu
       lassen, scheiterten – bis jemand irgendwo vorne irgendeine unsichtbare
       Vorrichtung betätigte.
       
       Ungefähr so wie Theresa May in ihrem verriegelten Auto fühlt sich
       Großbritannien nach Ansicht der Mehrheit seiner Politiker mit dem
       Brexit-Abkommen mit der EU, dessen Ratifizierung im Londoner Parlament
       jetzt wegen des massiven Widerstandes auf Eis liegt.
       
       Der sogenannte [2][backstop für Nordirland], der eine zeitlich unbegrenzte
       und nicht aufkündbare Zollunion ganz Großbritanniens mit der EU vorsieht,
       solange beide Seiten kein Freihandelsabkommen aushandeln, ist der
       Hauptgrund dafür, dass dieser Deal im Parlament nicht mehrheitsfähig ist
       und daher May am Montagnachmittag die für Dienstag geplante Abstimmung zur
       Ratifizierung des Abkommens abblies, weil sie mit einer sicheren Niederlage
       geendet wäre.
       
       Bevor sie das 585-seitige Papier dem Parlament erneut vorlegt – dies soll
       bis zum 21. Januar 2019 geschehen, bekräftigte die britische Regierung am
       Dienstag erneut – muss und will May etwas daran ändern. Sie suche
       „Zusicherungen“, wonach der backstop zeitlich befristet sei, sagte sie. Es
       liegt aber in der Natur einer solchen Auffanglösung, dass sie nicht
       befristet sein kann, egal was man an Absichtserklärungen und
       Zusatzprotokollen dazustellt.
       
       ## Von Den Haag über Berlin nach Brüssel
       
       Dies betont auch das Rechtsgutachten der Regierung zum Abkommenstext, das
       die Regierung May erst vergangene Woche widerwillig den Abgeordneten zur
       Verfügung stellte – und das sich als zusätzliche Munition der
       Abkommensgegner erwiesen hat. Es wird darin auch auf die Möglichkeit
       verwiesen, dass am Ende Nordirland allein in der Zollunion bleibt, der Rest
       Großbritanniens aber nicht – womit die von der EU überwachte Zollgrenze
       innerhalb des Vereinigten Königreiches doch noch entstehen würde, von der
       Theresa May immer wieder gesagt hat, kein britischer Premierminister könne
       das je akzeptieren.
       
       Auf der Suche nach „Zusicherungen“, die das alles anders aussehen lassen,
       flog May am Dienstag nach Den Haag, Berlin und Brüssel, um erst mit den
       Regierungschefs der Niederlande und Deutschlands und dann mit
       EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker zu
       sprechen.
       
       Tusk und Juncker machten vorab allerdings klar, Neuverhandlungen werde es
       nicht geben und der backstop stehe nicht zur Disposition. Merkel sagte nach
       ihrem Gespräch lediglich, dass die EU bereit sei, mit May über zusätzliche
       „Sicherheiten“ zu sprechen.
       
       ## Der Zorn wächst
       
       Da sich an der Substanz des Deals nichts ändern wird, erschließt sich der
       mögliche Sinn von Theresa Mays Blitztour britischen Beobachtern vor diesem
       Hintergrund nicht. Vielmehr ist der Zorn der Parlamentarier über die
       Premierministerin jetzt eher noch gewachsen. Dass May ihnen erst drei Tage
       Parlamentsdebatte zumutet und dann den zu debattierenden Abkommenstext
       einfach wieder zurückzieht, stößt selbst beim Parlamentspräsidenten John
       Bercow auf Empörung: Der konservative Politiker, der eigentlich von Amts
       wegen zur Neutralität verpflichtet ist, nannte das Vorgehen der Regierung
       zwar rechtmäßig, aber „zutiefst unhöflich“ gegenüber der Legislative.
       
       Bercow ließ eine kurzfristige Sonderdebatte zu, und während am Dienstag die
       Premierministerin durch Europa flog, flogen im Unterhaus in London die
       Fetzen. Die Labour-Opposition erwägt nun, im Parlament die Vertrauensfrage
       zu stellen.
       
       11 Dec 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Nach-verschobener-Brexit-Abstimmung/!5558180
   DIR [2] /Brexit-Verhandlungen-im-Unterhaus/!5557156
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Brexit
   DIR Theresa May
   DIR Unterhaus
   DIR Donald Tusk
   DIR Schwerpunkt Angela Merkel
   DIR Europäische Union
   DIR Nordirland
   DIR EU-Zollunion
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
   DIR Theresa May
   DIR Schwerpunkt Brexit
   DIR Unterhaus
   DIR Schwerpunkt Brexit
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Brexit-Hochburg Carlisle: Niemand ist zufrieden
       
       In der Stadt im Nordwesten Englands stimmten 61 Prozent für den Brexit.
       Wenn die Menschen jetzt etwas von der Politik erwarten, ist es Klarheit.
       
   DIR Nach Absage des Brexit-Votums: May muss sich Abstimmung stellen
       
       Es wird eng für Theresa May: Am Mittwoch muss sie sich einer
       Vertrauensabstimmung stellen. Das Szenario hatte sich abgezeichnet.
       
   DIR Kommentar Ringen um den Brexit: Pragmatismus, please!
       
       Ein „ungeordneter“ Brexit könnte die gesamte EU mit ins Chaos ziehen. Was
       die Union jetzt braucht, ist verantwortungsbewusste Politik.
       
   DIR Bei Brexit-Abstimmung im Unterhaus: Mit dem Zepter gezockt
       
       Ein britischer Abgeordneter hat versucht, das Zepter aus dem Unterhaus zu
       entwenden. Wie kommt man auf so eine Idee? Eine gedankliche Annäherung.
       
   DIR Nach verschobener Brexit-Abstimmung: May hofft auf ein Entgegenkommen
       
       Am Montag hatte Theresa May die Brexit-Abstimmung kurzfristig verschoben.
       Nun wirbt May um Kompromisse mit den EU-Partnern. Die Zeit wird knapp.