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       # taz.de -- Vinterberg-Film „Die Jagd“: Lynchmob-Stimmung in der Provinz
       
       > In „Die Jagd“ wird Kindergärtner Lucas von einem Mädchen des sexuellen
       > Missbrauchs bezichtigt. Der Film zeigt, wie die Welt um ihn herum
       > zerfällt.
       
   IMG Bild: Mit seiner Beliebtheit ist es bald vorbei: Mads Mikkelsen als Lucas in „Die Jagd“.
       
       In Zeiten von minutenschnell sich zusammenbrauenden Shitstorms kann ein
       Film, der emphatisch für die Unschuldsvermutung eintritt, sicher Aktualität
       für sich beanspruchen. Thomas Vinterbergs „Die Jagd“ ist allerdings so
       klassisch gebaut und handwerklich bestechend umgesetzt, dass trotz des
       immer noch so beliebten Themas des Kindesmissbrauchs Hitchcock die
       näherliegende Assoziation ist als irgendwelche aktuellen Hysterie-Schübe.
       
       Kein anderer Regisseur kehrte schließlich so häufig zur Figur des zu
       Unrecht angeklagten Jedermanns zurück wie der Engländer – der nach einer
       von ihm selbst gerne verbreiteten Anekdote als kleines Kind traumatisiert
       wurde, als er von der Polizei völlig unschuldig für ein paar Minuten in
       eine Zelle eingesperrt worden war.
       
       In der Rolle des Jedermanns Lucas ist Mads Mikkelsen in „Die Jagd“ fast zu
       sympathisch, um noch diese Charakterisierung zu verdienen. Am Anfang gleich
       rettet er mit einem beherzten Sprung in einen kalten See einen Freund vor
       dem Ertrinken. Dann entpuppt er sich als unglaublich liebevoller
       Kindergärtner, charmant im Umgang mit einer Kollegin und überhaupt patent
       in allen Lagen des Lebens – außer vielleicht bei den Telefonaten mit seiner
       Exfrau.
       
       Völlig überzeugend zeichnet Vinterberg, der zusammen mit Tobias Lindholm
       auch das Drehbuch geschrieben hat, die Mischung aus Liberalität und Archaik
       im provinziellen Dänemark, in dem alles so unspießig wirkt, aber an
       Weihnachten die Kirche voll ist und junge Männer als Initiationsritus auf
       die Jagd geschickt werden.
       
       Mit der Beliebtheit von Lucas ist es schnell vorbei, als ein Mädchen aus
       dem Kindergarten – zudem die Tochter seines besten Freundes – andeutet,
       sexuell von ihm missbraucht worden zu sein. Lucas fällt sofort aus dem
       engen sozialen Gefüge seines Heimatstädtchens heraus. Lediglich ein
       einzelner Freund hält noch zu ihm. Auch anderen Kindern soll Lucas
       plötzlich zu nahe gekommen sein. Eine Lüge eines Mädchens führt zu einer
       fatalen Kettenreaktion, die immer mehr außer Kontrolle zu geraten scheint.
       Statt der berühmten skandinavischen Liberalität herrscht Lynchmob-Stimmung.
       
       Vinterberg geht das Thema Kindesmissbrauch formal und inhaltlich von einer
       völlig anderen Seite an als in seinem Dogma-Erfolg „Das Fest“ (1998).
       Gleich geblieben ist sein Talent, das Vertrauen in Freunde und Familie
       umfassend zu erschüttern.
       
       „Die Jagd“. Regie: Thomas Vinterberg. Mit Mads Mikkelsen, Thomas Bo
       Larsson, Dänemark/Schweden 2012, 111 Min.
       
       27 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven von Reden
       
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