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       # taz.de -- Volksentscheid in Berlin am Sonntag: Endspurt für das Klima
       
       > Drei Tage vor dem Entscheid werben 300 Kulturschaffende für ein „Ja“.
       > Derweil gibt es Anzeichen, dass bei den Briefwahlunterlagen größere
       > Pannen passiert sind.
       
   IMG Bild: Süße Sache mit Zukunft
       
       Berlin taz | Der Aufruf ist unmissverständlich und drängend: „Wir verlangen
       hiermit, als Bürger*innen und als Künstler*innen, den Hebel für schnelle
       Klimaneutralität umzulegen“, schreiben rund 300 Kulturschaffende in einer
       [1][am Donnerstag veröffentlichten gemeinsamen Erklärung]. Und fügen hinzu:
       „Jetzt! Weil es bald zu spät für alles ist.“
       
       Anlass für den Appell ist [2][der Volksentscheid am Sonntag]. Bekommt der
       vorgelegte Gesetzentwurf eine Mehrheit, muss Berlin bis 2030 klimaneutral
       werden. Bisher hat der Senat dieses Ziel für 2045 angepeilt. „Der schnelle
       Weg in die Klimaneutralität wird nicht einfach“, geben auch die 300
       Kulturschaffenden zu. Aber: „Wir haben viel zu lange hingenommen, dass die
       Politik mit offenen Augen zögert, zaudert und allerhöchstens
       schlafwandelt.“
       
       Mit einem Ja würde Druck ausgeübt, damit sich das ändere. Zu den
       Unterstützer*innen des Aufrufs gehören Musiker*innen,
       Schauspieler*innen und Künstler*innen wie Jasmin Tabatabai, Sasha
       Waltz, Tanja Dückers und Olafur Eliasson.
       
       Auch die Initiative selbst warb noch einmal eindringlich für ein „Ja“. „Der
       Sonntag ist der Tag, an dem Berlin eine einmalige Chance hat,
       Klimahauptstadt zu werden“, sagte [3][Jessamine Davis vom Bündnis
       Klimaneustart Berlin]; die Initiative hat mehr als zwei Jahre auf den
       Volksentscheid hingearbeitet. Mit einer schnelleren Klimaneutralität
       könnten die Menschen nur gewinnen, etwa an Lebensqualität und
       zukunftsfähigen Jobs, so Davis weiter.
       
       Seit Ausgabe der Briefabstimmungsunterlagen am 13. Februar haben mehr als
       400.000 Berliner*innen diese beantragt. Da es keine Gegenkampagne etwa
       von SPD oder CDU für ein „Nein“ gibt, wurde diese Zahl bisher als Zeichen
       dafür gesehen, dass die Mobilisierung der Unterstützer*innen gut
       funktioniere. Das ist wichtig, denn damit der Entscheid gültig ist, muss
       nicht nur eine Mehrheit mit „Ja“ stimmen; diese Mehrheit muss auch aus
       einem Viertel der Abstimmungsberechtigten bestehen, also rund 609.000
       Personen.
       
       ## Briefwahlunterlagen nicht zugestellt
       
       Offenbar gibt es aber größere Probleme bei der Zustellung der
       Briefabstimmungsunterlagen, wie Davis berichtete. „Wir erhalten viele
       Hilferufe, dass Unterlagen zwar beantragt wurden, aber nicht angekommen
       sind.“ Auch gebe es Rückmeldungen aus den Bezirken, dass vergleichsweise
       wenige Abstimmungszettel zurückgekommen seien. Die genaue Ursache dafür und
       der Umfang der möglichen Pannen blieb unklar.
       
       Die Initiative appellierte an jene, die trotz Antrag bisher keine
       Unterlagen bekommen haben, sich bis Freitag im Bezirkswahlamt zu melden und
       wieder in die Wahllisten eintragen zu lassen. Wer bereits Unterlagen habe,
       sie aber noch nicht verschicken konnte, sollte am Sonntag damit in Präsenz
       abstimmen gehen.
       
       Innensenatorin Iris Spranger (SPD), der das Landeswahlamt untersteht,
       erklärte hingegen, keine Hinweise darauf zu haben, dass es spürbare
       Verzögerungen bei der Postzustellung gebe. „Wir sind sehr, sehr eng mit der
       Post und auch mit der Pin AG in Verbindung, fast täglich“, sagte Spranger
       der dpa. „Es ist jetzt nicht bekannt, dass dort irgendwelche Fehler
       unterlaufen.“ Sie sei deshalb zuversichtlich, dass das von den Zustellern
       ordentlich gehandhabt werde.
       
       Der Volksentscheid war am Donnerstag auch Thema im Abgeordnetenhaus. Die
       nötigen Maßnahmen zum Erreichen einer Klimaneutralität bis 2030 würden
       mindestens einen hohen zweistelligen Milliardenbetrag kosten, erklärte
       Klimaschutzsenatorin Bettina Jarasch (Grüne). Diese müssten aber nicht
       automatisch nur vom Land übernommen werden. Unter anderem gehe es bei der
       Gebäudesanierung auch um Investitionen, die von der privaten
       Wohnungswirtschaft erbracht werden müssten.
       
       Im zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf sind keine konkreten Maßnahmen
       vorgeschrieben, wie die Klimaneutralität bis 2030 erreicht werden soll.
       Klar ist indes, dass in den Bereichen Verkehr, Wärmeversorgung und
       Gebäudedämmung viel mehr getan werden muss als bisher. Die Politik tue
       daher gut daran, mögliche Maßnahmen wie ein Verbot von Fahrzeugen mit
       Verbrennermotoren in der (Innen-)Stadt früh zu kommunizieren, betonte
       Davis. „Die Menschen brauchen Planungssicherheit.“
       
       Bereits bis 2025 müsste laut Gesetz eine Reduktion der CO2-Emissionen um 70
       Prozent gegenüber 1990 erfolgen. Eine enorm hohe Hürde, wie auch die
       Initiative weiß, und damit eine Möglichkeit für juristische Schritte, wenn
       das Ziel verfehlt wird. Doch: „Wir werden nicht klagen, wenn wir merken,
       dass der Senat alles in seiner Macht Stehende tut für mehr Klimaschutz“,
       kündigte Davis an.
       
       Die absehbar nächste Regierung aus CDU und SPD hat sich in
       Koalitionsgesprächen auf ein [4][kreditfinanziertes Sondervermögen von bis
       zu 10 Milliarden Euro geeinigt]. CDU-Generalsekretär Stefan Evers sprach
       daher im Parlament von einem „Klimaturbo“. „Wir haben höchste Ambitionen.
       Dazu gehört: Ziele müssen erreichbar bleiben. Deswegen ist unsere Haltung:
       Ja zu mehr Klimaschutz, aber Nein zu einem Volksentscheid der falschen
       Versprechen.“
       
       Anders argumentierte Stefan Taschner (Grüne). Dass das Ziel sehr
       ambitioniert sei, dürfe kein Grund für eine Ablehnung sein, sondern viel
       mehr Ansporn, noch eine Schippe draufzulegen. „Technisch wissen wir doch,
       wie wir die Klimaneutralität erreichen können.“
       
       23 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://vollehalle.de/ja-zum-volksentscheid-berlin-klimaneutral-2030/
   DIR [2] /Volksentscheid-Berlin-2030-klimaneutral/!5919891
   DIR [3] /Streitgespraech-ueber-Klimapolitik/!5865260
   DIR [4] /Koalitionsverhandlungen-in-Berlin/!5918940
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bert Schulz
       
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