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       # taz.de -- Verteilung von Flüchtlingen aus Moria: Das Problem heißt Lager
       
       > Deutschland will mehr Menschen aus Moria aufnehmen. Doch Griechenland
       > lässt sie nicht ausreisen. Das Kalkül dahinter: Abschreckung.
       
   IMG Bild: Ehemalige Bewohner des zerstörten Lagers Moria in einem neu errichteten Lager heute auf Lesbos
       
       Seit Monaten wird darum gestritten, ob Deutschland mehr Flüchtlinge aus
       Griechenland aufnehmen soll. Nun will die Bundesregierung [1][1.500
       Menschen mehr] aufnehmen als die bisher zugesagten 1.000. Und dann das:
       Griechenland will die Menschen aus [2][Moria] nicht ausreisen lassen.
       Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis machte klar, dass nur anerkannte
       Flüchtlinge in andere EU-Staaten ausreisen dürfen sollen. Das ist aber nur
       eine Minderheit der Insassen von Moria. Für viele hierzulande klang diese
       Weigerung infam und unverständlich. Infam ist sie, aber erklären lässt sie
       sich.
       
       Bislang wollte Griechenland immer, dass möglichst viele Flüchtlinge von
       anderen EU-Staaten aufgenommen werden. Das hat sich grundsätzlich nicht
       geändert. Nach dem Brand in Moria fürchtet die Regierung jedoch, dass die
       Insassen anderer EU-„Hotspots“ auf den [3][Ägäis-Inseln] – auch diese sind
       völlig überfüllt und teils von Corona-Ausbrüchen geplagt – ebenfalls ihre
       Lager anzünden, um ausreisen zu dürfen.
       
       An dieser Befürchtung könnte etwas dran sein. Das liegt aber keineswegs
       daran, dass es sich bei den Insassen um „Kriminelle“ handelt, die den Staat
       erpressen wollen, wie in den vergangenen Tagen vielfach zu lesen war. Es
       liegt vielmehr daran, dass es diese Lager so gar nicht geben dürfte. Was
       dort geschieht, verletzt praktisch alle Grundrechte der dort
       untergebrachten Menschen.
       
       Daran ist Griechenland keineswegs unschuldig: Das Land hat seit 2015 enorme
       Summen von der EU bekommen, um die Flüchtlinge auf seinem Territorium
       angemessen zu versorgen. Es hat aber aus strategischen Gründen erhebliche
       Anteile dieser Gelder nicht abgerufen, um mit Bildern vom Elend in den
       Lagern eine andere EU-Asylpolitik zu erzwingen und andere Flüchtlinge
       abzuschrecken.
       
       Das Paradox, dass ausgerechnet Athen jetzt auf die Umverteilungsbremse
       drückt, zeigt: Das Problem heißt nicht Moria, es heißt Lager. Solange
       Menschen systematisch entrechtet werden, um andere abzuschrecken, ist mit
       punktuellen Aktionen keine Gerechtigkeit herstellbar.
       
       15 Sep 2020
       
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